Patrick Breyer zur geplanten Ostküsten-Stromtrasse: Ausbau vor Neubau!

Zur Planung des Neubaus einer 380-kV-Stromtrasse Kiel-Göhl-Siems („Ostküstentrasse„) durch die Landesregierung und Tennet nehme ich wie folgt Stellung:

Die Ausbauvorhaben der Landesregierung im Osten Schleswig-Holsteins werden bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern besonders kontrovers diskutiert. Tatsächlich sind zentrale Fragen der Erforderlichkeit und der geplanten Umsetzungsweise (Freileitung) samt ihrer Folgen (z.B. Strahlungssschutz) ungeklärt.

Laut Bundesnetzagentur[1] ist eine neue Ostküsten-Stromtrasse bislang „nicht erforderlich“, selbst wenn man die neu ausgewiesenen Windeignungsflächen berücksichtige. Die Landesregierung arbeite mit unrealistischen Prognosen. Realistischerweise könne absehbar mit einer Windenergieleistung von 9,1 GW gerechnet werden. Die Auslastung der geforderten Neutrasse in Ostholstein würde dann jedoch maximal bei 10%, im Jahresmittel bei 3% der Kapazität liegen. Eine Auslastung bis 20% könne bereits durch einen Ausbau des bestehenden 110 kV-Netzes abgefangen werden. 110 kV-Leitungen können nach geltendem Recht – im Gegensatz zur geforderten neuen Höchstspannungsleitung – in der Erde verlegt werden.

Berücksichtigt man die mit einer neuen Trasse verbundenen Kosten und Nachteile, wird deutlich, dass bis zu einem gewissen Grad schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit vorübergehende Abschaltungen bei Lastspitzen dem Bau einer ganz neuen Höchstspannungstrasse vorzuziehen sind. Speichertechnologien können im Übrigen auch ohne neue Trassen Abschaltungen reduzieren und eine Grundlast bereitstellen. Für deren Entwicklung und Einsatz muss die Landesregierung deutlich mehr tun.

Die Landesregierung sollte bei der „Ostküstentrasse“ nicht nach dem Prinzip „ganz oder gar nicht“ verfahren, sondern ernsthaft die Alternative eines Ausbaus des bestehenden 110 kV-Netzes prüfen. Gleichzeitig sollte sich der Umweltminister für die Erdverkabelung von Teilstrecken auch im Höchstspannungsbereich einsetzen. Wenn wir die aktuell nicht erforderliche neue Ostküstentrasse zunächst auf Eis legen, können Technologie und rechtliche Rahmenbedingungen in einigen Jahren eine Erdverkabelung vielleicht schon ermöglichen.

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