Finanzierung der Piratenfraktion und zulässige Verwendung der Fraktionsmittel [Ergänzung vom 22.05.2012]

Der Landesrechnungshof hat uns eine Information zur Fraktionsfinanzierung zukommen lassen:

LRH 211
Kiel, 14. Mai 2011

Verfügung
Finanzierung der Fraktionen und Verwendung der Fraktionsmittel

hier: Gespräch am 14.05.2012

mit Vertretern der künftigen Landtagsfraktion der Piraten

Vermerk

Am 14.05.2012 hat P die neuen Abgeordneten der künftigen Piraten-Landtagsfraktion zu einem ersten Kennenlerngespräch eingeladen. Er hat PK 1, PK 11 und 211 dazu gebeten. Von den Piraten nehmen teil die Herren Torge Schmidt, Sven Krumbeck, Uli König, Wolfgang Dudda und Patrick Breyer sowie Frau Angelika Beer.

Der LRH hat angeboten, Fragen zu beantworten und ihnen einige „Spielregeln“ zum Umgang mit Fraktionsmitteln zu erläutern. Außerdem soll ihnen die Funktion/Rolle des Landesrechnungshofs hierzu erklärt werden.

Aus den nachfolgenden Themen könnten einige angesprochen werden. Die erforderlichen Details dazu erhalten der dann gewählte PGF und die ggf. schon eingestellten Mitarbeiter/innen von den zuständigen Fraktionsprüfern nach der ersten Landtagssitzung. Für Fragen aller Art stehen die Fraktionsprüfer schon jetzt jederzeit zur Verfügung.

Warum erhalten Fraktionen Geld- und Sachlmittel aus dem Landeshaushalt und was ist bei deren Verwendung zu beachten?

Fraktionsaufgaben

Die Aufgaben der Fraktionen sind in den Rechtsvorschriften leider nur vage beschrieben:

Art. 12 Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Die Opposition hat die Aufgabe, Regierungsprogramm und Regierungsentscheidungen zu kritisieren und zu kontrollieren.

§ 3 FraktionsG

Fraktionen wirken an der Erfüllung der Aufgaben des Landtages mit.

Fraktionen können mit den Fraktionen anderer Parlamente und parlamentarischen Einrichtungen zusammenarbeiten.

Fraktionen und ihre Mitglieder können die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit unterrichten.

„Wüppesahl-Entscheidung“ (BVerfGE 80,188 (216)):

„Die Fraktionen steuern und erleichtern in gewissem Grade die parlamentarische Arbeit, indem sie insbesondere

  • eine Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren,
  • gemeinsame Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie
  • eine umfassende Information der Fraktionsmitglieder unterstützen.

Auf diese Weise fassen sie unterschiedliche politische Positionen zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten zusammen.“

Fraktionsmittel

Damit die Fraktionen ihre Aufgaben wahrnehmen können, stehen ihnen nach dem Fraktionsgesetzt Geld- und Sachmittel zu:

Der Landtag setzt zu Beginn der Legislaturperiode einen Grundbetrag für jede Fraktion und einen Betrag für jedes Fraktionsmitglied fest.

Oppositionsfraktionen erhalten einen weiteren Zuschlag für ihre Aufgabe, Regierungsprogramm und Regierungsentscheidungen zu kritisieren und zu kontrollieren (Art. 12 LV).

Die Fraktionen können ihre Büroräume im Landeshaus unentgeltlich nutzen und erhalten eine Grundausstattung an Einrichtung, Telefon und Dienstwagen mit oder ohne Fahrer. Anstelle von Dienstwagen und Fahrer können auch die Mittel dafür ausgezahlt werden. Die Fraktion würde dann selbst einen Wagen leasen und eine/n Mitarbeiter/in einstellen. Der PKW wäre nicht personengebunden und könnte von der ganzen Fraktion genutzt werden. Die/der Mitarbeiter/in müsste kein Fahrer/in sein und könnte auch andere Aufgaben übernehmen.

Die Fraktionen können gebührenfrei in deutsche und internationale Fest- und Mobilfunknetze telefonieren.

Verwendung der Fraktionsmittel

Nach dem bisherigen Berechnungsschlüssel würden die Piraten etwa 500.000 € Fraktionsmittel erhalten. Das kann mehr oder weniger werden; das wird der Landtag nach seiner ersten Sitzung beraten und beschließen.

Die Fraktionen dürfen ihre Mittel nur ausgeben, um ihre Aufgaben erledigen zu können. Die Ausgaben müssen immer einen unmittelbaren Bezug zur Parlamentsarbeit haben.

Die Geld- und Sachleistungen sind sparsam und wirtschaftlich im Sinne der Landeshaushaltsordnung zu verwenden.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen sollen in Anlehnung der für den öffentlichen Dienst geltenden Tarife vergütet werden. Das bedeutet, dass der TV-L analog anzuwenden ist.

Jahresrechnung/Prüfung des LRH

Die Fraktionen müssen spätestens 6 Monate nach Jahresende in einer Jahresrechnung nachweisen, woher ihre Einnahmen kommen und was sie damit gemacht haben.

Sie müssen auch offen legen, ob sie Vermögen oder Schulden haben.

Die Jahresrechnung wird als Drucksache dem Landtag und damit der Öffentlichkeit vorgelegt. So haben sich die Fraktionen auch gegenüber dem Steuerzahlen zu rechtfertigen und auch denen zu erklären, wo ihre Mittel geblieben sind.

Das Fraktionsgesetz gibt genau vor, welche Einnahmen und Ausgaben in den Jahresrechnungen ausgewiesen werden müssen.

Die Rechnungsunterlagen sind 5 Jahre aufzubewahren.

Der LRH prüft mindestens einmal in der Wahlperiode, ob die Mittel wirtschaftlich und zweckentsprechend verwendet werden. In seinen jährlichen Bemerkungen berichtet er darüber dem Landtag. So erfährt dann auch die Öffentlichkeit, was der Rechnungshof festgestellt hat.

Partei- und Fraktionsaufgaben sind zu trennen

Das Fraktionsgesetz verbietet den Fraktionen, ihre Fraktionsmittel für Parteiaufgaben zu verwenden. Daher prüft der LRH, ob die Fraktionen Steuergelder wirklich nur für Fraktionsaufgaben ausgeben. Ist das nicht der Fall, wird gegen das Parteiengesetz verstoßen. Das wird nicht nur teuer, sondern gibt den Medien Stoff für unangenehme Berichte. Das will niemand.

Gemeinsame Aktivitäten von Partei und Fraktion

Partei- und Fraktion können dennoch durchaus zusammenarbeiten.

Es bestehen z.B. keine Bedenken, wenn Fraktion und Partei gemeinsame Veranstaltungen planen und durchführen. Die Ausgaben müssen dann sachgerecht und nachvollziehbar geteilt werden.

Arbeiten Fraktionsmitarbeiter auch für die Partei, müssen die jeweiligen Arbeitszeiten erfasst und nachvollziehbar abgerechnet werden.

Die Aufnahme solcher Aktivitäten sollte im Vorwege mit dem LRH abgesprochen werden.

Zusammenarbeit mit Fraktionen anderer Parlamente

Die Fraktion kann sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen anderer Parlamente treffen, um sich zu beraten und zu besprechen. Das sind z.B. die Fraktionsvorsitzendenkonferenzen oder Sprechertagungen.

Werden Reisen aus Fraktionsmitteln finanziert, müssen die Reiseprogramme hergeben, dass die Reisen für die Arbeit der Fraktion erforderlich sind. Die Ausgaben für die Reisen dürfen aus Fraktionsmitteln finanziert werden. Die privat veranlassten Aufwendungen für die Verpflegung oder Rahmenprogramme sind von den Teilnehmern selbst zu zahlen.

Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen

Eine Aufgabe der Fraktion ist es, die Wählerinnen und Wähler über ihre Arbeit zu informieren. Das darf sie aus ihren Fraktionsmitteln finanzieren. Die Ausgaben hierfür müssen jedoch in einem angemessenen Verhältnis zu den Fraktionsmitteln stehen. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat hierzu eine Obergrenze von 10 % der Fraktionsmittel als angemessen anerkannt.

Fraktionen können als Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit Veranstaltungen anbieten. Sie dürfen dann aus Fraktionsmitteln finanziert werden, wenn sie die Wählerinnen und Wähler oder eine fachbezogene Zielgruppe unmittelbar erreichen. Beispiele sind: Fachkonferenzen, Foren, Workshops, Tagungen.

Öffentlichkeitsarbeit innerhalb von 6 Monaten vor einer Wahl ist nur begrenzt zulässig. In dieser Zeit ist von den Wählerinnen und Wählern der Unterschied von Partei- und Fraktionsaktivitäten nur schwer auseinander zu halten. Die Fraktion darf deshalb in dieser Zeit nur das machen, was regelmäßig auch außerhalb der Vorwahlzeit gemacht wurde.

Nicht alles darf aus Fraktionsmitteln bezahlt werden

Alle Aktivitäten, die der Werbung oder der Geselligkeit dienen sind privat und auch privat zu zahlen. Sie gehören nicht zur Öffentlichkeitsarbeit.Beispiele:

Ausgaben für Wahlpartys. Fraktionen dürfen keinen Wahlkampf machen. Das ist Aufgabe der Parteien. Folglich dürfen auch Wahlpartys nicht finanziert werden.

Werbung für die Partei ist nicht erlaubt, z.B. auf der Internetseite der Fraktion. Das gilt auch für Spendenaufrufe oder Mitgliederwerbung.

Veranstaltungen als überwiegend gesellige Treffen. Neujahrsempfänge, Sommerfeste, Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern, Geburtstagsfeiern u. ä. sind keine Fraktionsveranstaltungen und daher privat zu zahlen.

Bei Ausstellungen ist ein Zusammenhang mit den Parlamentsaufgaben nicht immer zu erkennen. Insbesondere Kunstausstellungen gehören nicht zu den Aufgaben der Fraktionen.

Werbematerialien, wie Autogrammkarten, Visitenkarten für Abgeordnete dürfen nicht aus Fraktionsmitteln finanziert werden. Hierfür erhalten die Abgeordneten ihre Entschädigung. Solche Ausgaben sind dort eingerechnet.

Geschenke sind grundsätzlich Privatsache. Nur zu besonderen öffentlichen Anlässen können sie akzeptiert werden. Für die Übernahme aus Fraktionsmitteln sollten dann jedoch die steuerrechtlichen Grenzen beachtet werden (Höchstsumme pro Geschenk 70 €)

Umfragen dürfen nur begrenzt aus Fraktionsmitteln bezahlt werden. Auch sie müssen einen direkten Bezug zur Parlamentsarbeit der Fraktion haben. Sonntagsfragen gehören nicht dazu.

Investitionen

Bei Ausgaben für Anschaffungen/Investitionen ab 400 € ist zu dokumentieren, ob und in welcher Form Preisumfragen bzw. Ausschreibungen durchgeführt wurden.

Hierfür ist Inventarverzeichnis zu führen.

Rücklagen

Das Fraktionsgesetz ermöglicht es den Fraktionen, nicht verbrauchte Fraktionsmittel können ins neue Jahr zu überzutragen. Sie dürfen Rücklagen bilden.

Diese sind in Schleswig-Holstein bisher weder dem Inhalt noch der Höhe nach begrenzt.

Die Fraktion sollte Rücklagen nur zweckgebunden anlegen. Jede Rücklage ist kreditfinanziert. Werden Mittel längerfristig nicht benötigt, können sie beim Finanzminister „zwischengeparkt“ werden.

Fraktionsmitarbeiter/innen

Die Fraktionsbeschäftigten sollen nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt sein als die des Landes. Daher sollen für die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich der TV-L einschließlich der dazu gehörenden Vorschriften angewendet werden. Das gilt z.B. für die Arbeitszeiten, den Urlaub, die Reisekosten. Die Verträge können daher kurz gefasst werden und auf den TV-L und seine ergänzenden Vorschriften verweisen. Allen Verträgen sollten Aufgabenbeschreibungen beigefügt werden. Muster können zur Verfügung gestellt werden.

Einen gravierenden Unterschied gibt es: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten befristete Verträge. Sie sollen längstens bis zum Ende einer Wahlperiode eingestellt werden. Das ermöglicht einer eventuellen Nachfolgefraktion mit neuen Abgeordneten, „eigene neue Mitarbeiter/innen ihres Vertrauens“ einzustellen.

Ausgaben des laufenden Geschäftsbetriebs

Hieraus wird alles bezahlt, was für den laufenden Geschäftsbetrieb erforderlich ist.

Hierzu kann auch gehören, Gäste zu bewirten. In einem angemessenen Rahmen ist das problemlos. Die interne Bewirtung zu Sitzungen, Besprechungen ist privat zahlen.

Das gilt auch für sogen. Arbeitsessen. Die Bewirtung von Gästen kann aus staatlichen Mitteln finanziert werden; Abgeordnete hingegen müssen ihre Aufwendungen z.B. für sog. Arbeitsessen oder Journalistengespräche selbst tragen.

Buchhaltung

Für die Personalkostenabrechnungen nach dem TV-L gibt es verschiedene Programme zu kaufen. Einfacher ist es, damit Dataport zu beauftragen. Dort werden alle Abrechnungen für die Landesbediensteten abgewickelt. Die beiden großen Fraktionen nutzen das für weniger als 900 €/Jahr.

Bei Überweisungen ist darauf zu achten, dass aus den Belegen erkennbar ist, wofür das Geld angewiesen wird. Ggf. ist das handschriftlich zu ergänzen. Bei Veranstaltungen sind Datum und Thema der Veranstaltung sowie ggf. Teilnehmer zu vermerken. Dafür reicht es meist, ein Exemplar der Einladung und der Teilnehmerliste beizufügen. Aus der Teilnehmerliste muss erkennbar sein, in welcher Funktion die Teilnehmer da waren. Bei Flyern oder Broschüren ist ein Exemplar beizufügen.

Insgesamt haben wir folgende Unterlagen erhalten:

  • Die oben wiedergegebene Information zur Fraktionsfinanzierung
  • Eine Muster-Aufgabenbeschreibung für Fraktionsmitarbeiter
  • Ein Arbeitsvertragsmuster für Fraktionsmitarbeiter
  • Eine Übersicht über die übliche Bezahlung von Fraktionsmitarbeitern und einen Kurzüberblick:
    • Geschäftsführer/in E 12/E13
    • Geschäftsführer/in und wissenschaftl. Mitarbeiter/in E 13
    • wissenschaftl. Mitarbeiterin/Referentin E 12/E13
    • Pressesprecher und gleichzeitig wissensch. Mitarbeiterin bis E 15 je Ausbildung und bisherigen Erfahrungen
    • Sachbearbeiter/innen E 8 bis E 11
    • Sekretär/in E 8 bis E 9

Ergänzung:

Weitere Informationen zur Frage der Fraktionsmittel enthalten die Berichte des Landesrechnungshofs von 2010 und 2005.

Von der Landtagsverwaltung haben wir außerdem Informationen zur Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern samt Muster-Arbeitsvertrag erhalten.

Schließlich haben wir ein Schreiben mit Informationen für neue Abgeordnete erhalten (Personalbogen, biografische Angaben, Kurzinformation über die finanziellen Leistungen an Landtagsabgeordnete).

Wir PIRATEN setzen uns für eine 10%-ige Kürzung der Fraktionsmittel, für eine Abschaffung der verfassungswidrigen Zulagen für Parlamentarische Geschäftsführer und für eine Reform der Fraktionsfinanzierung entsprechend der Vorschläge des Bundes der Steuerzahler ein. Außerdem haben wir in unserer eigenen Finanzordnung ein hohes Maß an Transparenz und Mittelschonung vorgesehen (z.B. zinslose Hinterlegung von Rücklagen).

Ergänzung vom 22.05.2012:

Die Übersicht über die übliche Bezahlung von Fraktionsmitarbeitern haben wir aus Datenschutzgründen anonymisiert.

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