Pirateninitiativen im Landtag: Videoüberwachung von Fahrgästen, Netzneutralität, Transparenz von Managergehältern, Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturausbau

Lückenlose Videoüberwachung in Zügen verhindern (geplanter Aufruf: Donnerstag 11:10 Uhr)

Schleswig-Holsteins Nahverkehrszüge sollen schrittweise mit Überwachungskameras ausgestattet werden. So soll die Videoüberwachung ab Dezember 2014 auf den Strecken Kiel-Hamburg und Flensburg-Hamburg beginnen. Dies soll laut Wirtschaftsministerium helfen, „das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu steigern“, doch bei den Piraten regt sich Protest. „Diese Totalüberwachung verletzt die Persönlichkeitsrechte der Fahrgäste und ist rechtswidrig“, moniert die Oppositionsfraktion.

Gerichtsentscheidungen zufolge dürften Bereiche, die zum längeren Aufenthalt bestimmt sind, nicht videoüberwacht werden. Zudem könnten Videokameras sensible Daten erfassen, wenn Fahrgäste beispielsweise Briefe lesen oder Laptops benutzen. Auf diese Weise könnten sogar Passwörter und PINs aufgezeichnet werden. Hinzu komme, dass es keinen Beleg gebe, ob in videoüberwachten Bahnwagen weniger Straftaten, eine höhere Aufklärungsquote oder ein erhöhtes Sicherheitsgefühl zu verzeichnen wären als in Fahrzeugen ohne Videoüberwachung. „Der Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein bildet erkennbar keinen Kriminalitätsschwerpunkt“, betonen die Piraten und verweisen auf die Kriminalstatistik. Demnach wurden auf Schleswig-Holsteins Straßen im Jahr 2011 über 3.800 Gewaltdelikte registriert, jedoch gerade einmal vier in der Bahn.

Die landeseigene Verkehrsservicegesellschaft LVS hatte bei den letzen Streckenausschreibungen für die Bahnnetze Mitte und Nord den Einbau von Kameras als Auflage an die Bahnunternehmen festgeschrieben. Regierung und LVS beabsichtigen, bei künftigen Ausschreibungen „diese Praxis fortzusetzen“, heißt es in einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Piraten (Drs. 18/419). Die Überwachung sei „zwar kein Allheilmittel“, könne aber „im Einzelfall, im Hinblick auf die konkrete Situation vor Ort, unverzichtbar sein“.

Antrag der PIRATEN

Antwort der Landesregierung

Netzneutralität stärken (geplanter Aufruf Freitag 10:10 Uhr)

Mit ihrer Ankündigung, den Zugang zum schnellen Internet zu begrenzen, hat die Deutsche Telekom im März ihre Kunden wie auch Verbraucherschützer verärgert. Nun schalten sich die Piraten im Kieler Landtag ein und pochen auf das Prinzip der Netzneutralität. Das besagt, dass Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen in ihren Netzen alle Datenpakete gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken sollen – unabhängig davon, woher die Daten stammen oder welchen Inhalt sie haben, ob es sich um eine E-Mail, ein Video oder ein Online-Spiel handelt. Kunden, die seit Anfang Mai zur Telekom gestoßen sind, müssen jedoch damit rechnen, über ihre heimischen Anschlüsse nur noch bis zu einem Datenvolumen von 75 Gigabyte pro Monat schnell surfen zu können. Wird die Volumengrenze erreicht, soll die Geschwindigkeit des Internetanschlusses auf 384 Kilobit pro Sekunde gedrosselt werden. Normal sind 100 Megabit pro Sekunde. Wann die Geschwindigkeitsgrenze tatsächlich komme, hänge aber von der Entwicklung des Datenverkehrs ab, heißt es bei dem Bonner Konzern. Hintergrund: Das Datenvolumen nehme „rapide“ zu. Zudem sind immer mehr Online-Dienste darauf angewiesen, dass die Daten in Echtzeit ankommen, etwa beim Internet-Fernsehen oder bei OnlineSpielen. Das führt zu Staus im Netz Deswegen müsse die Telekom in Datenleitungen investieren.

Die Piraten befürchten durch die Telekom-Pläne Nachteile für die Wirtschaft: Diese führten „unmittelbar zu einer Benachteiligung derjenigen Wirtschaftsteilnehmer, die einen Vertrag über die bevorzugte Behandlung ihrer Inhalte nicht geschlossen haben. Dabei wird es sich gerade um Newcomer, StartUps aber mit dem Mittelstand auch um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft handeln.“ Außerdem fordern die Piraten von der Landesregierung, sich über den Bundesrat für mehr Datenschutz im Netz stark zu machen. So sollen Zugangsanbieter nur unter strengen Auflagen Einsicht in den Inhalt abgerufener Datenpakete nehmen dürfen ­ etwa „wenn dies technisch zur Qualitätssicherung notwendig ist oder rechtlich erforderlich“ ist. Die Internet-Surfer sollen dann über die Inspektion informiert werden. Damit diese Regeln eingehalten werden, wollen die Piraten eine Aufsichtsbehörde einrichten.

Antrag der PIRATEN

Veröffentlichung der Bezüge der Geschäftsführungsorgane und Aufsichtsgremien (geplanter Aufruf: Freitag 11:55 Uhr)

Die Piraten fordern eine gesetzliche Regelung, um die Gehälter in den Chefetagen öffentlicher Unternehmen im Lande offenzulegen. Betriebe in der Hand des Landes oder der Kommunen sollen nach Willen der Piraten ihre Gehaltsstruktur verbindlich veröffentlichen müssen. Bei Unternehmen mit mindestens 25 Prozent Landesbeteiligung soll das Land darauf „hinwirken“, dass die Bezüge bekanntgemacht werden. Gelten soll die Regelung etwa für Landesbetriebe, Kommunalunternehmen, Sondervermögen und Sparkassen.

Die Gehälter in Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung haben zuletzt in Lübeck für Diskussionen gesorgt. In den städtischen Gesellschaften der Hansestadt und in den Firmen, an denen die Stadt beteiligt ist, werden nach Angaben der Stadtverwaltung 63 Personen außertariflich bezahlt ­ zum Teil mit mehr als 100.000 Euro pro Jahr. Vor diesem Hintergrund wird Berichten zufolge auch in der Landesregierung an einem Transparenzgesetz für Gehälter gearbeitet.

Antrag der PIRATEN

Charta für Bürgerbeteiligung bei der Planung von Infrastrukturvorhaben (geplanter Aufruf: Freitag 15:10 Uhr)

Beim Bau von Straßen, Kraftwerken oder Stromleitungen wollen die Betroffenen vor Ort mitreden ­ und zeigen der großen Politik auch gelegentlich die gelbe Karte. Damit Politiker und Bürger ins Gespräch kommen, fordern die Piraten von der Landesregierung nun eine „Charta für Bürgerbeteiligung bei der Planung von Infrastrukturvorhaben“. Kernpunkt: Die Anwohner sollen früher als bisher eingebunden werden. Bereits vor der grundsätzlichen Genehmigung sollen die Betroffenen mit entscheiden, „ob ein Vorhaben überhaupt wünschenswert ist“. Dabei sollen „ergebnisoffen und ernsthaft alle Alternativen“ geprüft und erörtert werden. Gibt es dann einen Beschluss für das Projekt, sollen die Behörden alle Pläne, die Kosten sowie die möglichen Auswirkungen, „frühestmöglich“ offenlegen. Das geltende Planungsrecht räume Bürgern meist erst dann die Möglichkeit zur Beteiligung ein, wenn die Entscheidungen über das Ob und oft auch über das Wie bereits gefallen seien, monieren die Piraten. Eine frühe Bürgerbeteiligung hingegen „erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen über Infrastrukturvorhaben, vermeidet spätere Proteste und Klagen, senkt dadurch die Dauer des gesamten Planungsverfahrens und spart Steuergelder, die bei einem späten Ausstieg aus Projekten verloren gehen“.

Antrag der PIRATEN

Umsetzung und Zwischenbilanz des Bildungs- und Teilhabepakets (geplanter Aufruf: Freitag 16:55 Uhr)

Seit 2011 gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes. Es soll deutschlandweit rund 2,5 Millionen Kindern aus Hartz-IV-Familien, von Geringverdienern und Wohngeldempfängern die Teilnahme an Vereinssport, Klassenfahrten oder Musikschulen sichern. In SchleswigHolstein haben laut Sozialministerium 115.000 Kinder und Jugendliche Anspruch auf diese Leistungen. Jetzt zieht die Landesregierung eine positive Zwischenbilanz: „Das Bildungs- und Teilhabepaket kommt inzwischen bei vielen Kindern und Jugendlichen an“, heißt es in einem Regierungsbericht. Waren es zu Beginn nur 25 bis 30 Prozent der Berechtigten, die einen Antrag auf Geld aus dem Bildungspaket gestellt haben, so ist diese Zahl im Jahr 2012 auf 60 Prozent gestiegen. 63 Prozent des bereitstehenden Geldes sei im vergangenen Jahr abgerufen worden. Verantwortlich für die Vergabe der Mittel sind die Jobcenter sowie die Städte und Kreise. Auffällig sei, dass mehr Familien Anträge stellen, wenn sie einfach und unbürokratisch beraten werden etwa auch in KiTas, Schulen, Frauenhäusern oder Arztpraxen: „Die Erfahrungen der ersten Jahre haben gezeigt, dass ein niedrigschwelliges Angebot zur Steigerung der Inanspruchnahme“ führten. Das Bildungs- und Teilhabepaket beinhaltet neben Zuschüssen für ein kostenloses warmes Mittagessen in Schule oder KiTa auch finanzielle Unterstützung für Klassenfahrten, Beiträge für Sportvereine oder Geld für Nachhilfe. Eingeführt wurde es, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 die Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig einstufte und eine Überarbeitung der Leistungen für Erwachsene und Kinder forderte. Die Karlsruher Richter bemängelten unter anderem, dass der besondere Bedarf von Kindern bei Hartz-IV anfangs überhaupt nicht ermittelt wurde.

Berichtsantrag der PIRATEN

Bericht der Landesregierung

Gesetzentwurf zur Einführung eines Richtervorbehalts bei Bildaufnahmen und -aufzeichnungen

SPD, Grüne, SSW und CDU wollen den Gesetzentwurf der PIRATEN zur Einführung eines Richtervorbehalts bei polizeilichen Videoüberwachungsmaßnahmen ablehnen.

Die Piraten wollen erreichen, dass die schleswig-holsteinische Polizei künftig nur noch mit richterlicher Genehmigung verdeckte Bild- oder Videobeobachtungen von Personen machen darf. Der Grund: Verdeckte polizeiliche Bildaufnahmen, beispielsweise vor der Privatwohnung einer Person, sind nach Ansicht der Piraten „typischerweise geeignet, besonders tief in die Privatsphäre des Betroffenen einzudringen“. Erfolgen sie über einen längeren Zeitraum hinweg, könnten sie das Privatleben einer Person außerhalb ihrer Privatwohnung weitgehend abbilden, so die Befürchtung.

Bislang sehe das schleswig-holsteinischen Polizei- und Ordnungsrecht keinen Richtervorbehalt für den verdeckten Einsatz von Kameras vor, so die Piraten. Demgegenüber unterlägen aber sowohl die akustische Überwachung als auch die Observation von Personen einem Richtervorbehalt. Diese Unterscheidung sei „nicht gerechtfertigt“. Zudem habe das Thüringische Verfassungsgericht im vergangenen November eine Ermächtigung der dortigen Polizei zu heimlichen polizeilichen Bildaufnahmen für verfassungswidrig erklärt.

Obwohl der Richterverband in einer Stellungnahme gegenüber dem Ausschuss betont hat, dass eine richterliche Anordnung jedenfalls bei längerfristigen Überwachungsmaßnahmen geboten sei, stellt die Koalition auf stur und lehnte den Antrag im Ausschuss rundheraus ab. Die FDP unterstützte den Antrag. Diese Woche entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Antrag der PIRATEN

Überversorgung bestimmter Minister verhindern

Der Bezug einer Altersentschädigung nach dem Abgeordnetengesetz alter Fassung neben laufenden Bezügen aus einem Amt als Ministerin oder Minister oder einem Amt als Staatssekretärin oder Staatssekretär stellt eine partielle Überversorgung dar. Die bisher bestehende Ruhensregelung, die bereits zu einem weitgehenden Ruhen der Altersentschädigung geführt hat, belässt einen Teil dieser Überversorgung und beinhaltet dazu nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand in der Anwendung. Ein vollständiges Ruhen der Altersentschädigung ist in diesen Fällen daher sachgerecht. Einen entsprechenden Gesetzentwurf haben die PIRATEN eingereicht. Dieser soll ohne Aussprache an den Innen- und Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen werden.

Lebens- und Futtermittelkontrollen wirksam gestalten!

Die PIRATEN fordern die Prüfung von Maßnahmen zur wirksameren Gestaltung von Lebensmittelkontrollen:

  • Eine Neustrukturierung der Informationsverarbeitung und Informationsvermittlung unter anderem im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG), etwa über eine „Smiley-System“ und Veröffentlichung von Kontrollergebnissen auf öffentlich zugänglichen Portalen (Internet),
  • Eine Stärkung der Verbraucherrechte, etwa über eine Ausweitung von Schadensersatzansprüchen, Gewinnabschöpfung oder kollektive Klagerechte,
  • Eine Überprüfung der Verwaltungsstrukturen im Land Schleswig-Holstein, der Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, dem Bund und EU-Behörden,
  • Eine Überprüfung der Kontrollen hinsichtlich Kontrolldichte, Wirksamkeit und risikobasierter Auswahl,
  • Eine Ergänzung bzw. Ersatz der Eigenkontrolle in der Lebensmittelerzeugung durch gebührenfinanzierte, staatliche Kontrollen.

Der Koalition geht der Antrag zu weit. Sie hat ihn im Ausschuss abgelehnt und will nur Verwaltungsstrukturen und Kontrolldichte überprüft wissen. Verbraucherinformation und Verbraucherrechte sollen nicht gestärkt werden. Diese Woche entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Resolution zum Nord-Ostsee-Kanal

Auf Initiative der PIRATEN soll der Landtag eine gemeinsame und parteiübergreifende Resolution zur Zukunft des Nord-Ostseekanals fassen. Eine parteiübergreifende Positionierung wäre wichtig, um auf Bundesebene und im Verhältnis zu den übrigen Ländern geschlossen auftreten zu können.

Leider wird eine einstimmige Resolution wohl nicht gefasst werden können: Zwar war der Text der PIRATEN abgestimmt und konsensfähig. Dann legten aber die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag vor, der einige Punkte enthält, die FDP und CDU nicht für zustimmungsfähig hielten. Andererseits lehnte die CDU wieder das Angebot der PIRATEN ab, in einem gemeinsamen Gespräch der wirtschaftspolitischen Sprecher zu einem Konsenstext zu kommen. Der Wirtschaftsausschuss empfahl daher nur bei Enthaltung von CDU und FDP, die Resolution in der von der Koalition geänderten Fassung anzunehmen. Diese Woche entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Service

Von Mittwoch bis Freitag dieser Woche tagt der Landtag. Der jeweils aktuelle Zeitplan wird sich hier finden. Die Sitzung kann im Livestream verfolgt werden. Informationen der PIRATEN zur Tagesordnung und zum beabsichtigten Abstimmverhalten finden sich hier.

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