Informatik als Pflichtfach: PIRATEN entschuldigen sich für kurzsichtige Landesregierung

„Plakativ“ und „nicht wirklich umsetzbar“ – als die Piratenfraktion vor wenigen Monaten fordert „Informatik als Pflichtfach“ in Schleswig-Holsteins Schulen einzuführen, finden Küstenkoalition und FDP klare Worte. Der Vorstoß schafft es nicht einmal in den Ausschuss.

Wie erwartet zeigt sich jetzt: Der Landtag hat mal wieder nur den Kopf in den Sand gesteckt und wartet in dieser Haltung vermutlich bis die digitale Revolution endlich vorbei ist.

Informatik als Schulfach ist mittlerweile nicht nur notwendig, sondern vor allem eins: möglich. Baden-Württemberg zeigt, wie es geht. Ab dem Schuljahr 2017/2018 wird das Land ab der siebten Klasse Informatik als Pflichtfach anbieten – trotz finanzieller Hindernisse.

Dazu der bildungspolitische Sprecher der Piratenfraktion, Sven Krumbeck:
„Schleswig-Holstein hatte durch unseren Antrag die Möglichkeit, eine Vorreiter-Stellung einzunehmen. Nun müssen wir aufpassen, dass diese Fehlentscheidung der Landesregierung uns nicht zum Schlusslicht in der modernen Bildungspolitik werden lässt.

Baden-Württemberg hat den Weg zur informatischen Bildung geebnet. Das Saarland steht schon in den Startlöchern und möchte sich mit dem Fach Digitalkunde um seine Grundschülerinnen und -schüler kümmern. Auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat mit ihrem Digitalpakt die Zeichen der Zeit erkannt.

Wir PIRATEN entschuldigen uns bei den Bürgerinnen und Bürgern für den vergeigten Schnellschuss der Landesregierung. Es bleibt zu hoffen, dass Schleswig-Holstein – wenn schon nicht den guten Ideen der PIRATEN – dann doch wenigstens dem guten Beispiel der anderen Bundesländer folgt.“

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2 Kommentare

  • 1
    Malte
    26. Oktober 2016 um 15:36 Uhr

    Liebe Abgeordneten,
    ich habe mir nun den Antrag und auch die Reden im Plenum dazu angeschaut. Und ich muss sagen: Ich bin jetzt noch weiter von der Forderung nach Informatik als Pflichtfach entfernt. Richtig sagt Sven, dass wir in einem *informatorischen Zeitalter* leben. Er hat auch Recht, wenn er die Bedeutung des Verständnisses hierfür betont.
    Alleine, er benötigt dafür keine weitergehenden informationstechnischen Verständnisse. Er benötigt Sensibilisierung für die Reichweite von Datennutzungen. Er muss für die dahinter stehenden wirtschaftlichen Interessen sensibilisiert werden. Er muss über die damit zusammenhängenden sozialen und rechtlichen Fragen Kenntnisse erlangen. Er muss aber nicht verstehen, wie dies technisch umgesetzt wird. Das aber ist der Kern der *Informatik* – dazu reicht der Blick in die Wikipedia oder die Vorlesungspläne diverser Informatik-Studiengänge.

    Genau so wenig diese Kenntnis erforderlich ist, muss der durchschnittliche Schüler den Unterschied zwischen dem Antrag und der Annahme, dem Widerruf und der Anfechtung oder den Recht am Besitz und dem Recht zum Besitz kennen – den technischen Vorgängen im alltäglichen Rechtsleben.

    Noch dazu kommt, dass ihr meines Erachtens nach die falsche Zielgruppe ansprecht. Informationssensibilität und auch Medienkompetenz müssen zwingend in der Grundschule vermittelt werden. Denn in der Oberstufe ist die Nutzung der Medien schon so sehr eingeübt, dass man bestenfalls bereits bekanntes unterrichtet und schlimmstenfalls die Lehrinhalte abgelehnt werden, weil sie mit der eigenen Lebensgestaltung nicht vereinbar wären.

    In die Oberstufe gehören ganz sicher gute Informatik-Angebote – aber als freiwillige Ergänzung, nicht als Pflicht. Wer sich nicht für die „Wissenschaft von der systematischen Darstellung, Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Informationen, besonders der automatischen Verarbeitung mithilfe von Digitalrechnern“ (Informatik lt. Duden) interessiert kann dennoch hochgradig versiert in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Risiken und Chancen der Informatik sein.

    Wer hier den dauerhaften Bedarf an Informatikern an die Wand malt, macht zudem den gleichen Fehler, der mit den BWLern und Juristen gemacht wurde, Der Bedarf wurde erkannt. Er wurde unkritisch als dauerhaft bestehend angesehen. Die Kapazitäten wurden aufgebaut und jetzt haben wir viel zu viele taxifahrende Juristen und BWLer.

    Stärkt die Informatik, macht das Lehramtsstudium hierzu attraktiver. Führt Informatik als LK-Option mit hinreichender Verbreitung in SH ein. Aber bitte, bitte nehmt von diesem unsinnigen Pflichtfach Abstand.

  • 2
    Anonymous
    27. Oktober 2016 um 12:58 Uhr

    Lieber Malte,

    vielen Dank für deine konstruktiven Überlegungen und Vorschläge. Das Lehramtsstudium im Bereich Informatik zu stärken, um dadurch das Fach attraktiver zu machen, ist ein guter und wichtiger Vorstoß. Dafür setzen wir uns auch ein.

    Durch die Einführung des Pflichtfachs Informatik verfolgen wir mitunter das Ziel, Informatik als Mangelfach anerkennen zu lassen. Das eröffnet uns mehr Raum für die Ziele, die wir verwirklichen wollen. Etwa, Lehramtsstudiengänge für Informatik auszubauen. Oder Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer oder Quereinsteigerinnen und -einsteiger zu schaffen. Und generell: Finanzielle Mittel für diesen Bereich zur Verfügung stellen zu können.

    Zudem sind wir davon überzeugt, dass eine informatische Bildung an der Schule mittlerweile unabdingbar ist. Eine Welt ohne Informationstechnologie ist nicht mehr vorstellbar, sie ist zu einem essentiellen Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Abgesehen von dem scheinbar unersättlichen Ruf des freien Marktes nach IT-Experten – und der Prophezeiung einer neuen Arbeitswelt – sehen wir informatisches Verständnis als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Teilhabe in wirtschaftlichen, politischen aber auch sozialen Feldern an. Obwohl die Informatik noch recht jung ist, sollte sie unserer Meinung nach in einem Bildungskanon mit Biologie, Chemie, Physik oder der Mathematik genannt werden.

    Ein guter Einwand ist, dass bereits Grundschülern informatische Grundlagen nahe gebracht werden sollten. Das Saarland geht hier den ersten Schritt und führt unter Einsatz eines Mini-Computers das Fach Digitalkunde ab der dritten Klasse an. Wir hoffen auf den Erfolg des Pilotprojektes und wünschen uns eine bundesweite Einführung eines solchen Fachs an Grundschulen.

    Wir PIRATEN setzen uns aber vor allem für das Pflichtfach Informatik ab der Sekundarstufe I ein, weil wir glauben, dass man mit dem Grundverständnis, das viele Jugendliche durch die Nutzung von Endgeräten bereits mitbringen, dahingehend zu erweitern, dass sie lernen, was sie da eigentlich nutzen und wie sie selbst darauf Einfluss nehmen können.

    Informatik soll kein spezielles, einem Mysterium gleichenden Fach sein, das nur wenige Schülerinnen und Schüler beherrschen – der „durchschnittliche Schüler“ soll genauso informatische Grundlagen und Vertiefungen erfahren dürfen wie in allen anderen Unterrichtsfächern auch. Ein Pflichtfach Informatik soll nicht automatisch zu einem Informatik-Studium führen, wir fordern keine IT-Experten und auch keinen übermäßigen Konsum von Endgeräten. Wir wollen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, selbstbestimmt mit den Technologien unserer Zeit umgehen zu können. Und das können sie nur, wenn sie wissen, was sie tun. Quasi frei nach Marie von Ebner-Eschenbach: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“