Piratenfraktionen fordern Klarheit beim Clearfield-Produktionssystem

Initiative der Piratenfraktionen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen setzt Diskussion um Clearfield-Raps in Gang. Die Agrarministerkonferenz beschloss nun, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zu prüfen, mit welchen Maßnahmen auf Nachteile des Clearfield-Systems reagiert werden kann.

Am 24. August 2012 fand im Schleswig-Holsteinischen Landtag eine Debatte über den Beitritt des Landes zum Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen (European GMO-free Regions Network) statt. Die Abgeordnete Angelika Beer (Piratenfraktion) nutzte die Debatte dazu, um das Parlament auf mögliche Gefahren des Clearfield-Produktionssystems aufmerksam zu machen. Sie wies darauf hin, dass es sich bei Clearfield-Vantiga um den Einsatz einer Technologie handelt, die zuvor nur im Zusammenhang mit gentechnisch verändertem Saatgut angewandt wurde, in Kombination mit auf konventionellem Wege gezüchteten Sorten jedoch keiner besonderen Kontrolle unterliegt.

Um zu erfahren, wie die Landesregierung mögliche, vom Clearfield-System ausgehende Gefahren einschätzt, wandten sich die Abgeordneten Angelika Beer und Sven Krumbeck anschließend mit eine Kleinen Anfrage an das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR). Außerdem informierten sie den Nordrhein-Westfälischen Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder, der sich seinerseits mit einer Kleine Anfrage an die dortige Landesregierung wandte.

In ihren Antworten kommen sowohl die Landesregierung in Schleswig-Holstein als auch in Nordrhein-Westfalen zum dem Schluss, dass die von den Piratenfraktionen angezeigte Fragestellung sehr ernstzunehmend ist. Das Schleswig-Holsteinische MELUR schreibt in seiner Antwort vom 12.09.2012 (Drucksache 18/147):

Auch die Landesregierung steht dem Clearfield-Produktionssystem kritisch gegenüber. Herbizidresistenzen sind insbesondere bei der Kulturpflanze Raps als problematisch zu erachten, weil Raps als partieller Fremdbefruchter durch den Pollenflug Eigenschaften auf andere Rapspflanzen und verwandte Kreuzblütler übertragen kann. Auch aufgrund der langen Keimfähigkeit von Rapssamen im Boden und des Verschleppungsrisikos durch Ernte- und Transportfahrzeuge muss mit einer Verbreitung der Herbizidresistenz auf weitere Flächen gerechnet werden. Da Clearfield-Raps nicht nur gegenüber dem Produkt Clearfield-Vantiga, sondern auch gegenüber anderen Herbiziden mit gleichem Wirkmechanismus resistent bzw. teilresistent ist, sind die Möglichkeiten der Ausfallrapsbekämpfung in anderen nachfolgenden Kulturen z. T. erheblich erschwert. Ähnliches gilt auch für Flächen, auf die Clearfield-Raps ausgekreuzt oder verschleppt wurde.

Obwohl die Antworten des Ministeriums die Probleme, die sich aus dem Clearfield-Produktionssystem ergeben, klar benannten, lies es keine weiteren Handlungsabsichten erkennen. Gezielte Nachfragen der Piratenfraktion beantwortete das MELUR mehrfach mit dem Hinweis, dass die Landesregierung „keine Maßnahmen plane“.

Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen reagierte hier umsichtiger. In seiner Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder kam es zu folgendem Urteil (Drucksache 16/983):

Aus den vorgenannten Gründen steht die Landesregierung bei der derzeitigen Rechtslage Rapssorten mit Herbizidresistenz kritisch gegenüber. Sie vertritt die Auffassung, dass auf Bundesebene unverzüglich geprüft werden sollte, ob und ggfs. welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Nicht-Nutzern des Clearfield-Systems bzw. vergleichbarer Systeme künftig einen verbesserten Schutz vor ungewolltem Eintrag problematischer genetischer Eigenschaften auf Ihre Ackerflächen zu gewährleisten. […]
Die Landesregierung hat dieses Anliegen in einem ersten Schritt in der Agrarministerkonferenz zur Diskussion gestellt und den Bund gebeten, gemeinsam mit den Ländern aktiv zu werden.

Der am 28. September 2012 auf der Agrarministerkonferenz in Schöntal verabschiedete Beschluss wendet sich an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), dass nun gemeinsam mit den Ländern prüfen soll, ob und mit welchen Maßnahmen auf mögliche Nachteile des Clearfield-Systems reagiert werden kann. (Seite 55, Protokoll der Agrarministerkonferenz)

Update vom 6.11.2012:

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN  hat am 19.10.2012 eine Kleine Anfrage in den Bundestag eingebracht, in der sie die Bundesregierung um Stellungsnahme zum „Clearfield-Problem“ bittet. Die unter dem Titel „Bewertung konventionell gezüchteter Kulturpflanzen mit Herbizidtoleranz“ eingebrachte Anfrage stellt einleitend fest:

Durch den massiven Selektionsdruck, der mit der wiederholter Anwendung der sogenannten Komplementärherbizide verbunden ist und durch Auskreuzung der genetisch verankerten Herbizidtoleranz auf verwandte Wildarten haben sich inzwischen über 100 „Super- Unkräuter“ entwickelt, die ebenfalls nicht mehr mit den entsprechenden Wirkstoffen bekämpft werden können und inzwischen erhebliche Probleme für die  Landwirtschaft in den betroffenen Ländern verursachen.  […]
Raps-Saatgut aus der von BASF entwickelten „Clearfield“-Serie mit einer Toleranz gegen den Wirkstoff Imazamox  wird aktuell auch in Deutschland angeboten. Zahlreiche landwirtschaftliche Forschungseinrichtungen und Beratungsdienste warnen vor einem Anbau dieser  Rapssorte, da angesichts einer Vielzahl einheimischer Kreuzblütler von einer  schnellen Auskreuzung der Herbizidtoleranz mit unabsehbaren Folgen ausgegangen werden muss.

Das von Energiewendeminister Habeck geführte MELUR hat unseres Wissens nach keine Notwendigkeit gesehen, die (ursprünglich) von der AG Landwirtschaft der Piraten angezeigte Problematik aufzugreifen. Glücklicherweise scheint sein Partei- und Amtskollege in NRW, Minister Johannes Remmel, die Grüne Bundestagsfraktion informiert zu haben.

Die Piraten freuen sich jedenfalls darüber, dass ihre grünen Themen bei den Bundesgrünen die gebotene Anerkennung finden.

Link zur Kleinen Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion:
http://dip.bundestag.de/btd/17/111/1711115.pdf

 

Zusammenfassung der Clearfield Problematik

Das Herbizit Clearfield-Vantiga ist ein Unkrautbekämpfungsmittel, dass bislang nur in Verbindung mit gentechnisch verändertem Raps-Saatgut eingesetzt wird. Seit einiger Zeit gibt es jedoch eine
Rapssorte, deren Herbizitresistenz gegenüber Clearfield auf herkömmlichem Wege –also im Zuchtauswahlverfahren– erreicht wurde. Das Herbizit, als auch das neue Saatgut, sind in der EU
seit April 2012 als sogenanntes Clearfield-Produktionssystem zur Ausbringung zugelassen. Die Aussaat des Clearfield-Rapses auf deutschem Boden hat bereits begonnen.
Da Raps zur Gruppe der Kreuzblütler gehört –einer Pflanzengattung, deren Vertreter sich vielfach untereinander kreuzen lassen– besteht unter anderem die Gefahr einer Resistenzübertragung auf andere Kulturen sowie Wildpflanzen. Da das Gesetz zur Regelung der Gentechnik (GenTG) beim Clearfield-Produktionssystem nicht greift, besteht momentan Unsicherheit darüber, wie die Übertragungen von Ausfallsaatgut oder Herbizitresistenzen auf benachbarte Flächen/Pflanzen rechtlich gehandhabt werden soll. Geschädigte Landwirte können sich zwar auf § 906 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berufen, die Beweislast liegt dann jedoch beim Geschädigten selbst.

 

Links:

Kleine Anfragen der Schleswig-Holsteinischen Abgeordneten Angelika Beer und Sven Krumbeck sowie Antwort der Landesregierung
Drucksache 18/147
( http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0100/drucksache-18-0147.pdf )

Kleine Anfragen des Nordrhein-Westfälischen Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder sowie Antwort der Landesregierung NRW:

Drucksache 16/983
( http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMD16/983&quelle=alle )

Drucksache 16/984
( http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMD16/984&quelle=alle )

Link zur Kleinen Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion:
http://dip.bundestag.de/btd/17/111/1711115.pdf

Protokoll der Agrarministerkonferenz in Schöntal am 28. September 2012:
( http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=AgrarMinisterkonferenz+clearfield&source=web&cd=2&ved=0CCoQFjAB&url=http%3A%2F%2Fwww.mil.brandenburg.de%2Fcms%2Fmedia.php%2Flbm1.a.3310.de

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