Position der Piratenabgeordneten zum "Euro-Rettungsschirm"

Nach unserer Überzeugung ist die hohe öffentliche Verschuldung die Ursache für die staatliche Abhängigkeit von Zinsschwankungen und damit von Finanzmärkten und Ratingagenturen. Die Piratenpartei Schleswig-Holstein will unser Bundesland zum Vorreiter in Deutschland für eine nachhaltige Staatsfinanzierung machen, indem wir die Schuldenbremse durch einen Schuldenstopp ergänzen: Wir wollen in der Landesverfassung festschreiben, dass Schleswig-Holstein seine Schulden bis 2050 schrittweise zurückzahlen muss. Indem wir die bis 2020 infolge der Schuldenbremse ohnehin erforderliche Stärkung des Verhältnisses der Nettoeinnahmen zu den Ausgaben des Landes fortsetzen, verringern wir die Abhängigkeit des Landes von den Finanzmärkten und erobern finanzielle Gestaltungsspielräume für die Zukunft unseres Landes zurück.

Der geplante „Europäische Stabilitätsmechanismus“ (ESM) wird von Teilen der Öffentlichkeit als intransparent und unzureichend kontrolliert kritisiert. So ist eine umfassende Kontrolle der Entscheidungen durch unabhängige Rechnungshöfe und Gerichte ausgeschlossen. Von anderen wird in Frage gestellt, ob das ESM-Verfahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung überhaupt ein wirksames Instrument zur Bewältigung von Schuldenkrisen und zur nachhaltigen Gewährleistung von Währungsstabilität darstellt.

Die Piratenpartei Deutschland kritisiert das intransparente Zustandekommen des ESM-Vertrags. Die Piratenpartei Schleswig-Holstein tritt dafür ein, dass Beschlüssen und Verträgen auf europäischer und internationaler Ebene, die der parlamentarischen Umsetzung oder Ratifizierung bedürfen, künftig nur nach vorheriger Genehmigung der Vertreter des Volkes in den Parlamenten zugestimmt werden darf. Der ESM-Vertrag ist ohne eine solche demokratische Legitimation ausgehandelt worden.

Außerdem ist die Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger ein Kernanliegen der Piratenpartei. Als Piratenpartei Schleswig-Holstein sind wir Teil des Bündnisses für Mehr Demokratie, welches die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene fordert. Politische Grundsatzfragen müssen von den Bürgerinnen und Bürgern direkt entschieden werden können, denn von ihnen soll nach dem Grundgesetz alle Macht im Staat ausgehen. Die Bürgerinnen und Bürger haben gegenwärtig keine Möglichkeit, eine Volksabstimmung über den ESM-Vertrag einzuleiten.

Ob und unter welchen Bedingungen wir dauerhaft eine finanziell weitreichende Haftung für Schulden anderer Staaten, Banken oder andere Schuldner übernehmen wollen, ist eine Grundsatzfrage. Vorbehaltlich einer Legitimierung durch unsere Basis sind wir als schleswig-holsteinische Abgeordnete der Piratenpartei der Meinung, dass die Parlamente dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (kurz: ESM) nicht zustimmen sollten, solange nicht die Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit hatten, einen Volksentscheid darüber einzuleiten und durchzuführen. Erst ein solcher Volksentscheid ermöglicht eine ausreichende öffentliche Diskussion der gegenwärtigen Ausgestaltung des ESM-Vertrags und eine informierte Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger, die für die finanziellen Folgen aufkommen sollen. Ein Volksentscheid könnte Gelegenheit zu wichtigen Nachbesserungen an dem gegenwärtigen Vertragstext geben.

Volksentscheide dürfen nicht als „Verhinderungsinstrumente“ diffamiert werden. Teilweise führen Volksentscheide zur Legitimierung politischer Entscheidungen und sichern die öffentliche Unterstützung dafür (z.B. im Fall des Tiefbahnhofs Stuttgart 21). Mitunter führen Volksentscheide dazu, dass politische Entscheidungen überarbeitet und verbessert werden. Dementsprechend könnte auch im Fall des ESM ein Volksentscheid dazu führen, dass Hilfen bei der Bewältigung von Schuldenkrisen nicht generell ausgeschlossen, aber von einer demokratischen Legitimation, strikten Bedingungen und Grenzen sowie einer eingehenden Kontrolle durch Rechnungshöfe, Gerichte und die Öffentlichkeit abhängig gemacht werden.

Wir Piraten unterstützen die europäische Idee und Zusammenarbeit ausdrücklich, kritisieren aber ihre bisherige Umsetzung und Ausgestaltung als nicht ausreichend demokratisch, transparent und rechtsstaatlich. Eine solche konstruktive Kritik macht uns nicht zu Europaskeptikern. Nach unserer Überzeugung können einzig umfassende Reformen den Prozess der europäischen Einigung zukunftsfähig machen, wie es unser Ziel ist.

18 Kommentare

18 Kommentare

  • 1
    Frank M
    19. Mai 2012 um 13:17 Uhr

    Könnte man ja meinen: „Ach das mit den Schulden haben schon alle versucht in den Griff zu kriegen“, aber im Moment zeichnet sich nur bei der Piratenpartei die Fähigkeit ab, den notwendigen Verzicht nicht als Diktat sondern als breit diskutierten und gestützten Konsens zu etablieren. Diese Entschuldung funktioniert nur über Transparenz, Ehrlichkeit und Beteiligung. Ich bin gespannt ob die Gesellschaft auch Anerkennung für den Verzicht der unterschiedlichen Interessengruppen deutlich machen kann.

    • 2
      Uwe Krüger Winands
      17. Juni 2012 um 01:51 Uhr

      Es ist der Allgemeinheit anscheinend nicht klar, das mit der kompletten Zurückzahlung von Schulden auch das „Geld“ komplett verschwindet. Ich betrachte daher den Vorschlag von Patrick Breyer, der besagt das „Wir wollen in der Landesverfassung festschreiben, dass Schleswig-Holstein seine Schulden bis 2050 schrittweise zurückzahlen muss.“ als eine Art Aprilscherz. Möglicherweise ist es auch ein Zeichen oder ein Hinweis auf mangelnder Fachkompetenz auf dem Gebiet Geld und Finanzen.
      Dem kann man abhelfen, indem man sich bei der piratischen Bundes-AG „Geldordnung & Finanzpolitik“ informiert.

      • 3
        Uwe Krüger Winands
        17. Juni 2012 um 01:56 Uhr

        Sorry, es gibt keine EDIT Funktion. Ich korrigiere, der Vorschlag von Patrick Breyer lässt sich umsetzen ohne das das Geld völlig verschwindet. Die dann möglicherweise noch bestehende Verschuldung der anderen Länder, der Privatleute und der Wirtschaft sorgen dafür, das es noch Geld geben KANN – nicht muss!

      • 4
        Patrick Breyer
        17. Juni 2012 um 09:21 Uhr

        Hallo Uwe,

        ich stimme dir zu. Es gibt Staaten und Städte, die sehr gut (fast) ohne Staatsschulden wirtschaften und die dadurch nicht einen großen Teil der Steuereinnahmen sogleich wieder an Großbanken und Finanzkapitalisten auszahlen müssen.

        Zurzeit ist ein bundesweiter Altschuldentilgungsfonds im Gespräch, der in die richtige Richtung gehen würde, möglicherweise finanziert aus dem Solidaritätszuschlag.

        Mit freundlichem Gruß,
        Patrick Breyer

      • 5
        17. Juni 2012 um 06:38 Uhr

        Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen.
        Wer nicht verstanden hat das wir ein Schuldgeldsystem haben hat ein grundsätzliches Verständnisproblem.

  • 6
    Dr. Karsten Kuhls
    20. Mai 2012 um 10:57 Uhr

    Mehr Demokratie e.v. hat bereits angekündigt, dass es unmittelbar nach einem ESM-Beschluss im Bundestag (durch eine „ganz große Koalition“?) beim Bundesverfassungsgericht dagegen klagen wird. Hoffen wir, dass unser höchstes Gericht, wie schon so oft geschehen, den machtverliebten Altparteien-Politikern die Leviten lesen wird und die von Patrick Breyer vorgetragene hervorragende „Position der Piratenabgeordneten“ zum ESM zügig die Legitimation der Basis erhalten wird. Nächste Gelegenheit dazu: LPT in Flensburg (Audimax Campus Flensburg) am 24. Juni 2012.

  • 7
    Thomas Braun
    31. Mai 2012 um 11:08 Uhr

    Undemokratisch ist m.M.n. nicht nur das Zustandekommen des ESM. Viel gravierender finde ich die Tatsache, dass ein allumfassend immuner Kommissar berechtigt werden soll, die Finanzautonomie wirtschaftlich schwacher Mitgliedstaaten auszuhebeln. Das kommt doch einem kalten Putsch, in dann marktkonformen Demokratien gleich. Hier wird das Privatrecht der möglichen Geldgeber über das nationale Selbstbestimmungsrecht gestellt. So zementiert man weiterhin die Macht der wenigen Gewinner der Kapitalakkumulation, über die Völker Europas und macht diese quasi zu Feudalherren. Das mag sich ja vielleicht für das Kapital rechnen, bringt letztlich aber nirgends die Demokratie voran. Statt einer Hilfe zur Selbshilfe, bietet der ESM den schwachen Mitgliedstaaten nur eine „Führung“, die man in letzter Konsequenz für nichts verantwortlich machen darf.

    • 8
      ukw
      12. Juni 2012 um 07:34 Uhr

      Bislang der einzig brauchbare Kommentar.
      – Zementierung der Macht einiger weniger über ganze Nationen (Diktatur?)
      – Europaweite Abschaffung der Demokratie wird nicht demokratisch herbeigeführt.

  • 9
    31. Mai 2012 um 20:12 Uhr

    Siehe zum Thema ESM-Bank auch folgende detaillierte Infos:
    http://www.deutschland.net/categories/esm-vertrag
    Insbes. die 2 Kurzfassungen dazu:
    – „Die ESM-Bank: Das Stehlen soll zum Fundament der EU gemacht werden“: http://www.deutschland.net/content/die-esm-bank-das-stehlen-soll-zum-fundament-der-eu-gemacht-werden
    – Kurzanalyse der Taxpayers Association Europa: http://deutsch.taxpayers-europe.com/images/stories/ESM_-_Zusammenfassung__und_kritische_Wrdigung_der_TAE.pdf

    Die ESM-Bank ist eine der kriminellsten Organisationen, die bisher überhaupt im Rahmen der EU geplant worden sind, sie verstösst fundamental gegen die Menschenrechte, alle Rechtsstaatslichkeitsgrundsätze, da Grundgesetz, die freiheitliche Grundordnung, alle Gesetzgebungsgrundsätze, gegen das Transparenzgebot, gegen das Verbot der Entscheidungen Befangener usw. usw.
    In Kürze soll das entsprechende Ermächtigungsgesetz durch den Bundestag durchgepeitscht werden. Dies muss unbedingt verhindert werden, sonst werden wir alle bis auf das letzte Hemd ausgezogen werden zugunsten der schuldigen Parteikader und der Finanzbranche.

  • 10
    Uwe Krüger Winands
    12. Juni 2012 um 07:46 Uhr

    Die Einleitung in dieser Stellungnahme ist problematisch. Die Begriffe Schuldenbremse und Schuldenstopp lassen sich zwar gut verkaufen, aber nur schwer ertragen. Eine einseitige Schuldenbremse finanziert durch Kürzungen in Bildung und Sozialbereichen? Ein einseitiger Schuldenstopp? Beide Maßnahmen führen zunächst zu einer Verringerung der Ausgaben.
    Wer erträgt diese bewusst herbeigeführte Rezession und ist das gerecht?

    • 11
      Uwe Krüger Winands
      12. Juni 2012 um 07:53 Uhr

      Nachtrag:
      Warum verwenden die Piraten die Begriffe Schuldenbremse / Schuldenstopp ohne Angabe wo genau und bei wem gebremst und gestoppt wird?
      Den Begriff Schuldenbremse und Schuldenstopp finde ich – wenn er so allgemein verwendet wird – auch bei anderen Parteien.

  • 12
    17. Juni 2012 um 06:45 Uhr

    Schuldenstopp- bedeutet in Konsequenz keinerlei Investitionen mehr.
    Da einfach kein Geld über ist, und wenn, dieses zum Zurückzahlen der Kredite verwendet werden wird, kann letztlich kein Schlagloch mehr gefüllt, keine Strassenlaterne mehr repariert werden.
    Wie soll man dem Bürger vermitteln im nächsten Wahlkampf das es nur zu seinem Besten ist das sein Kind in einem Klassenraum sitzt in dem es von der Decke tropft?

  • 13
    Peter von .Rüsten
    18. Juni 2012 um 18:34 Uhr

    Einige Gemeinden in Deutschland hatten einst ihre hohe Kommunale Verschuldung
    in Zusammenarbeit mit dem Bürger abgebaut !

    Diese Vorbilder könnte man bestimmt auch Landesweit wenn nicht sogar im Ausland
    als Vorbild nehmen .

    Was im Kleinen funktioniert , funktioniert auch im großen .

    Einfach mal alle Google einsetzen und dann mal schauen wie es gehen könnte .
    Spart ne Menge Denkarbeit .

    • 14
      Henning Bruhn
      26. Juni 2012 um 13:13 Uhr

      Was im Kleinen funktioniert, funktioniert in unserem Geldsystem im Großen eben nicht und zwar systemisch/mathematisch nicht.
      Lokal können sich Menschen und Institutionen entschulden, auf Kosten evtl. vieler anderer. Der Staat ist im wesentlichen ein großer globaler Schuldner für uns.
      Unser Geld ist praktisch ein Schuldgeldsystem. Daher folgt automatisch dass man

      a) sagen muss, wem man das Geld wegnimmt (Es ist dann wirklich weg)

      b) oder wer der Ersatzschuldner ist (Bürger, Wirtschaft etc) der die Zinsen zahlt.

      Die Schuldenfrage ist eine Frage der Geldschöpfung und des Erhebens von Zinsen auf diese Geldschöpfung (nicht den Verleih von Geld). Wir können diese Schulden nicht mehr abbauen, weil der Zinsanteil über die Jahrzehnte uns schon das Genick gebrochen hat.

      • 15
        29. Mai 2013 um 16:17 Uhr

        „funktioniert in unserem Geldsystem im Großen eben nicht und zwar systemisch/mathematisch nicht.“

        Dann frage ich mich nur, wie Fritz Schäffer, Bundesfinanzminister unter Adenauer, ein Guthaben statt einer Staatsschuld aufzubauen.

  • 16
    Jacky Neiwel
    1. Juli 2012 um 14:12 Uhr

    Ich meinte auch die 2 mal Staatsanleihen für 0 und unter 0 Prozent. AUch die 0Prozentfinanzierungen von Media-Markt und Saturn etc. sind ein sicheres Zeichen, dass die Mächtigen in der Wirtschaft nicht mit einem Anstieg der Inflationsrate und somit auch der Zinsen rechnen. Becks gabs zur EM teilweise so billig wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr, hier sind Schrumpfungsmärkte auszumachen.

    Die Bundesländer betreiben eine scheinbar unverantwortliche Geldpolitik und versenken Milliarden in Bauprojekte. Aber grade weil die Baubranche so viele Arbeitskräfte benötigt, werden immer wieder so viele Gelder reingestekt. Genau aus dem selben Grund werden auch Atomkraftwerke durch Windräder ersetzt. Wenn man de Unternehmen an der Küste die Windkraft wegnimmt, bricht hier schon Morgen alles zusammen.

    Der Staat versucht momentan alles um die Leute zu konsumieren zu bewegen genauso wie die Unternehmen.Eigtl. haben die Leute mittlerweile fast alles. Jeder hat die Wahl zwischen nem iPhone für 600€ und einem nahezu gleichwertigem Produkt für 100€ und weniger.

    Onlinebroker verschenken Webergrills und kindlez und es werden Laptops VERPRASST, die schon ein Tag älter sind, statt modernere Modelle fürn etwas höheren Preis im Angebot anzubieten, nur damit die Leute sich in einem Jahr wieder einen kaufen.

    Der Rohstoff Erdöl ist billiger geworden was ein klassischer Frühindikator für eine schlechte Weltkonjunktur ist und es gibt bei der Sparkasse teilweise auf Spareinlagen von 20.000€ bloß 0,009% Zinsen.

    Die Nachfrage nach Produkten und Geld ist zurzeit vollkommen künstlich. Fleisch ist seit Jahrzehnten kaum teurer geworden, genauso wie viele Luxusartikel wie Whiskey und Schokolade. Der Einzelhandel lockt mit Rabattmarken und Paybackkarten, bis man an der Kasse genervt ist und dort nie wieder einkaufen will, weil man ständig gefragt wird was man hat und was man nicht hat.

    Ich beschäftige mich freiberuflich mit dem Kram, naja.

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