Torge Schmidt zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs

Politik und Gesellschaft werden von Menschen gemacht. Sie entstehen deshalb da, wo die Menschen sind. Das bedeutet, dass auch genau dort die Strukturen zum Leben gewährleistet sein müssen. Also in den Kommunen, vor Ort.

Deshalb brauchen Leben und gesellschaftliches Engagement funktionierende, lebendige Kommunen. Das betrifft auch uns, weil desolate Zustände vor Ort Politikverdrossenheit in einem Maße fördern, dass kaum kompensierbar ist.

Und deshalb, abseits all der verfassungsrechtlichen Verpflichtungen, muss es zu muss zu unseren wichtigsten Anliegen gehören, das Leben und Funktionieren der Kommunen zu gewährleisten. Der Landtag hat als Landesgesetzgeber hierbei einen ganz maßgeblichen Einfluss. Delegiert er Aufgaben einfach nur nach „unten“ auf die Kommunen, ohne die Auswirkungen im Blick zu haben, so läuft er Gefahr, die Entwicklungsmöglichkeiten und den Freiraum des kommunalen Lebens einzuschränken.

Eingeschränkt wird es aber auch durch unzureichende Mittel der Kommunen. Deshalb ist das Land in der Verantwortung und in der Pflicht, die kommunale Handlungsfreiheit zu gewährleisten, da wo sie es nicht selbst können. Veränderte Rahmenbindungen und gestiegene Anforderungen an die kommunale Verwaltung haben dafür gesorgt, dass zwischen Finanzbedarf und zur Verfügung stehende Mittel häufig eine immer größere Lücke entstand. Die wachsende Finanznot vieler Gemeinden, die zu immer stärkerem Investitionsstau und Einschränkungen bei der Aufgabenwahrnehmung geführt hat, hätte schon für sich ausgereicht, den Novellierungsbedarf zu begründen.

Deshalb war es richtig von der Landesregierung, dieses Projekt anzugehen. Nur wie sie das getan hat, war gelinde gesagt erstaunlich. Der Ministerpräsident hat gestern erklärt: Die Landesregierung habe die Reform mit der kommunalen Familie in einem Beteiligungsverfahren erarbeitet, das seines gleichen sucht.

Wenn aber ein so umfangreiches und so gutes Beteiligungsverfahren stattgefunden hat, muss man sich zu Recht fragen, warum die lauteste Kritik ausgerechnet aus der kommunalen Familie kommt.

Das mag daran liegen, dass die gesamte Reform nicht darauf angelegt war, der kommunalen Familie insgesamt zu helfen. Nur Unwuchten, wie es die Landesregierung nennt, im Finanzausgleich sollten Beseitigt werden. Gutachterlich hat jedenfalls hat die Landesregierung nur die Verteilung zwischen den Kommunen untersuchen lassen. Ob das Ergebnis dieser Untersuchung wirklich als tragfähig für das von der Koalition bestimmte Ergebnis dienen, kann, wage ich nach den Anhörungen zu bezweifeln.

Viel gravierender ist aber, was das Gutachten unter anderem explizit nicht untersuchen sollte. Ich darf hierzu aus dem Gutachten zitieren:

„Die vorliegende Untersuchung bezieht sich ausdrücklich nicht auf die vertikale Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen [..]“

Mit anderen Worten: Ob die Gesamtmasse an finanziellen Zuweisungen an die Kommunen auskömmlich ist, sollten die Gutachter gar nicht untersuchen. Die Gefahr, dass die Gutachter einen höheren Finanzbedarf feststellen würden, als er von den aktuellen FAG-Mitteln gedeckt wird, war der Koalition offenbar zu hoch. Die Koalition wird heute ein Finanzausgleichgesetz verabschieden, von dem sie selbst nicht weiß, ob es den Finanzbedarf der Kommunen kompensiert. Ich fürchte, wir werden in einigen Jahren feststellen müssen, dass Sie die Defizite nur von den kreisfreien Städten auf die kreisangehörigen Gemeinden oder die Kreise  verlagern, statt es wirksam zu verhindern.

Aber durch Zufall könnten wir natürlich trotzdem genau den Bedarf der Kommunen treffen. Wenn dann noch zufällig das neue Verteilungssystem stimmt, haben die Kommunen wirklich Glück gehabt. Wer Gesetze im Vertrauen auf den Zufall macht, muss sich aber nicht wundern, wenn nur 15% der Menschen Politikern vertrauen.

Wir verstehen unsere Aufgabe als gewählte Vertreter der Menschen in Schleswig-Holstein aber nicht darin, bloßen Zusicherungen der Landesregierung zu vertrauen oder auf gut Glück im Nebel zu stochern. Wir müssen gerade bei so weitreichenden Entscheidungen in der Lage sein, selbstständig zu bewerten, ob das von uns gefundene Ergebnis auch wirklich den Anforderungen der Realität entspricht. Genau das sehe ich hier nicht sichergestellt.

In absehbarer Zeit wird sich auch das Landesverfassungsgericht wohl oder übel mit der umfangreichen Kritik an diesem Gesetz auseinandersetzen müssen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Landesgesetzgeber da ohne ein blaues Auge rausgehen wird. Die Verlierer der jetzt beratenen Lotterie haben ihre Klagen bereits angekündigt.

Wenn die Koalition dieses Gesetz verabschiedet, verletzt sie ihren eigenen Anspruch, die Kommunen wirklich zu stärken. Die – wie es der Ministerpräsident gestern sagt: über Jahrzehnte, also weitgehend unter Regierungsverantwortung der SPD entstandenen – Missstände werden so nur wieder um einige Jahre in die Zukunft verschoben.

Verantwortung geht anders.

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