Offener Brief der Piratenfraktion an Landtagspräsident Schlie

Der Landtag hat heute – nur mit Ausnahme der Piratenfraktion – geschlossen den Einspruch gegen einen Ordnungsruf gegen Dr. Patrick Breyer abgelehnt. Breyer hatte im Dezember kritisiert, dass Spitzenjobs an Landesrechnungshof und Landesverfassungsgericht ohne öffentliche Ausschreibung vergeben werden. Als Reaktion auf die heutige Entscheidung geben wir Ihnen den folgenden offenen Brief an den Landtagspräsidenten Klaus Schlie zur Kenntnis:

Offener Brief zur Bekanntmachung vom 23.01.2017 (Drs. 18/5053)

Sehr geehrter Herr Präsident,

in der Landtagssitzung vom 14.12.2016 haben Sie mir einen Ordnungsruf erteilt, nachdem ich erklärt hatte, warum meine Fraktion gegen die Wahl von Herrn Wollesen zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs gestimmt hat. Sie haben dies in der Sitzung damit begründet, dass Sie diese Erklärung nicht für eine solche erachten, „die ausschließlich zur Abstimmung erfolgt ist, sondern für eine Bewertung der Person, um die es geht.“ Der Vorwurf an mich lautete: „Sie beschädigen hier Persönlichkeitsrechte.“

Hiergegen habe ich Einspruch eingelegt und dargestellt, dass ich die Person des Herrn Wollesen gerade nicht herabgesetzt habe sondern die Art und Weise kritisiert habe, wie seine Person ausgewählt wurde. Natürlich würde ich es bedauern, wenn sich Herr Wollesen durch den Vorgang in irgendeiner Weise herabgesetzt oder verletzt sehen würde. Gleichwohl war es gerade Sinn und Zweck meiner Erklärung, ein solches Verständnis zu verhindern. Eine Herabsetzung seiner Person war nicht beabsichtigt und ist nach meiner Überzeugung auch nicht erfolgt.

Am Montag begründeten Sie Ihr Festhalten an dem Ordnungsruf nunmehr damit, dass ich nicht nur das Abstimmungsverhalten begründet, sondern ein allgemein politisches Statement für meine Fraktion abgegeben hätte, wozu nicht das Wort erteilt worden sei.

Diese neue Begründung wirft für mich eine Reihe von Fragen auf, die ich leider nicht in der Sitzung erörtern kann, da die Abstimmung nach der Geschäftsordnung wiederum ohne Beratung erfolgt.

Daher frage ich Sie auf diesem Wege:

Wie kann ich das Abstimmungsverhalten meiner Fraktion begründen, ohne zugleich die tragenden politischen Gründe darzulegen, die uns zu diesem Abstimmungsverhalten veranlasst haben?

Wie kann ich deutlich machen, dass die Gründe für die Ablehnung bei einer Personenwahl im Kern gerade nicht in der zu wählenden Person liegen sondern in der Art und Weise, wie diese Person ausgewählt wurde, wenn ich nicht ausführen darf, dass meine Fraktion eine auf reiner Absprache und Aufteilung basierende, ohne offene Ausschreibung erfolgende Vergabe öffentlicher Ämter aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt?

Wie kann ich bei der Begründung des Abstimmungsverhaltens die in meiner Fraktion leitende Überzeugung darstellen, dass durch solche Formen der Ämterbesetzung die Politikverdrossenheit der Wähler weiter vertieft wird, ohne dies aussprechen zu dürfen?

Wie kann ich bei der nächsten Ämterbesetzung, die ohne öffentliche Ausschreibung erfolgen soll, zur Sprache bringen, warum wir einem so zustande gekommenen Wahlvorschlag nicht zustimmen?

Zur Sicherung unseres Rederechts bei vergleichbaren Wahlvorschlägen in der Zukunft sehen wir uns gezwungen, gegen diese Ordnungsmaßnahme vor Gericht zu ziehen. Es muss erlaubt sein, Kritik an der Praxis der Besetzung öffentlicher Ämter ohne offene Ausschreibung zu äußern. Nur so können wir begründen, warum wir solchen Besetzungsvorschlägen unabhängig von der zur Wahl vorgeschlagenen Person nicht zustimmen.

Im Übrigen merke ich an, dass andere Abgeordnete ebenfalls ihr Abstimmungsverhalten begründen und erläutern können, warum die von uns angeführten Gründe aus ihrer Sicht nicht durchgreifend sind, wie Sie es dem Abgeordneten Kubicki in der letzten Tagung auch angeboten hatten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Patrick Breyer

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1 Kommentar

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    Frihet
    25. Januar 2017 um 11:36 Uhr

    Diese Frage ist nicht nur von Interesse der Versammlungs-Leitung/Ordnung sondern vielmehr
    der Zulässigkeit von Ämterbesetzungen allgemein.
    Eine Diskussion ist unbedingt zulässig und transparent zu führen, ggf auch auf dem Weg der
    Klage. (Wie ist die Lage im Bezug auf dem EugH ? zb. Höhe der Bezüge = Ausschreibung)
    Eine öffentliche Ausschreibung muss Zulässig sein.
    Landesverfassungsgericht – hier gibt es auch Qualifizierte Personen in anderen Bundesländern, jedoch fällt bei fremden Qualifizierten für Landesrechnungshof ggf. die indirekte ………… mehr weg.
    Fachliche Qualifikation sollte immer über ……… Zugehörigkeiten stehen !