Piratige Landtagskonstituierung

Heute hat die erste Sitzung des neuen schleswig-holsteinischen Landtags stattgefunden. Zum ersten Mal haben wir PIRATEN mitgemischt.

Wolfgang Kubicki (FDP) eröffnete die Sitzung als Alterspräsident. In seiner Eröffnungsrede kritisierte er unsere Forderung nach Transparenz:

In der letzten Zeit ist immer wieder der Ruf nach Transparenz laut geworden. […] Das aber ist selbstverständlich immer schon möglich gewesen: Die Sitzungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages sind öffentlich, jeder kann nach Anmeldung auf der Besuchertribüne Platz nehmen und die Debatten verfolgen. […]

Transparenz kann jedoch nicht immer der Maßstab aller Dinge und allzumal nicht der Maßstab jeder Form politischer Arbeit sein. Lassen Sie mich das an einem Gegensatz aufzeigen. Der Gegensatz zur Transparenz im politischen Geschäft ist nicht die ,,Intransparenz“, sondern die Vertraulichkeit. Vertraulichkeit darin steckt nicht zufällig das Wort ,,Vertrauen“. Es gibt Prozesse des Meinungsaustausches, der Diskussion, des Streits und vor allem der Konsensfindung, die nur im Vertrauen, in der Vertraulichkeit des Gesprächs, möglich sind. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass jeder Schritt und jeder geäußerte Gedanke eines gewählten Abgeordneten in Echtzeit öffentlich gemacht werden muss.

Anschließend wurde der ehemalige Innenminister Klaus Schlie (CDU) in geheimer Wahl als Landtagspräsident gewählt und vereidigt. Es gab 10 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen. Er hielt eine Antrittsrede, derzufolge er die größte Herausforderung nicht in der bedauerlicherweise stetig abnehmenden Wahlbeteiligung sehe. Vielmehr sei das Interesse und der Wille etwas für die Gemeinschaft zu tun weiterhin vorhanden, wie das verbreitete ehrenamtliche Engagement zeige.

Sodann wurden die Abgeordneten verpflichtet. Wir haben den folgenden Eid geleistet:

Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordnete/Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Eigennutz zu dienen

Anschließend wurde über die Geschäftsordnung des Landtags entschieden. Wir PIRATEN haben einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages mitgetragen, demzufolge – finanziell sinnvoll – die Zahl der Vizepräsidenten von vier auf zwei reduziert wurde und 11 statt 13 Abgeordneten den Ausschüssen angehören. Auch haben wir den fraktionsübergreifenden Antrag „Parlamentarismus im Wandel“ mitgetragen, demzufolge der Innen- und Rechtsausschuss Vorschläge zur Überarbeitung der Geschäftsordnung erarbeiten soll, und zwar u.a. auf der Grundlage der „Vorschläge der Fraktionen“.

Den größten Erfolg hatten wir bereits im Vorfeld der Sitzung errungen: Nachdem mehrere Fraktionsvorsitzende letzte Woche angedroht hatten, Ältestenratssitzungen für vertraulich zu erklären, hatten wir die Pläne veröffentlicht und mit einer Pressemitteilung dagegen protestiert. Daraufhin kündigten die übrigen Fraktionen gestern in einer Sitzung der Parlamentarischen Geschäftsführer an, diesen Vorstoß zunächst nicht weiter zu verfolgen. Er wurde aus dem Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages gestrichen. Damit können wir auch weiterhin öffentlich über fraktionsübergreifende Absprachen im Ältestenrat berichten. Selbstverständlich beachten wir dabei Beschäftigtendaten- und Geheimschutz.

Unseren 31-seitigen Antrag für mehr Transparenz im Landtag habe ich im Plenum begründet. In Erwiderung auf die Rede von Herrn Kubicki legte ich unser vollkommen abweichendes Transparenzverständnis dar: „Wir sind der Überzeugung, dass all das, was wir als Volksvertreter tun, für die Menschen in Schleswig-Holstein, die wir vertreten, nachvollziehbar sein muss, wo nicht Datenschutz oder Geheimschutz entgegen stehen“. Ich habe den Landtag dazu aufgefordert, in Anbetracht des geringen Ansehens der Politiker in der Öffentlichkeit und der verbreiteten Unzufriedenheit mit der aktuellen Funktionsweise der Demokratie mehr Transparenz zu wagen. Unser Antrag ist zur näheren Beratung in den Innen- und Rechtsausschuss verwiesen worden. Wir haben gestern abend darüber bereits ein Gespräch mit den Abgeordneten der GRÜNEN geführt.

Anschließend ist gegen unsere Stimmen die alte, intransparente Geschäftsordnung angenommen worden. Sodann wurden die Vizepräsidenten und Schriftführer gewählt.

Nun wurden die Grundsätze für die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten behandelt, die alle Fraktionen außer uns fortgelten lassen wollten. Wir haben einen Antrag eingebracht, wonach der Innen- und Rechtsausschuss überprüfen soll, ob diese Grundsätze noch zeit- und verfassungsgemäß sind. Uli König hat unseren Antrag wie folgt begründet:

Immunität soll sicherstellen, dass Abgeordnete ungehindert ihrer politischen Arbeit nachgehen können. Es widerspricht unserem Demokratieverständnis, dass Abgeordnete durch ihre Arbeit – z.B. durch Transparentmachen von vertraulichen Ausschusssitzungen, die von großem öffentlichem Interesse sind – Ermittlungsverfahren ausgesetzt werden können, ohne dass der Landtag dies im Einzelfall gestattet. Im Kommentar des Wissenschaftlichen Dienstes zu Paragraf 44 der Geschäftsordnung heißt es: „Jedenfalls soweit diese Grundsätze eine generelle Vorabgenehmigung enthalten, sind sie deshalb nicht unbedenklich, weil mit der Genehmigung des Landtags im Sinne des Artikels 24 Abs. 2 Satz 1 [der Landesverfassung] die vorherige Zustimmung durch das Plenum im Sinne einer Einzelfallentscheidung gemeint ist“. Deswegen lehnen wir die bisherigen Grundsätze für die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten ab.

Die Grundsätze sind dennoch mit den Stimmen der übrigen Fraktionen verabschiedet worden. Immerhin ist auch unser Antrag zu ihrer Überprüfung durch den Innen- und Rechtsausschuss angenommen worden.

Anschließend haben die Ausschüsse des Landtags ihre Vorsitzenden gewählt und einen Terminplan der Ausschusssitzungen verteilt. Uli König ist zum Vorsitzenden des Petitionsausschusses gewählt worden, Wolfgang Dudda zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Sozialausschusses.

Insgesamt halte ich die erste Landtagssitzung für gelungen. Unsere Initiativen werden weiter verfolgt. Nach dem Alterspräsidenten und dem Landtagspräsidenten haben wir die ersten beiden Reden im Landtag gehalten; in allen Reden wurden unsere Themen Transparenz und mehr Demokratie angesprochen.

Ein weiterer Bericht von der Sitzung findet sich auf Plenum Online. Dort findet sich auch eine interessanter statistischer Vergleich zwischen den einzelnen Fraktionen, wonach die Piraten-Fraktion mit durchschnittlich 36 Jahren bei weitem die jüngste im Landtag ist (siehe auch PIRATEN bringen junge Quereinsteiger in den Kieler Landtag).

Morgen wird Wolfgang Dudda für uns an der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses teilnehmen, in welcher die Volksinitiativen für Mehr Demokratie in Schleswig-Holstein behandelt werden. Auch eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Tanzverbot am Karfreitag soll zur Sprache kommen.

Am Freitag findet eine Sitzung des Ältestenrats statt. Die Landtagssitzung nächste Woche soll vorbereitet werden. Am Dienstag soll der Ministerpräsident gewählt werden, am Mittwoch soll er eine Regierungserklärung abgeben und soll eine Aussprache darüber stattfinden. Uli König wird uns im Ältestenrat vertreten und anschließend berichten.

4 Kommentare

4 Kommentare

  • 1
    Michael V.
    5. Juni 2012 um 20:03 Uhr

    Danke für den schnellen und umfassenden Bericht. Die Sitzung ist euch gelungen.

  • 2
    Pirat
    6. Juni 2012 um 00:09 Uhr

    Danke für den interessanten Bericht und weiter so.

  • 3
    Anonymous
    6. Juni 2012 um 09:32 Uhr

    Auch von mir ein Danke, finde ich super so zeitnah und transparent über eure Arbeit informiert zu werden!
    Euren Initiativen kann ich übrigens auch nur vollkommen zustimmen.

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