Der Gesetzentwurf der schleswig-holsteinischen Landesregierung zur Bestandsdatenauskunft[1] missachtet in vielen Punkten die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts, so das Ergebnis der gestrigen Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses.
Der Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert warnte die Abgeordneten, das geplante schleswig-holsteinische Gesetz zur Bestandsdatenauskunft würde der Polizei erstmals auch weitreichenden Zugriff auf die „aufgerufenen Webseiten“ etwa bei „Online-Shops, Informationsdiensten, Internetportalen“ eröffnen. „Dies betrifft etwa Gesundheitsportale, Internet-Angebote von Kirchen oder politischen Parteien oder Angebote von Beratungsstellen“, mahnte Weichert.[2] Mit der Einbeziehung von Internetdiensten würde Schleswig-Holstein sogar noch über das umkämpfte Bundesgesetz zur Bestandsdatenauskunft[3] hinaus gehen.
Auch die stellvertretende Richterin am Landesverfassungsgericht Dr. Susanne Rublack erklärte für die Neue Richtervereinigung, der Gesetzentwurf der Landesregierung genüge den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in mehreren Punkten nicht: Ein deutlich besserer Schutz für Internet-Nutzerkennungen (IP-Adressen) sei geboten, weil deren Aussagekraft mit der Identifizierung einer Telefonnummer „nicht gleichgesetzt“ werden könne. Die vielfältige „Durchbrechung des Richtervorbehaltes“ für die Identifizierung von Internetnutzern sei „nicht nachvollziehbar“. Und die für den Verfassungsschutz geplante „pauschale Abrufbefugnis“ sei „enttäuschend“.[4]
„Nach dem verfassungswidrigen schwarz-roten Gesetz zum Kfz-Massenabgleich[5] warne ich SPD, Grüne und SSW vor einem erneuten Übergriff auf unsere Grundrechte“, erklärt der Abgeordnete Patrick Breyer von der Piratenpartei, auf dessen Beschwerde das Bundesverfassungsgericht Teile des rot-grünen Bundesgesetzes zur Bestandsdatenauskunft gekippt hat.[6] „An dem Landesgesetz zur Bestandsdatenauskunft wird sich zeigen, ob die kritischen Entschließungen[7] und Äußerungen[8] von SPD, Grünen und SSW zur Bestandsdatenauskunft wieder einmal nur leeres Gerede gegen den politischen Gegner waren oder ob sie ihre Zusicherungen in politischer Verantwortung auch in die Tat umsetzen. Ich habe 12 dringend erforderliche Änderungen an dem Gesetzentwurf formuliert[9] und appelliere an die Koalition, die Vertraulichkeit der Internetnutzung und Internet-Passwörter zu schützen. Das Internet darf nicht zum Überwachungsnetz werden!“
Nächste Woche wird der Innen- und Rechtsausschuss über Änderungen an dem Gesetzentwurf beraten, in zwei Wochen wird der Landtag entscheiden. Im Internet haben schon über 10.000 Personen eine Vollmacht zur Teilnahme an einer Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen das Bundesgesetz zur Bestandsdatenauskunft erstellt[10], das am 1. Juli in Kraft treten soll. In Nordrhein-Westfalen muss Innenminister Jäger (SPD) heute im Innenausschuss ein umstrittenes „Horror-Papier“[11] verteidigen[12], mit dessen Hilfe Berlin als Zünglein an der Waage[13] veranlasst worden sein soll, dem Bundesgesetz zur Bestandsdatenauskunft im Bundesrat zuzustimmen.[14]
[1] Schleswig-Holsteinischer Gesetzentwurf zur Bestandsdatenauskunft
[2] Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten
[3] Diskussion um Bestandsdatenauskunft
[4] Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung
[5] Karlsruhe kippt Kennzeichenerfassung
[6] Verfassungsrichter geben Nachhilfeunterricht beim Datenschutz
[7] Entschließung des Schleswig-Holsteinischen Landtags
[8] Grüne fordern Nachbesserungen bei der Bestandsdatenauskunft
[9] Änderungsbedarf am schleswig-holsteinischen Gesetzentwurf
[10] Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen die Bestandsdatenauskunft
[11] Horrorszenarien für Bestandsdatenauskunft
[12] Stellungnahme des Innenministeriums
[13] Abstimmungsverhalten im Bundesrat
[14] SPD beschwor Horrorszenarien für Bestandsdatenauskunft
Video: Rede von Patrick Breyer zum schleswig-holsteinischen Gesetz zur Bestandsdatenauskunft
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