Kubicki rastet aus, wirft Ministerin Drogenkonsum vor

Wolfgang Kubicki, Foto: SPD SH, CC BY 2.0

Anwürfe des FDP-Fraktionsvorsitzenden Kubicki, der letzte Woche auch gegen uns Piraten pöbelte, werden nun Gegenstand der Ältestenratssitzung am Mittwoch: Bildungsministerin Prof. Dr. Wende (parteilos) beschwert sich in einem Brief an den Landtagspräsidenten über Zwischenrufe Kubickis zu ihrer Rede („Die steht unter Drogen, die Frau!„).

Gegenstand des Redebeitrags der Ministerin am 28.09.2012 war das von der Koalition geplante „Vorschaltgesetz“, das Schulformänderungen zwischen G8/G9/GY einstweilen verbieten soll. Während des Redebeitrags kam es mehrfach zu persönlich beleidigenden Zwischenrufen Kubickis. Auszüge aus dem Protokoll über die Rede der Bildungsministerin:

Gründlichkeit geht uns vor Schnelligkeit. Sorgfältiger Dialog und Bürgerbeteiligung brauchen Zeit; Zeit, die wir durch das zeitlich befristete Vorschaltgesetz erhalten. Lesen hilft.

(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

– Lieber Herr Kubicki, manchmal hilft lesen, nicht nur abschreiben.

(Beifall SPD und SSW – Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie wäre es mit verstehen!)

Die von CDU und FDP verantwortete Schulgesetzänderung des Jahres 2011 ist mit unseren Ideen einer Schule der Zukunft nicht vereinbar.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aha!)

Das Ziel, allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft eine faire Chance zu geben, ist auf der Prioritätenskala von CDU und FDP nicht wirklich weit oben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Haben Sie sich einmal die Ergebnisse des Berichts angeguckt? – Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben Sie etwas geraucht heute Morgen?)

Sonst hätten CDU und FDP mit der Schulgesetzänderung 2011 die Idee der Gemeinschaftsschule, die auf individuelle Förderung und Stärkung der Schüler und Schülerinnen setzt, hochgehalten und nicht konterkariert.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die steht unter Drogen, die Frau!)

Frau Wende reagierte auf diese Anwürfe mit scharfer Kritik am parlamentarischen Verhalten von FDP-Abgeordneten:

Vizepräsident Bernd Heinemann:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Dr. Waltraud Wende, Ministerin für Bildung und Wissenschaft:

Immer wieder gern.

Dr. Heiner Garg [FDP]: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Ministerin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass Elternwille und Schulwille nicht gleich Zufallsprinzip sind?

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

– Das nehme ich gern zur Kenntnis. Allerdings muss dann auch eine Debatte an den jeweiligen Orten geführt werden.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Das unterbinden Sie ja gerade! – Weitere Zurufe FDP)

Waltraud Wende, Foto: SPD SH, CC-by-2.0

Debattieren können Sie weniger, Sie schreien lieber dazwischen. Das habe ich in den letzten Plenarsitzungen in diesem Raum gelernt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich habe eine Zwischenfrage gestellt!)

– Ja, Sie haben die letzten drei Tage reichlich dafür genutzt, immer wieder dazwischenzuschreien. Wenn wir über den Knigge im Landtag reden wollen, was ich mit Ihnen gern einmal täte – –

(Christopher Vogt [FDP]: Wir sind hier nicht in der Schule, sondern im Parlament!)

Sie benehmen sich hier, wie es keinem Schüler und keiner Schülerin in einer Klasse erlaubt wäre.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW – Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sind auch nicht in der Schule! Wir sind im Parlament! – Weitere Zurufe FDP)

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre zumindest partielle Aufmerksamkeit. Es war mir wie immer ein Vergnügen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Für ihre deutlichen, mutigen Worte betreffend die parlamentarische Kultur im Landtag wurde die Ministerin gerüffelt, während die unglaublichen Anwürfe des Herrn Kubicki – an die man sich offenbar bereits gewöhnt hat – ohne Reaktion blieben:

Vizepräsident Bernd Heinemann:

Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Sie mit Ihrem Anwurf nicht die Opposition in Gänze gemeint haben, sondern möglicherweise einzelne Personen, die Sie hier nicht näher benennen wollten.

(Anita Klahn [FDP]: Das steht ihr nicht zu!)

Es wäre nicht zulässig, wenn Sie das der Opposition oder einer Fraktion unterstellen würden.

(Ministerin Dr. Waltraud Wende: Ich habe das keiner Fraktion unterstellt!)

– Das ist mir klar, aber es muss deutlich werden, dass das, wenn das in solch einer Pauschalität passierte, nicht akzeptabel wäre.

In einem Schreiben nach der Sitzung entschuldigte sich die Ministerin für ihre Aussage „Sie benehmen sich hier, wie es keinem Schüler und keiner Schülerin in einer Klasse erlaubt wäre“. Am 10.10.2012 schrieb die Ministerin dem Landtagspräsidenten dann aber:

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident:

ausweislich des Protokolls der Landtagssitzung vom 28. September 2012 mußte ich feststellen, dass dort Zwischenrufe des Abgeordneten Kubicki verzeichnet sind, die ich für absolut unparlamentarisch halte. Die auf Seite 4, 2. Spalte, Zeile 7 und 14 festgehaltenen Anwürfe treffen mich persönlich und gehen m.E. über das duldbare Maß hinaus. Es mag an der ohnehin sehr engagiert geführten Debatte gelegen haben, dass diese „Zwischenrufe“ nicht geahndet wurden. Ich fühle mich aber auch jetzt und nach der Protokolllektüre erst recht in meiner Auffassung bestätigt, dass hier ein vertretbares Maß überschritten wurde.

Ich möchte Sie bitten, mich über die möglichen Schrite zu informieren bzw. selbst in geeigneter Weise tätig zu werden.

Mit freundlichen Grüßen

Am 24.10.2012 antwortete der Landtagspräsident:

Sehr geehrte Frau Ministerin,

mit Schreiben vom 10. Oktober d.J. verweisen Sie auf zwei Zwischenrufe des Abgeordneten Kubicki in der Landtagssitzung am 28. September 2012, durch die Sie sich persönlich getroffen und ein vertretbares Maß überschritten sehen. Sie bitten mich, in geeigneter Weise tätig zu werden bzw. über die möglichen Schritte zu informieren.

Zwischenrufe der Abgeordneten im Rahmen parlamentarischer Debatten werden allgemein als zulässig anerkannt. Sie werden als Bestandteil einer lebendigen Debattenkultur des Parlaments angesehen. Sie können nur beanstandet werden, wenn sie wegen ihrer Vielzahl den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung gefährden oder wenn durch sie etwa wegen ihres Inhalts die Ordnung verletzt wird. Nach § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtages wird eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter, wenn er die Ordnung verletzt, von dem amtierenden Sitzungspräsidium „zur Ordnung“ gerufen. Ist dem Präsidium eine Ordnungsverletzung entgangen, so kann diese in der nächsten Sitzung erwähnt und ggf. gerügt werden. Ich weise darauf hin, dass die „Ordnungsverletzung“ ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der dem Präsidenten einen Beurteilungsspielraum einräumt. Sollte dem amtierenden Präsidenten im vorliegenden Fall eine Ordnungsverletzung entgangen sein, so läge auch die Entscheidung über deren Erwähnung und ggf. Rüge in der nächsten Sitzung im Ermessen des Präsidenten.

Ich werde Ihr Schreiben mit Herrn Vizepräsidenten Heinemann, der zum Zeitpunkt Ihrer Rede amtiert hat, erörtern und in der nächsten Sitzung des Ältestenrats am 7. November 2012 ansprechen.

Mit freundlichen Grüßen

In den letzten Sitzungen hat das Präsidium Äußerungen von Piraten, die den Landtag als „1-a-Schaukampfbude, die viele Leute hier gern nutzen“ bezeichnet hatten, ebenso beanstandet wie die Einstufung von Redebeiträgen als „dumm“. Dies seien „unparlamentarische Begriffe“.

Ich werde mich im Ältestenrat dafür einsetzen, dass das Präsidium es als inakzeptabel bezeichnet, dass einer Ministerin im Zuge sachlicher Ausführungen Drogenkonsum vorgeworfen worden ist. Auch wenn Drogenkonsum Herrn Kubicki allgemein umzutreiben scheint („Ich würde in Berlin zum Trinker werden, vielleicht auch zum Hurenbock„, „Ich weiß nicht, was er geraucht hat“), ist mit persönlichen Beleidigungen im Parlament die Grenze der Redefreiheit überschritten. Derartiges Verhalten schadet unser aller Ansehen als Volksvertreter.

Das Ergebnis der Ältestenratssitzung am Mittwoch darf ich wegen des Geheimratsbeschlusses der übrigen Fraktionen leider nicht mitteilen. Ich werde mich aber für eine Offenlegung durch den Landtagspräsidenten einsetzen (wie auch für eine generelle Veröffentlichung der Tagesordnungspunkte und Ergebnisse von Ältestenratssitzungen).

Die von Frau Wende zurecht beanstandete mangelhafte parlamentarische Kultur im Landtag hatte auch mich veranlasst, „Empfehlungen für das Verhalten als Abgeordnete“ zu entwerfen. Auch wenn diese Empfehlungen nicht auf parlamentarischem Weg weiter verfolgt werden sollen, können sie doch als Grundlage für Selbstreflexion von Nutzen sein, weshalb ich sie hier veröffentliche.

Empfehlungen für das Verhalten als Abgeordnete

Die öffentliche Auseinandersetzung ist eine zentrale Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Das Parlament als Ort des demokratischen Diskurses muss vorbildhaft für die öffentliche Debattenkultur sein, denn eine mangelhafte Debattenkultur im Parlament verschreckt die Bürgerinnen und Bürger und führt zu einer bedenklichen Form der Verdrossenheit an der parlamentarischen Demokratie.

Es sollte vornehmste Aufgabe des Landtages sein, für eine stärkere Bürger- und Wahlbeteiligung zu werben und dafür zu arbeiten. Dies setzt einen respektvollen Umgang der Abgeordneten miteinander ebenso voraus wie eine Rückbesinnung auf das Amt im Sinne einer Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger, die angemessene Erfüllung der Amtswürde und die Erinnerung an das Repräsentationsprinzip, das die Freiheit und die Unabhängigkeit des Mandats erfordert.

Vor diesem Hintergrund wollen wir unser Verhalten als Abgeordnete an den folgenden Empfehlungen orientieren:

1. Wir nehmen die in der Geschäftsordnung verankerte Pflicht, an den Sitzungen des Landtags teilzunehmen, ernst. Diese sehen die Bürgerinnen und Bürger zurecht als vornehmste Pflicht ihrer Vertreter im Landtag an. Von dringenden Ausnahmefällen abgesehen hat die Teilnahme an den Sitzungen und die aufmerksame Verfolgung der Debatte Vorrang vor der Erledigung anderer Angelegenheiten. Dies gilt auch für Gespräche mit Besuchergruppen, die zwar zeitgleich zu Landtagssitzungen stattfinden können aber ohne Abgeordnetengespräch sein sollten.

a) Die Geschäftsordnung sieht Ausnahmen von der Teilnahmepflicht für die Wahrnehmung anderer Termine oder die Führung von Gesprächen während der Sitzungen des Landtags nicht vor; dementsprechend sehen wir grundsätzlich davon ab.

b) Von dringenden Ausnahmefällen abgesehen telefonieren wir nicht im Sitzungssaal.

c) Bei der Nutzung mobiler Internettechnik (z.B. Smartphones, Laptops oder Tablet-PCs) und bei unserem sonstigen Verhalten während Sitzungen (z.B. persönliche Gespräche, Lesen) nehmen wir Rücksicht auf andere Abgeordnete und stören deren Aufmerksamkeit nicht unnötig oder unzumutbar. Geräte mit Lautsprechern (z.B. PCs, Mobiltelefone) stellen wir im Sitzungssaal lautlos.

d) Bei dem Aufstellen oder Halten von Geräten oder Gegenständen in Sitzungen achten wir darauf, dass der Blickkontakt zum Präsidium erhalten bleibt, besonders bei Abstimmungen.

2. Wir wollen nicht von allen Abgeordneten verlangen, Debatten zu verfolgen, die nicht von allgemeinem Interesse sind; solche Debatten führen wir in den Ausschüssen statt im Plenum.

3. Wir nehmen die in der Geschäftsordnung verankerte Pflicht, Reden in der Regel in freiem Vortrag – gegebenenfalls mithilfe stichwortartiger Aufzeichnungen – zu halten, ernst. Die freie Rede erleichtert es, auf vorangegangene Redebeiträge einzugehen, Wiederholungen zu vermeiden und eine lebendige Debatte zu entfachen.

4. In der Öffentlichkeit (z.B. Presse, soziale Netzwerke) sagen wir nichts über andere Abgeordnete, was wir nicht auch in deren Gegenwart sagen würden. Wir beleidigen einander nicht, weil derartiges Verhalten unser aller Ansehen als Volksvertreter schadet.

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5 Kommentare

  • 1
    Jacky Neiwel
    4. November 2012 um 09:53 Uhr

    langweilig

  • 2
    Martin Merecke
    4. November 2012 um 11:48 Uhr

    Mir ist ein deutliches Wort von Herrn Kubicki allemal lieber als die in politisch korrekte Formulierungen verpackten Ungeheuerlichkeiten und Unterstellungen der Frau Ministerin.

    Beispiel: „Das Ziel, allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft eine faire Chance zu geben, ist auf der Prioritätenskala von CDU und FDP nicht wirklich weit oben.“ „Sonst hätten CDU und FDP mit der Schulgesetzänderung 2011 die Idee der Gemeinschaftsschule, die auf individuelle Förderung und Stärkung der Schüler und Schülerinnen setzt, hochgehalten und nicht konterkariert.“

    Wenn wir diese Politikersprache ins Deutsche übersetzen, sagt sie im Grunde nur: „Wer andere Lösungen findet als ich, der ist gefährlicher Asozialer und will das Problem gar nicht lösen.“

    (…oder wie anders als „asozial“ würdet ihr „faire Chance nicht ganz oben auf Prioritätenliste“ übersetzen?)

    Bin nun wahrlich kein FDP-Fan, aber in diesem Fall hatte Kubicki absolut recht, in ihre Unterstellungen mit einem deutlichen Wort einzugreifen

  • 3
    Susanne Richter-Hansen
    4. November 2012 um 11:55 Uhr

    Hallo,
    es ist doch sehr deutlich zu erkennen, das mit zweierlei Maß gemessen wird. Herr Kubicki ist zwar bekannt für sein loses Mundwerk, aber alles hat seine Grenzen, auch für ihn.
    Gutes Benehmen ist die Basis für eine gute Diskussionskultur und das sollte für alle Lebensbereiche gelten.

  • 4
    Jacky Neiwel
    4. November 2012 um 14:13 Uhr

    „Er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.“