Pressefreiheit auch dann, wenn sie unbequem ist

Zur heutigen Landtagssitzung hat die Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit von Redakteuren gegenüber ihren Verlagen vorgelegt. Deutschlandweit erstmalig soll ein Recht auf Wahl einer Redaktionsvertretung eingeführt werden. Die Journalistengewerkschaften djv und dju begrüßen die Initiative gerade „angesichts der starken Konzernabhängigkeit vieler Zeitungen im Norden“.

Dazu erklärt Dr. Patrick Breyer, Mitglied der Piratenfraktion im Innenausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags:

„Nachdem in vielen Gebieten des Landes nur noch eine Tageszeitung regional berichtet, kann eine Vielfalt an veröffentlichten Meinungen nur innerhalb der Redaktion gewährleistet werden. Hinzu kommt, dass die wirtschaftlich angespannte Situation der Presse die Gefahr inhaltlicher Einflussnahme etwa zugunsten von Anzeigenkunden erhöht hat. Vor diesem Hintergrund sieht unser Gesetzentwurf eine Stärkung der inneren Pressefreiheit in den Verlagen vor. Die Redaktionen sollen im Rahmen der publizistischen Grundsätze des Verlegers, die verbindlich zu veröffentlichen sind, frei berichten dürfen. Die Einzelheiten können in einem Redaktionsstatut festgelegt werden. Die Redaktion kann zur Vertretung ihrer Interessen eine Vertretung wählen, die insbesondere an der Besetzung leitender Funktionen der Redaktion zu beteiligen ist (z.B. Chefredakteur, Ressortleiter). Außerdem wird gesetzlich garantiert, dass keine Redakteurin und kein Redakteur gegen ihre Überzeugung publizieren müssen.

Für die Piratenpartei ist kritisches Hinterfragen und freier Informationszugang ein hohes Gut. Wenn Journalisten von einem enger werdenden Meinungsspektrum, einer zunehmenden Rücksichtnahme auf Anzeigenkunden und sogar dem Zurückhalten von wirtschaftlich oder politisch heiklen Nachrichten berichten, müssen wir handeln und die innere Pressefreiheit stärken. Ich wünsche mir, dass Schleswig-Holstein mit unserer Presserechtsnovelle bundesweit einen neuen Standard setzt und andere Länder nachziehen werden.“

Nachfolgend die beantragten Änderungen im Wortlaut:
Nach § 3 des Gesetzes über die Presse (Landespressegesetz) vom 31.01.2005
(GVOBl. 2005, 105), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.01.2012 (GVOBl. 2012,
266), wird der folgende § 3a eingefügt:
㤠3a Zusammenarbeit zwischen Verlegerin und Verleger und Redaktion;
Stellung der Redakteure
(1) Legt die Verlegerin oder der Verleger beziehungsweise die Herausgeberin oder der Herausgeber eines periodischen Druckwerkes in einer Erklärung publizistische Grundsätze des Druckwerks nieder, so ist die Redaktion daran gebunden. Die Erklärung ist regelmäßig, mindestens einmal jährlich, zu veröffentlichen und auf einer vorhandenen Internetpräsenz zum Abruf bereitzuhalten. Änderungen und Ergänzungen der publizistischen Grundsätze
werden erst wirksam, sobald sie veröffentlicht sind.
(2) Im Übrigen entscheidet die Redaktion selbstständig über die Berichterstattung. Davon ausgenommen sind geschäftlich relevante Mitteilungen des Verlags.
(3) Nähere Einzelheiten zur Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Verlag und Redaktion können in einer Vereinbarung zwischen Verlegerin oder Verleger und der Vertretung der Redakteurinnen und Redakteure oder den Redakteurinnen und Redakteuren (Redaktionsstatut) festgelegt werden. Wird das Redaktionsstatut mit der Redaktionsvertretung vereinbart, so bedarf es zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung von zwei Dritteln der Redakteurinnen und Redakteure.
(4) Bei Druckwerken mit in der Regel mindestens fünf Redakteurinnen oder Redakteuren kann die Redaktion eine Vertretung bestehend aus mindestens einer Person wählen und deren Aufgaben festlegen (Redaktionsvertretung). Bei Redaktionen mit in der Regel mehr als zehn Redakteurinnen oder Redakteuren besteht die Redaktionsvertretung aus mindestens drei Personen. Redaktionsvertretungen, die aus mehreren Mitgliedern bestehen, werden nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählt. Wahlberechtigt sind
1. Redakteurinnen und Redakteure,
2. sonstige fest angestellte Journalistinnen und Journalisten sowie
3. nicht fest angestellte Journalistinnen und Journalisten, die regelmäßig an der redaktionellen Gestaltung des Druckwerks mitwirken.
Der Verlag informiert die Redaktionsvertretung über die laufenden Geschäfte,
insbesondere vor der Besetzung leitender Funktionen und vor Änderungen der
publizistischen Grundsätze. Den Mitgliedern der Redaktionsvertretung darf
aus ihrer Tätigkeit kein Nachteil erwachsen.
(5) Redakteurinnen oder Redakteure dürfen nicht veranlasst werden, eine Meinung, die sie nicht teilen, als eigene zu publizieren. Aus der Weigerung dürfen keine Nachteile entstehen. Die Pflicht zu sorgfältiger Berichterstattung (§ 5) bleibt unberührt. Gegen den Willen der Verfasserinnen und Verfasser dürfen Beiträge, die unter ihren Namen veröffentlicht werden, in ihrem Wesensgehalt nicht geändert werden.“

Hintergrund:
[1] Der Gesetzentwurf zur Stärkung der inneren Pressefreiheit im
Volltext: hier

[2] Stellungnahme des DJV Schleswig-Holstein zu der
Initiative: hier

Stellungnahme der dju zu der Initiative: hier

[3] Ergebnisse der Studie “Gefahren für die Innere Pressefreiheit 2013″:

hier
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