Die PIRATEN haben für die heutige Landtagssitzung eine Aktuelle Stunde zum Thema „Windenergie-Pläne der Landesregierung“ angesetzt. Dazu der Fraktionsvorsitzende der Piratenfraktion, Dr. Patrick Breyer:
„Wenn Ministerpräsident Torsten Albig über Windkraft redet, redet er über Atomkraft, Klimaschutz, Industriepolitik, Ausbauziele und Rechtssicherheit.
Wenn wir PIRATEN mit den Menschen vor Ort über Windkraft reden, sprechen wir über Heimat, das Lebensumfeld, Gesundheit und den drängenden Wunsch nach Mitbestimmung.
Und das sind und bleiben Kernthemen von uns PIRATEN: Wir glauben nicht an die Weisheit einer kleinen Elite. Wir wollen den Schleswig-Holsteinern die Entscheidungsmacht und das Mitspracherecht zurückgeben. Wir wollen unser schönes Bundesland zur direktdemokratischen Schweiz des Nordens machen!
Die Windkraftpolitik der Regierung ist ein Lehrstück für das intransparente Durchpeitschen politisch-wirtschaftlicher Ziele über die Köpfe der Betroffenen hinweg. 80 Prozent der Genehmigungsverfahren für Windparks erfolgen ohne jede Öffentlichkeitsbeteiligung in diesem Land.
Es ist sogar viel schlimmer: Die Regierung will mit ihrer neuen Planung akzeptierte Bürgerwindparks beerdigen und stattdessen neue Windmühlen aus dem Boden stampfen, wo negative Bürgerentscheide ganz klar zeigen, dass sie vor Ort fast einhellig abgelehnt werden.
Ministerpräsident Albig ist zusammen mit der Regierung dabei, die Energiewende an die Wand zu fahren. Hier werden – ohne Not – Bürger und Naturschutzverbände auf die Barrikaden gebracht. Und eine Energiewende ohne Bürger kann nicht gelingen.
Wir PIRATEN wollen die Energiewende mit dem Bürgerwillen in Einklang bringen und fordern einen neuen Kurs in sechs Punkten:
1. Planung von Windenergieflächen müssen wieder in Einklang mit dem Gemeinde- und Bürgerwillen gebracht werden. Dazu braucht es eine gesetzliche Grundlage, wie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zeigt.
2. Wir brauchen die Gewährleistung, dass eine Minderung des CO2-Ausstoßes im Energiesektor nicht über den Zertifikatehandel zu einer Erhöhung des CO2-Ausstoßes in anderen Wirtschaftssektoren führt.
3. Alle Genehmigungsanträge für den Bau von Windkraftanlagen müssen samt Standort und Verfahrensstand laufend im Internet veröffentlicht werden.
4. Windenergie darf nicht krank machen! Wir wollen, dass dem Lärmschutz sofort die aktuellen Empfehlungen des zuständigen Normierungsgremiums („Interimsverfahren“) zugrunde gelegt wird.
5. Die Kosten für die Abschaltung von Wind- und Solaranlagen bei Netzüberlastung müssen reduziert werden. Wir brauchen dringend bessere Speicher- und Zuschaltmöglichkeiten.
6. Wir brauchen keinen Luxus-Netzausbau über den Bedarf hinaus.
Wir PIRATEN werden weiter gemeinsam mit den Schleswig-Holsteinern für den Bürgerwillen kämpfen. Denn wir sind sicher, dass nur so die erstrebenswerte Energiewende gelingen kann.“
1 Kommentar
Zu Punkt 1.) Das OVG stellt fest, dass der Gemeinde- und Bürgerwille mit anderen Belangen, wie z.B. dem gesellschaftlichen Anliegen des Kohle- und Atomausstiegs, abgewogen werden muss. Ob diese Abwägung in Gemeinde A zu einem anderen Ergebnis führen darf als in Gemeinde B ist unter Juristen umstritten. Unstrittig ist hingegen, dass der Windenergie substanzieller Raum eingeräumt werden muss. Dieses ist aufgrund des St.-Florians-Prinzips jedoch nicht sichergestellt, sofern Bürgerentscheide bindend wären.
Zu Punkt 2.) Die im EU-ETS verfügbaren Emissionsberechtigungen (Angebot) übersteigen die verifizierten Emissionen (Nachfrage) um deutlich mehr als 2 Milliarden Berechtigungen (zum Vergleich: Deutschland emittiert jährlich ca. 908 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente). Das völlig überdimensionierte Zertifikateangebot entflatet keinerlei begrenzende Wirkung, weshalb die Minderung des CO2-Ausstoßes in Deutschland nicht zu ener Erhöhung an anderer Stelle führt. Die beschlossene Reform des EU-ETS konterkariert nationale Ambitionen auch künftig nicht, denn durch die Einführung der „Marktstabilitätsreserve“ werden dem Markt ab 2019 Zertifikate entzogen, sobald die Nachfrage ein bestimmtes Level unterschreitet.
Zu Punkt 5.) Zusätzlich zu besseren Speicher- und Zuschaltmöglichkeiten wird auch eine konsequentere Bewirtschaftung des Netzes notwenig sein. Der Einspeisevorrang für Erneuerbarre Energien wird heute regelmäßig unterlaufen (siehe Energy Brainpool Analyse zum Einspeiseverhaltens des Kohlekraftwerks Hamburg Moorburg und des AKW Brokdorf, Mai 2016). Geklagt wird dagegen bislang nicht, da netzbdingte Abregelungen ja entschädigt werden und für EE-Betreiber keinen finanziellen Verlust darstellen. Ohne die Drosselung konventioneller Kapazitäten kann die Energiewende aber nicht gelingen.