Es gilt das gesprochene Wort!
Der Fraktionsvorsitzende der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Torge Schmidt dazu:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen, dafür dass Sie heute eine Regierungserklärung gehalten haben. Das gibt der parlamentarischen Opposition im Land die Gelegenheit, sich einmal in Gänze mit Ihrer – ja nennen wir es ruhig einmal Regierung – auseinanderzusetzen. Aber Ihre Rede war langweilig. Wir haben nichts Neues erfahren. Eine kurze Pressemitteilung „Wir sind der tolle echte Norden“ wäre besser gewesen.
Lao Tse soll einmal gesagt haben. „Wahrheit kommt mit wenigen Worten aus.“ Liebe Zuhörer, bilden Sie sich selbst anhand der Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten eine Meinung, ob dieser Satz im Umkehrschluss zutrifft.
Selten traf die Bezeichnung Regierungserklärung besser als zu dieser Landesregierung und zu diesem Zeitpunkt. Sie müssen uns hier im Haus und den Menschen im Land nämlich das, was Sie regieren nennen, wirklich erklären. Von allein kommt auch der Gescheiteste nicht auf die Idee, dass es sich dabei um die Führung eines Landes handeln könnte.
Ich habe Ihren Worten aufmerksam zugehört und frage mich, wie viele andere hier und anderswo sicherlich auch, was Sie uns jetzt eigentlich sagen wollten.
Auch habe Ich mir Ihre erste Regierungserklärung vom 13. Juni 2012 noch einmal genau angeschaut. Viele der Themen die sie damals angesprochen haben sind mir wichtig und sind heute aktueller denn je. Ich persönlich habe Ihnen geglaubt. Ich habe gehofft, dass das was Sie dort versprochen haben, auch so eintrifft. Wie viele andere Bürger Schleswig-Holsteins bin auch ich von Ihrem bisherigen Tun enttäuscht.
Sie haben uns eine Regierung versprochen, welche der demokratischen Teilhabe in einem europäischen Schleswig-Holstein neue Horizonte öffnet. Sie haben vom Vertrauen der Bürger in Ihre Regierung gesprochen und dies Ihr Startkapital genannt. Nun mit ihrer jetzigen Start- bzw. Eigenkapitalquote hätten Sie einen Stresstest der Bürger Schleswig-Holsteins nicht bestanden. Da ist Ihnen die HSH ein gutes Stück voraus und wir wissen alle, wie es um dieses Unternehmen bestellt ist.
Sie haben in Ihrer damaligen Regierungserklärung versprochen, dass Sie sich auf zentrale politische Ziele dieser Koalition konzentrieren wollen und dabei Bildung, Wissenschaft und Kultur an erster Stelle genannt. Ich werde später noch einmal genauer darauf eingehen, welche Zwischenbilanz ich Ihnen da ausstellen kann. Sie haben Wirtschaft und Arbeit für Schleswig-Holstein genannt und eine Energiewende als drittes Ziel ausgerufen.
Sie haben eine soziale und innere Sicherheit für Schleswig-Holstein angeführt und nur ganz zuletzt, quasi als Pflichterwähnung auch noch die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen angeführt. Ihren Anteil am letzteren kann man schnell aufzählen, auf den Anteil ihrer gesamten Regierung aber, will ich ebenfalls später noch eingehen.
Kommen wir aber zur wichtigsten Vorgabe die Sie sich selbst gemacht haben. Sie wollten für einen besseren Politikstil stehen genau wie wir Piraten, deshalb haben wir Sie unterstützt! Sie aber sind damit wie selten ein anderer Politiker in Schleswig-Holstein vor Ihnen mit Schwung auf die Nase gefallen.
Wie heißt es im Koalitionsvertrag, in ihrem Koalitionsvertrag der so genannten Küstenkoalition, die in Wirklichkeit eher eine Krisenkoalition ist, doch in so wohlfeilen Worten, ich zitiere: „SPD, Bündnis90/Die Grünen und der SSW wollen gemeinsam als Bündnis für den Norden einen neuen Politikstil in Schleswig-Holstein etablieren.“
Als Tiger gesprungen als Bettvorleger gelandet, sagt der Volksmund zu so einer Ankündigung. Sie Herr Ministerpräsident sind der personifizierte Bettvorleger einer Ankündigungskoalition in Sachen Politikstil! Es ist doch himmelschreiend, dass in Ihrer heutigen Regierungserklärung nicht mit einem Wort ein besserer Politikstil angesprochen wird.
Und es ist doch höchst verwunderlich, dass das Wort ‚Dialog‘ nicht ein einziges Mal vorkommt. Sie haben hier Ihre Glaubwürdigkeit verloren.
Jetzt kommt das von mir erwartete ‚Ihr seid auch nicht besser!‘. Stimmt. Die Schreibmaschinen waren sicher ein kreativer Protest und dem jugendlichen Übermut geschuldet. Aber wenn ich mich in dieser Runde umschaue, zählt das Ergebnis, und ich sehe nicht nur Piraten hinter ihren Laptops und Tablets sitzen. Wir haben auch im Glauben an die Richtigkeit unserer Argumente wichtiges politisches Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Wir waren nicht besser. Aber wir haben daraus gelernt.
Ich will an einigen Beispielen festmachen, wo und wie Sie uns und die Menschen in diesem Land enttäuscht haben.
Da demonstrieren Vertreter von Studenten-, Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft, die sie ja nicht zuletzt im Wahlkampf 2012 hofiert haben, vor dem Landeshaus, weil diese die Bildungspolitik einer ehemaligen Ministerin für mangelhaft, für ungenügend, ja für völlig verfehlt halten.
Dieser demokratischen Meinungsäußerung von etwa 500 Menschen begegnet der selbst ernannte Politikstilverbesserer Torsten Albig unterstützt von einem rabaukenhaften und testosterongeschwängertem Umweltminister mit den Worten „respektlos, töricht und dumm“. Sie, Herr Ministerpräsident, sind nicht besser als andere – Sie sind schlechter.
Da gab es einen Innenminister, der sich zunächst als Kronprinz, dann als einsamer Rufer in der Wüste gegen alle seine Kollegen unter Führung des bereits beschriebenen Politikstilverbesserers und gegen den gesamten Landtag Schleswig-Holstein stellt. Dieser Innenminister nutzt seine guten Kontakte in dem von ihm verantworteten politischen Bereich. Um sich ansprechen zu lassen und dann zu einem wohl dotiertem Posten einer Interessenvertretung aus eben diesem Bereich zu wechseln. Das Ganze aber nicht etwa transparent und offen kommuniziert, nein, das Ganze in einer Nacht- und Nebelaktion, bei der man fast schon von Verdunkelung reden kann. Hat der selbst ernannte Politikstilverbesserer davon etwa irgendetwas mitbekommen? Nein.
Da gab es eine Bildungsministerin, der selbst enge persönliche Freunde Sturköpfigkeit und Beratungsresistenz attestieren. Diese Bildungsministerin hat es nicht nur geschafft, Studenten-, Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft gegen sich aufzubringen, diese Bildungsministerin, hat auch Hochschulen im Land in einen Streit untereinander getrieben, dessen Wogen immer noch geglättet werden müssen. Noch dazu hat diese Bildungsministerin es geschafft, eine Opposition hier im Landtag zu schmieden, die es in der Politik natürlicherweise nicht gibt und Piraten mit CDU und FDP vereint. Ich halte mich unverändert von einer rechtlichen Beurteilung des Tuns dieser Bildungsministerin fern, aber sie hat in Ihrem Tun die Worte Dialog und Dialogkultur zu Unworten in Schleswig-Holstein gemacht. Dabei hatte sie einen Ministerpräsidenten, der ihr bis zuletzt öffentlich den Rücken gestärkt hat, um ihr dann insgeheim in eben diesen zu fallen. Bei allen Verdiensten, die sie sich vorher erworben hatte, sicher kein feiner Zug und schon gar kein besserer Politikstil, möchte man meinen.
Da gibt es eine Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, die als erste mit einem Parteibuch ausgestattet war. Es war sicher nicht ihre wesentliche Qualifikation für das Amt, aber sie wurde dem Landtag damit vorgesetzt. Und Sie Herr Ministerpräsident haben das Vorgehen des SPD-Fraktionsvorsitzenden damit gutgeheißen, sie haben der Landesbeauftragten damit unnötigerweise den Einstig schwerer gemacht. Eine eher althergebrachte Herangehensweise in bester Tradition in diesem Land, aber sicher kein besserer Politikstil. Das einzig versöhnliche daran ist, dass Frau El Samadoni augenscheinlich einen guten Job für das Land und seine Menschen macht.
Da gibt es eine Landeszentrale für politische Bildung, deren zentrales Ziel als unabhängige und überparteiliche Einrichtung ist, die demokratische Kultur in Schleswig-Holstein zu stärken und weiter zu entwickeln. Sie bemerken sicher bereits, worauf ich hinaus will. Wie sähe jetzt ein besserer Politikstil bei der Nachbesetzung eines Führungspostens bei dieser Einrichtung aus? Eigentlich doch ganz einfach: man überlegt sich, welche Qualifikation, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Position vonnöten sind und schreibt dann diese Position offen und öffentlich aus. Anschließend schaut man sich die eingegangenen Bewerbungen an und versucht nach bestem Wissen und Gewissen eine Auswahl der Besten zu erlangen, man legt eine Rangfolge fest und stellt den Besten oder die Beste dem Landtag vor, der sich dann voller Vertrauen in die gelungene Auswahl zum Wohle Schleswig-Holsteins diesem nachvollziehbaren Vorschlag anschließt. Das ist so geschehen. Wir Piraten wären einen solchen Weg gern gegangen. Allein, das was Sie uns als besseren Politikstil verkaufen wollen, hindert uns daran. Weil das Ergebnis der Koalition nicht passt und dann extra ein Gesetz für eine genehme Lösung geschaffen wird und es ist ja nicht das erste Mal, das in dieser Legislatur ein Gesetz für eine Person geändert wurde.
Wir Piraten sind in diesen Landtag gekommen, um die verkrustete Politikstruktur zu ändern, ja vielleicht sogar zu verbessern. Dabei ist uns nicht alles gelungen, was wir angegangen sind und von vielen Dingen müssen wir im Nachhinein sagen: wir wussten es nicht besser, aber wir haben gelernt. Bei Ihnen, dem selbst ernannten Politikverbesserer, hat dies keine Gültigkeit. Sie wussten genau was sie tun.
Ich darf an eine Rede des damaligen Kieler Oberbürgermeisters in der Ratsversammlung im Kieler Rathaus am 10. Juni 2011 erinnern, in der Sie dem Kollegen Stefan Kruber Ahnungslosigkeit, Verantwortungslosigkeit und Wahrheitswidrigkeit vorgeworfen haben, ohne allerdings auf seine Sachargumente einzugehen. Später stellte sich heraus, dass dieser mit so ziemlich allem Recht hatte.
Sie behalten Ihren überkommenen Stil bei. Sie behalten den etablierten Politikstil bei, sie führen die Menschen weiterhin mit nicht gehaltenen Versprechen in die Frustration.
Sie entscheiden weiterhin nach Gutsherrenart und sie verbessern so weder die Politik, noch den Politikstil. Und Sie lernen ja nicht dazu, Herr Albig. Sie sind noch stolz darauf mit Ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit strittige Gesetze beschließen zu lassen. Das nennt man Durchregieren.
Kommen wir aber nun mal zu den Fakten. Das eine oder andere Versagen der Albig-Regierung wurde von mir ja bereits aufgezeigt. Kürzlich durften wir eine Broschüre, ein Manifest der Selbstreflexionsfreiheit, mit dem trügerischen Titel „Versprochen. Gehalten!“ in den Händen halten. Darauf will ich gar nicht weiter eingehen. Wir haben aber ein Belegexemplar für die Nachwelt gesichert und ich werde sicherlich noch genügend Gelegenheit haben, daraus zu zitieren.
Kommen wir also zu dem, was wirklich in den letzten 2 ½ Jahren passiert ist.
Versprochen haben Sie eine Stärkung der Verbraucherberatung. Geschaffen haben Sie die dauernde Existenzgefährdung wider besseren Wissens. Selbst ein von Ihrem Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass „eine Interventionslose Fortschreibung des jetzigen Zustands die Verbraucherzentrale SH mittelfristig ihre Existenz kosten wird.” Ursache der massiven Gefährdung sei der schleichende, geduldete Prozess, die institutionell real abnehmende Finanzierung durch Projektmittel aufzufangen. Die Verbraucherzentrale nagt seit Jahren am Hungertuch, jetzt kämpft sie ums Überleben.“ Ohne die Piraten, die jedes Jahr und auch weiterhin unermüdlich die Haushaltsmittel für die Verbraucherzentrale einfordern, gäbe es die Verbraucherberatung in Schleswig-Holstein in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr.
In Ihrem Koalitionsvertrag betonen Sie, dass „individuelle Mobilität effizienter, billiger und umweltfreundlicher werden muss.“ Es liegt ein klarer Fokus auf dem Ausbau des ÖPNV, hier gelte es weitere Innovationen voranzubringen. Die Barrierefreiheit aller Mobilitätsangebote müsse schrittweise verbessert werden. Leider hat die Regierung auch dieses Ziel noch nicht erreicht und Neubaumittel fließen mehrheitlich in Straßen statt in den ÖPNV bzw. den Schienenverkehr. Dazu kommt aber, dass sich die Straßen in Schleswig-Holstein in einem erbarmungswürdigen Zustand befinden. So erbarmungswürdig, dass Fachfremde bereits einen Schlagloch-Soli forderten, aber das war hoffentlich nicht ernst gemeint.
Aber gleich wieder zurück zum Koalitions-Vertrag. Ein besonderes Projekt, dass den Piraten am Herzen liegt ist dort ebenfalls festgeschrieben. „Im Rahmen des Schleswig-Holstein-Tarifs werden wir gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern neue Anreiz-Tarife wie zum Beispiel Flatrates, Semestertickets und Arbeitnehmertickets, kostenlose Fahrradmitnahme und auch die Fahrscheinlose Nutzung des ÖPNV im Bereich des Schleswig-Holstein-Tarifs prüfen.“ Was ist bisher passiert? Nichts. Ich gehe davon aus, dass Sie es in diesem Bereich nicht einmal zu einem Versprechen bringen, das Sie später dann nicht halten würden. Hier könnte Schleswig-Holstein tatsächlich zukunftsgerichtet glänzen. Gerade ein fahrscheinloser ÖPNV könnte die Antwort auf die Probleme bei der Schülerbeförderung, bei der Mobilität im ländlichen Raum sein und den Tourismus stärken. Gehen wir doch gemeinsam so ein Projekt an.
Machen wir uns doch nichts vor: Der Verkehrsetat wird hinten und vorne nicht reichen und Sie haben das zu verantworten.
Aber es ist ja gut, dass Sie uns Piraten im Landtag haben. Viele der von Ihnen gehaltenen Versprechen sind ja nur dadurch zustande gekommen, dass wir Sie dahin getrieben haben. Vorratsdatenspeicherung – wir haben den Antrag einbringen müssen. Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre – wir haben den Antrag einbringen müssen. Ich könnte die Liste an dieser Stelle noch weiter führen, will aber nun den Blick auf etwas anderes richten.
Laut Koalitionsvertrag nimmt die Bildungspolitik einen hohen Stellenwert ein. Im Koalitionsvertrag wird noch davon ausgegangen, dass die Unterrichtssituation in den Schulen vertretbar sei und durch rückläufige Schülerzahlen eine demographische Rendite im Gegenwert von rund 1.400 Stellen für bildungspolitische Schwerpunkte zu verwenden sei. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen. Das können Sie wissen. Was ist aber wirklich seitens der Landesregierung geschehen? Durch Drängen der Öffentlichkeit und gutes Zutun der ehemaligen Bildungsministerin hat die 2012 Regierung offen gelegt, dass Schleswig-Holstein ein Lehrerdefizit von rund 1.250 Stellen zuzüglich der fehlenden Erzieherstellen aufweist. Und Sie wissen, wie wichtig diese für die Umsetzung der Inklusionsziele sind. Das heißt doch, dass Schleswig-Holstein in der Grundversorgung meilenweit von einer annähernd 100%gen Unterrichtsversorgung entfernt ist. Nur nebenbei: Der SPD-Fraktionsvorsitzende hat dieses Ziel für unerreichbar erklärt. Wir setzen auf Sie, Herr Albig und hoffen, dass Sie ihn Lügen strafen. Dieses angesprochene strukturelle Defizit wird durch den normalen Unterrichtsausfall verstärkt. Das Eingeständnis dieses Zustands ist der ehemaligen Bildungsministerin als Stärke anzuerkennen.
Was die Lehrer, Schüler und Eltern immer gespürt haben, war nun schwarz auf weiß nachlesbar. Der öffentliche Druck hat bei der Landesregierung zu einem Umsteuern geführt: der Stellenabbaupfad wurde abgemildert und es werden weniger Stellen gestrichen als von der Vorgängerregierung geplant. Von einer guten Unterrichtsversorgung kann man dennoch nicht sprechen. Im Gegenteil wurden trotz schlechten Fundaments durch das neue Schulgesetz zusätzliche Bedarfe generiert. Nach unserer Auffassung hätte man, bei aller Sympathie für manchen Ansatz, zunächst für die Grundsicherung der Unterrichtsversorgung für alle sorgen müssen.
Wenn ich das einmal kurz bewerten darf. In dieser Legislaturperiode sollen insgesamt immer noch 750 Stellen im Schulbereich gestrichen werden. Das ist nicht nur deshalb doof, weil nach aktuellen Berechnungen z.B. der GEW immer noch rund 1.400 Stellen in der Grundversorgung fehlen. Durch die Inklusion entsteht ein weiterer Minimalbedarf von rund 1.000 Stellen. Das kriegen Sie in dieser Legislaturperiode einfach nicht hin.
Sie, Herr Ministerpräsident, wiederholen immer wieder die Behauptung, dass noch nie so viel Geld für Bildung ausgegeben worden sei, wie unter Ihrer Regierung. Das mag in Bezug auf die absoluten Zahlen stimmen, im Hinblick auf den prozentualen Anteil an den Haushaltsausgaben, ist das falsch. Ein Bundesland wie Thüringen ist Schleswig-Holstein da momentan weit voraus.
Schauen wir uns aber noch einen anderen Bereich an, in dem Sie etwas versprochen haben: die schulische Inklusion. Diese stellt im Koalitionsvertrag und ihrer ersten Regierungserklärung einen Schwerpunkt da. Was wir nach 2 ½ jahren haben: leider nur leere Worte. Die ehemalige Bildungsministerin hat zwar ein Inklusionskonzept vorgelegt, dies wurde aber sogar von der regierungsnahen GEW zerrissen, weil es keine Ressourcenplanung, keine ehrliche und ausreichende Situationsbeschreibung, keine Zielerreichungsstrategie und Konzepte für die unterschiedlichen Professionen gibt. So hat die Landesregierung tatsächlich – man glaubt es kaum – im Bereich Inklusion nur erreicht festzustellen, dass Inklusion nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wenn Sie da noch etwas retten wollen, brauchen wir alsbald von Ihnen ein überarbeitetes und tragfähiges Inklusionskonzept. Aber von den nicht gestrichenen Lehrerstellen ging nicht eine einzige in den Bereich Gund- und Förderschulen. Dort fängt Inklusion an. Aber Sie Herr Albig, strecken die Nase lieber hoch in die Lüfte der oberen Stockwerke, statt sich im solide Fundamente zu kümmern.! Und noch eins: Keine einzige Lehrerstelle wäre ohne die Leistungen des Bundes erhalten gebliebem Ich dachte nicht, dass ich das mal sagen würde, aber jede Verbesserung wurde dort möglich! Mutti sei Dank!
Noch ein vernachlässigter Bereich sind die Hochschulen unseres Landes. Die Hochschulen sind strukturell unterfinanziert. In einem aktuellen Antrag stellen auch die Koalitionsfraktionen dies fest. Leider wird bisher nicht deutlich, wie diese Regierung ändern will. Daran hat auch Ihre Regierungserklärung heute nichts geändert.
Was Sie wirklich in den letzten 2 ½ Jahren getan haben, ist mit einem Sondervermögen Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren. Mit diesen Sanierungsmaßnahmen wird aber noch kein einziges prekäres Beschäftigungsverhältnis aufgelöst, wird nichts für die Grundausstattung und Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf Forschung und Lehre getan.
Mit der neuen Wissenschaftsministerin sind die Hoffnungen auf viel Bewegung in der Hochschulpolitik noch einmal gesunken. „Die Hochschulen in Schleswig-Holstein fordern von der neuen Landesregierung zu Recht mehr Kooperation, Unterstützung und Planungssicherheit. Wir werden sie ihnen geben, auch wenn die zur Verfügung stehenden Mittel die bestehenden Bedarfe nicht decken können.“, wieder einmal aus Ihrem Märchenbuch Koalitionsvertrag. Die derzeitige Bilanz ist aber ernüchternd. Versprechen selbstverständlich nicht gehalten, denn die Bafög-Millionen gehen zu 100% an den Hochschulen vorbei. Und Sie Herr Albig haben vorhin gesagt, dass Sie darauf stolz sind. Das ist tatsächlich ein unfassbarer Griff in die politische Bedürfnisanstalt.
Die Mahnung der Bundesbildungsministerin, die Hochschulen bei der Verteilung der freigewordenen Mitteln zu berücksichtigen läuft ins Leere. Eine Verbesserung der finanziellen Grundausstattung findet in Schleswig-Holstein nicht statt. Das von Ihnen angekündigte Sanierungspaket von 165 Millionen Euro ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir decken damit höchstens ein Viertel des Sanierungstaus an der CAU ab. Hier von Hochtechnologie zu sprechen ist absurd. Zusätzlich dazu sind die schleswig-holsteinischen Hochschulen im norddeutschen Vergleich immer noch drastisch unterfinanziert und Versprechen Ihrerseits liegen in ferner Zukunft, nämlich in 2022.
Das Schlimme dabei ist, dass die doppelten Abiturjahrgänge dabei noch gar nicht berücksichtigt sind, obwohl sie diese in Ihrer Regierungserklärung sogar angesprochen haben. Das Schlimme ist, dass die Hochschulen noch gar nicht wissen, wie sie das bewältigen sollen. Oder wurden in den letzten Jahren ausreichend Laborplätze und ähnliches geschaffen? Die Bagger habe ich jedenfalls nicht gesehen. Von der Frage nach ausreichend Lehrstellen für den Doppelten Abiturjahrgang möchte ich gar nicht anfangen.
Fassen wir zusammen: Sie machen hier und da ein bisschen, das ist einzugestehen. Nichtsdestotrotz darf man feststellen, dass die Landesregierung schlicht keine Ahnung von der tatsächlichen Situation hatte. Wir Piraten werden Ihnen da weiterhin auf die Finger schauen. Wir haben von Bildung tatsächlich mehr Ahnung als Sie vermuten.
Gestatten Sie mir auch ein Wort zu Ihrer großartigen Kita-Bilanz: Herr Albig, Eltern haben einen Rechtsanspruch auf die U3-Betreuung. Wir haben eine Regierung, die geltenden Recht umsetzt. Ehrlich gesagt, halte ich das für selbstverständlich und keine große Leistung. Aber in Ihrer Regierung muss man eben auch schon Selbstverständlichkeiten loben.
Kein Wort zu den Qualitätsstandards, kein Wort zum Erziehermangel. Aber Erzieher haben Sie ja ohnehin nicht so auf der Rechnung. Die unterrichten in den Förderzentren zum Dumping-Lohn und alle nehmen das als selbstverständlich hin. Herr Albig, das ist keine Leistung, das ist ein Armutszeugnis!
Ein weiterer Punkt auf der Liste der nicht gehaltenen Versprechen betrifft die Drogenpolitik. Wir Piraten sprechen da etwas differenzierter und vielleicht auch treffender von Suchtpolitik. Da sind wir dieser Landesregierung voraus. „Wir wollen zielgruppenorientierte, sekundärpräventive Maßnahmen wie das „Drug-checking“ erproben und Drogenkonsumräume rechtlich absichern. Wir werden eine bundeseinheitliche Regelung im Umgang mit Drogenkonsumenten anstreben, die diese vor der Kriminalisierung schützt. Bis eine bundesweite Regelung gefunden ist, werden wir die „geringen Mengen“ zum Eigenverbrauch weicher Drogen im Sinne des § 31a BtMG in Schleswig-Holstein überprüfen, anheben und uns dabei an einer fortschrittlichen Drogenpolitik orientieren, um den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zu geben, flexibel auf den Einzelfall zu reagieren.“ Na, wo steht es geschrieben?
Richtig wieder in der Grundlage ihres Tuns, im Koalitionsvertrag. Hier eine Bilanz zu ziehen ist einfach. Es ist rein gar nichts passiert. Die Regierung hat hier eindeutig kein Versprechen gehalten und es wird in diesem Bereich auch keine Einlösung der Versprechen mehr geben. Vertraut man auf die Regierung bleibt es im Bereich Drogenpolitik beim Status quo. Frau von Kalben, machen Sie Ihrem Ministerpräsidenten doch endlich einmal Beine!
Ich will auch noch auf eine weitere Glanzleistung dieser erklärungsbedürftigen Regierung eingehen, die Pflegekammer.
Richtig ist, dass die Landesregierung das entsprechende Gesetz auf den Weg gebracht hat. Falsch ist die Annahme, dass die Mehrheit der Menschen oder der Pflegenden hinter diesem Plan steht. Selbst die SPD-Parteibasis hat die Einführung einer Pflegekammer abgelehnt. Mit der Pflegekammer etabliert die Landesregierung ein höchst umstrittenes Projekt, welches den Pflegenden in den drängenden Bereichen: Image, Entlohnung, Arbeitszeit nicht einen Deut helfen wird. Das Geld für diese überflüssige Pflegekammer wäre an anderer Stelle besser eingesetzt.
Bevor ich zum Ende komme, will ich etwas in Erinnerung rufen, das die derzeitige Missregierung sehr deutlich werden lässt. In der Flüchtlings- und Minderheitenpolitik ist Ihr Wirken ein Eingeständnis des Unwillens zu regieren. Vorausschauende Flüchtlingspolitik findet in einer SPD-geführten Regierung in Schleswig-Holstein nicht statt.
Ich will gar nicht den SPD-Innenminister beim Namen nennen, der in der Simonis-Regierung die Erstaufnahmeeinrichtung schließen ließ. Der schämt sich eh für nichts. Aber dass Sie, Herr Ministerpräsident, diesen menschlichen Makel nicht korrigieren, spricht auch nicht für Sie. Obwohl wir anerkennen, dass Herr Breitner dort bemüht war und Herr Studt vielversprechend gestartet ist.
Es findet aber kein damals ach so viel beschworener Dialog mit den Gemeinden statt. Wenn Sie dies nicht bald ändern, könnte es passieren, dass sich die Stimmung im Land ändert. Ich weiß, dass Sie das eigentlich nicht wollen. Ihre gelebte Willkommenskultur ist wiederum kein besserer Politikstil. Ich will das an einem weiteren Beispiel deutlich machen. In diesem Landtag wurde interfraktionell beschlossen, dass sich die Landesregierung für einen EU-Minderheitenkommissar einsetzen soll.
Dieser Auftrag ist an die Landesregierung ergangen. Nachdem wir nicht von Ihnen gehört hatten, haben wir mal nachgefragt und als Antwort bekommen, dass man sich im – aufgepasst – Dialog befände. Nun, die EU-Kommission ist mittlerweile im Amt, einen Minderheitenkommissar gibt es nicht und vom Dialog hat auch niemand etwas mitbekommen.
Selbstgespräche sind kein Dialog, Herr Albig! Ein kurzes Wort, wirklich nur ein kurzes Wort zur Minderheitenpolitik, die quasi alle Institutionen, die sich hier einbringen jährlich zum Betteln zwingt. Sie ist im Land trotz Verfassungsrang nicht wahrnehmbar.
Jetzt aber mal in die nähere Zukunft, genau genommen 2 ½ Jahre, und ihre Herausforderungen geblickt. Sie halten sich für gut und wähnen sich auf dem richtigen Weg. Wir sagen ja auch nicht, dass Sie auf uns hören sollen. Das haben wir fast abgeschrieben.
Wenn wir Sie nicht ständig an Ihren Koalitionsvertrag, auf dessen Grundlage Sie auch Stimmen der Piraten erhalten haben, erinnern, befürchte ich, wird dies weiterhin einfach nur ein Papier sein, welches im Schrank gut aussieht. Wir werden Sie deshalb auch die nächsten 2 1/2 Jahre an Ihre Versprechen erinnern.
Aber Sie sollten dann auch die Größe besitzen auch einmal auf uns zu hören. Und Sie sollten die Größe haben, auch eigene Fehler einzugestehen und sich nicht nur auf Ihre ein Stimmen-Mehrheit zurück lehnen. Durchregieren ist kein neuer und auch kein besserer Politikstil.
Noch einmal eine Anmerkung zur ehemals ach so gepflegten Dialogkultur unseres Ministerpräsidenten. Zwei Monologe sind noch lange kein Dialog. Kommen Sie endlich zu Ihrem Dialog. Und führen Sie ihn nicht nur mit willfährigen Stimmen, die Ihnen nach dem Mund reden. Davon gibt es in Ihrer Partei genug, aber es gibt auch die anderen. Die hört man nur nicht so gern, weil Wahrheit auch mal weh tut.
Eines der größten Projekte, wie Sie ja selbst in Ihrer Regierungserklärung anmerken, das in der nächsten Zeit vor uns liegt, ist der Umbau des UKSH. Dieser Umbau muss dem demografischen Wandel nicht nur Rechnung tragen, er muss ihn angesichts des Volumens, der schieren Größe des finanziellen Umfangs auch ein Stück weit vordenken.
Wo wie gerade bei schlechten Problemlösungsstrategien sind. Der Umgang mit den Mitarbeitern des größten Arbeitgebers im Lande sollte jeden wirklichen Sozialdemokraten Übel werden lassen.Und wenn die Mitarbeiter des UKSH vor den Türen des Landeshauses stehen, quasi vor Wut schäumen und Ihren Unmut über Ihre Pläne Luft machen, ist es eben nicht die richtige Antwort ihnen den ungewollten Tarifvertrag aufzuzwängen, damit sie nicht mehr Streiken dürfen.
Das war unterste Schublade, Manchesterkapitalismus in Reinform. Ferdinand Lassalle und Friedrich Ebert würden sich im Grabe umdrehen.
Wenn der Bund der Steuerzahler Ihnen, genauso wie wir, sagt dass das Finanzierungsmodell des UKSH kritisch ist, dann hören Sie doch auch einmal darauf. Besonders die Finanzierung des UKSH wird dem Land Schleswig-Holstein in den nächsten 30 Jahren wieder auf die Füße fallen, und Sie hinterlassen den Eindruck dass Ihnen das egal ist. Nach Ihnen die Sintflut. Ist das der Punkt mit dem Sie in die Wikipedia eingehen möchten? So der Wähler will, werden in 30 Jahren Piraten oder Andere hier stehen und Ihnen nicht nur im Thema UKSH sagen „Die Piraten haben Ihnen das damals schon gesagt, dass dies schief geht“.
Wir Piraten wollen, das auch zukünftig Menschen gern in Schleswig-Holstein leben. Junge wie alte Menschen zusammen mit Stärkeren und Schwächeren. Wir Piraten wollen ein für alle Generationen gerechtes Land. Wir wollen es in Zukunft und wir wollen es auch jetzt. Daran schon jetzt zu denken und dies umzusetzen, das wäre wirklich ein besserer Politikstil. Das wäre bessere Politik.
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