13.6.12: Sitzung des SH-Landtag zur Regierungserklärung

Tagesordnung

Unsere Redebeiträge im Wortlaut (Quelle):

Wolfgang Dudda [PIRATEN]:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja,
das ist ein neuer Moment für mich, das ist meine –
so sagt man ja wohl – Jungfernrede. Ich bitte mir
nachzusehen, wenn es hier und da etwas holprig
sein sollte, ich denke, das mit der Routine wird
noch kommen.

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, wollte
ich mich bei Ihnen, Herr Albig, sehr, sehr für das
bedanken, was Sie gestern Nachmittag getan haben,
nämlich Ihre Würdigung der Verdienste von Herrn
Carstensen und auch die Art und Weise, wie Sie
das gemacht haben. Das zeigt, dass hier ein neuer
Stil einziehen kann, ein Stil, den wir als PIRATEN
sehr begrüßen. Noch einmal ein Dankeschön dafür.

(Beifall PIRATEN, CDU, SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und FDP)

Nun zu dem, was meinen Themenbereich in dieser
Regierungserklärung betrifft. Wir haben uns überlegt,
dass wir diese Debatte piratentypisch mit Themen
statt Köpfen bedienen wollen. Das heißt, es
werden drei oder vier PIRATEN von uns dazu sprechen.
Ich habe mir das Thema Innenpolitik herausgesucht,
und ich werde am Ende noch ein wenig
auf Sozialpolitik eingehen.

Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich für meine
Fraktion feststelle, dass wir mit vielen Ihrer Politikthemen
sehr einverstanden sind. Wir finden sehr,
sehr viele Dinge auch sehr gut. Insbesondere Ihre
Einstellung zum Thema Vorratsdatenspeicherung
hat uns sehr gut gefallen. Wir wissen, wie schwierig
das vor allen Dingen vor dem Hintergrund des
bundespolitischen Kontextes der Sozialdemokraten
gewesen sein muss. Wir bedanken uns dafür, dass
das so in den Koalitionsvertrag eingeflossen ist.
Wir als PIRATEN wünschen uns aber auch, dass
dieses zarte Pflänzchen, das hier gepflanzt wurde,
noch etwas größer werden kann. Wir wünschen uns
ein generelles Umdenken in der Innenpolitik. Wir
wollen das beginnen mit einer Evaluierung der
bestehenden Gesetze und einem Moratorium für
neue Gesetze. Wenn Sie diesen Weg auch noch
mitgehen, haben Sie uns an dieser Stelle ganz an
Ihrer Seite.

Wir wollen damit der Hysterie von Sicherheit und
angenommenen Befürchtungen begegnen und die
Themen einer gewissen Sachlichkeit zuführen, einer
Sachlichkeit, die wir übrigens ganz bewundernswert
in anderen Parlamenten und auch hier
finden, wenn es darum geht, gelassen auf das Thema
Abgeordnetenbestechung zu reagieren, wo man
hier Untätigkeit sieht. Auch an dieser Stelle setzen
wir auf Sie.

Sicherheit ist immer ein subjektives Gefühl. Unsere
Bürgerinnen und Bürger sollen sich sicher fühlen.
Das ist unser Job, dafür sind wir hier im Parlament
zuständig. Das haben wir zu gestalten. Aber gefühlte
Sicherheit hat auch etwas mit staatlicher Präsenz
zu tun. Da den richtigen Weg zwischen dem, was
gerade noch angemessen ist, und dem, was zu viel
ist, also zwischen dem, was Sicherheit sein sollte
und einem Polizeistaat, zu finden, das ist unsere
Aufgabe. In Ihrem Koalitionsvertrag haben wir dazu
vernünftige Ansätze gefunden. Es sind aber nur
Ansätze – und das haben wir Ihnen, Herr Breitner,
und auch Ihnen, Herrn Albig, schon erklärt -, weil
Sie zwar gute Ideen haben, diese aber nicht bis zu
Ende formuliert oder nicht zu Ende gedacht haben –
eins von beiden; wir wissen es ja noch nicht, das
kann sich ja noch ergeben.

Beginnen möchte ich mit der Kennzeichnungspflicht,
die wir bei Demonstrations- und Einsatzlagen
ausdrücklich begrüßen. Es ist Ihnen aber nicht
gelungen darzustellen, dass es sich dabei nicht um
ein permanentes Misstrauen unserer Polizei gegenüber
handelt. Unsere Polizei verdient kein permanentes
Misstrauen. Sie leistet einen tollen Job. Hier
wäre einleitend vielleicht das Bekenntnis zur Polizei
erleichternd gewesen, für eine Polizei, die mit
einem hohen Ethos 24/7 ihren Job sehr, sehr gut für
uns alle erfüllt.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP)

Weil Sie aber genau dies unterlassen haben, wehrt
sich die Polizei verständlicherweise gegen die
Kennzeichnungspflicht. Sie versteht die Kennzeichnungspflicht
so, wie sie im Koalitionsvertrag allein
nachzulesen ist, berechtigterweise als Affront und
als Ausdruck eines in der Regierung angekommenen
Generalverdachts. Das ist sie aber nicht. Hätten
Sie in dem Koalitionsvertrag beispielsweise klargestellt,
dass die Ausübung unmittelbaren Zwangs ein
Verwaltungsakt darstellt, der genauso nachvollziehbar
sein sollte wie jeder andere Verwaltungsakt,
hätte das vielleicht hilfreich sein können. Noch besser
wäre es gewesen, wenn Sie die Schutzrechte,
die Persönlichkeitsschutzrechte der Polizistinnen
und Polizisten, erkennbar mit eingearbeitet hätten.

(Beifall PIRATEN und Abgeordneter Wolfgang
Kubicki [FDP])

Der Persönlichkeitsschutz der Polizistinnen und Polizisten
ist aus unserer Sicht am besten dadurch gewährleistet,
dass die alphanumerische Kennzeichnung
und die Auflösung derselben dem Richtervorbehalt
unterliegt. An keiner anderen Stelle sollte erlaubt
sein, dieses Gebot aufzulösen, damit es auch
nicht dazu kommt, dass Polizisten verfolgt werden
können, wie es auch dargestellt worden ist. Ich
weiß, dass in Einzellagen im Tagesdienst 80 % der
Kolleginnen und Kollegen der Polizei die Kennzeichnung
tragen und das freiwillig tun.

Am besten wäre es auch, wenn sie diese Kennzeichnungspflicht
im Gesetz beim unmittelbaren
Zwang verankern würden. Dann würde sie umfassend
gelten, und es wäre auch dafür gesorgt, dass
andere hier im Land hilfsweise eingesetzte Polizeikräfte
sich dem einzufügen hätten. Das wäre ganz
praktisch.

Dass Sie die Präsenz der Polizei im ländlichen
Raum erhalten wollen, begrüßen wir ebenfalls ausdrücklich.
Der Dorfpolizist mit seiner häufig zu beobachtenden
freiwilligen Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit
ist unentbehrlich und trägt dazu bei,
dass es bei uns auf dem Land in diesem Punkt genauso
zugeht wie in den städtischen Regionen.
Weil wir aber wissen, dass diese Polizisten ihren
Job so erledigen, regen wir an, dass wir einmal über
etwas nachdenken, was man eine „Überstundenbremse“
bei der Polizei nennen könnte. Eine Überstundenbremse
ist einzuziehen. Sie wissen, dass im
Durchschnitt 85 Stunden Monat für Monat vor sich
hergeschoben werden. Sie mögen sich vorstellen,
wie das bei den Einsatzhundertschaften aussieht,
die regelmäßig an den Wochenenden Mehrarbeit
leisten. Diese Überstundenbremse ist aus fürsorgerechtlichen
Gründen notwendig.

(Beifall PIRATEN)

Aber wie soll ein Innenminister das tun, wenn seine
Polizei immer und immer wieder politisches Versagen
auf Demonstrationen kompensieren muss, weil
sie die Demonstrationen begleiten muss? Allein ein
neues Versammlungsrecht – so wie Sie das wollen –
wird hier nicht helfen. Wir sind alle aufgefordert,
durch vernünftige Politik dafür Sorge zu tragen,
dass es weniger Unmut gibt, der polizeiliche Begleitung
erfordert. Gute, nachvollziehbare und gerechte
Politik ist für unsere Demokratie das beste
Mittel, um die Demonstrationsfrequenz zu reduzieren.
Gern diskutieren wir mit Ihnen auch Ansätze
und Möglichkeiten, die widerlichen Naziaufmärsche
durch ein längst überfälliges NPD-Verbotsverfahren
am besten ganz und gar aus unserem Straßenbild
zu verbannen.

Sie wollen einen Polizeibeauftragten schaffen und
diesen organisatorisch bei der Bürgerbeauftragten
für soziale Angelegenheiten unterbringen. Wir halten
dies für unlogisch und der Aufgabe nicht gerecht
werdend. Richtiger wäre es, ihn dem Landtagspräsidenten
anzugliedern und ihn einmal jährlich
einen Bericht zur Lage der Polizei erstatten zu
lassen. Wir glauben, dass es so gelingen kann, die
Polizei noch mehr in der Mitte der Gesellschaft zu
verankern. Polizistinnen und Polizisten haben gerade
und dann bei besonderen Einsatzlagen darunter
zu leiden, dass ihr sonst vorhandenes Demonstrationsrecht
nicht vorhanden und aufgehoben ist und
sie sich deshalb kaum an jemanden wenden können,
wenn sie sich in ihren Rechten eingeschränkt
fühlen. Ergänzend sollte dieser Polizeibeauftragte
das Ausbildungsgeschehen begleiten, und damit
dem Parlament helfen, ein vollständiges und korrektes
Bild der Polizei zu bekommen.

Und auch die Innere Sicherheit und gleichzeitig Sozialpolitik
gefällt uns bei Ihnen sehr gut, nämlich
die neue Suchtpolitik. Sie wollen Suchtpolitik statt
Drogenkrieg durchführen. Das gefällt uns sehr gut.
Aufklärung und Prävention – das wissen wir alle,
das ist eine Binsenweisheit – ist allemal besser als
Strafverfolgung von Süchtigen. Allerdings: Wenn
die Prävention nicht gegriffen hat, also zu spät
kommt, ist es auch richtig, nicht gnadenlos zu kriminalisieren.
Das heißt, der Schwerstabhängige mit
einer kleinen Menge Drogen ist nicht zu kriminalisieren,
ihm ist zu helfen, er ist der Hilfe zuzuführen,
und auch Auswege sind zu schaffen. Ich beobachte
in Ihrer Position dazu zum ersten Mal in diesem
Land einen vernünftigen Weg. Das begrüßen
wir ausdrücklich.

Wir wollen genau wie Sie aber auch, dass die Straftaten,
die echten Straftaten, stärker verfolgt werden.
Das ist auch Ihre Absicht, und deshalb sind wir
auch an der Stelle bei Ihnen.

Beim Sozialen habe ich ein bisschen Probleme. Inhaltlich
sind wir bei Ihnen. Wir wollen den Mindestlohn
genauso wie Sie. Tariftreue ist auch für
uns ein wichtiges Thema. Die Wiedereinführung
von vernünftiger Augenhöhe bei der Mitbestimmung
ist auch okay. Aber in allen Punkten fehlt uns
die Gegenfinanzierung. Sie ist für uns einfach nicht
erkennbar. Sie mögen sie noch vorlegen. Zurzeit
können wir sie nicht erkennen. Auch die Personaleinsparungen
im öffentlichen Dienst, die Reduzierung
von 39 auf 32 Abteilungen, verlangen ein so-
ziales Vorgehen mit den Mitarbeitern, die umgesetzt
oder woanders hinverlagert werden sollen.
Auch wenn Sie es erklärt haben, Herr Albig, können
wir nicht ganz nachvollziehen, warum Sie
einen Staatssekretär mehr brauchen. Wenn das so
toll ist und eine solche Rendite bringt, sage ich: Wir
stellen noch 20 Staatssekretäre ein, und dann ist
dem Land geholfen. Das ist der Schluss aus dem,
was Sie mir erklärt haben.

Ich komme zum Ende und sage: viele Ideen, viele
sehr gute, die wir auch gern mittragen, vielfach unkonkret
und oft aus unserer Sicht ohne Finanzierung.
Ich setze darauf, dass die von Ihnen formulierte
Präambel gültig ist, umgesetzt wird und wir
alle im Parlament gefragt werden, beteiligt werden
und uns mit vernünftigen Ideen einbringen. Dann
freue ich mich auf die nächsten fünf Jahre mit Ihnen.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und SSW)

Sven Krumbeck [PIRATEN]:

Moin, moin! Es ist ebenfalls meine erste Rede, deswegen
bitte ich um ein bisschen Nachsicht.

„Neue Horizonte für Schleswig-Holstein“ – so hat
die Regierung ihren Koalitionsvertrag genannt. In
der Tat, neu hört sich vieles an. Dabei sind einige
der bildungspolitischen Vorstellungen durchaus zu
begrüßen. Die Koalition will einheitliche Bildungsstandards
einführen. Allerdings muss sie das auch
konsequent durchziehen und sich im Bundesrat dafür
einsetzen. Der Impuls hierfür muss über Schleswig-
Holstein hinausgehen.

Das Kooperationsverbot aufzuheben, ist ein weiterer
Schritt in die richtige Richtung. Auch wir PIRATEN
lehnen Kita-Gebühren im Grundsatz ab und
treten dafür ein, dass der Besuch des Kindergartens
kostenlos wird.

Die Regierung erwartet, dass durch den demografischen
Wandel bis 2017 1.400 Lehrerstellen frei
werden, und will die Hälfte der freigewordenen
Mittel wieder in Bildung investieren. Das begrüßen
wir. Das ist der richtige Ansatz.

Trotzdem tun sich in der Tat einige Abgründe am
Bildungshorizont von Schleswig-Holstein auf. Das
Motto der neuen Regierungskoalition heißt zwar
„Bildungspolitik im Dialog“, trotzdem will sie den
Schulen von oben herab die Möglichkeit nehmen,
sich gegebenenfalls für das doppelte Angebot von
G 8 und G 9 zu entscheiden.

Das gleiche Prinzip des Von-oben-herab-Diktierens
wenden Sie auch bei der Umwandlung von Regional-
in Gemeinschaftsschulen an. Die Umwandlung
haben Sie schon längst beschlossen. Wann wollen
Sie denn die Lehrer, Eltern und Schüler in diese
Entscheidung einbeziehen? Bürgernah wäre es gewesen,
solche Entscheidungen direkt mit den Betroffenen
vor Ort zu treffen.

Den Integrationsklassen wollen Sie zwei der drei
gekürzten Differenzierungsstunden zurückgeben.
Fragen Sie einmal die Lehrer in diesen Klassen. Eigentlich
müssten in solchen Klassen ständig zwei
Lehrkräfte sein.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP – Zurufe
Abgeordnete Rasmus Andresen [BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN] und Wolfgang Kubicki
[FDP])

Außerdem vermisse ich in Ihrem Koalitionsvertrag
eine Obergrenze für Klassenstärken.

Wir PIRATEN sehen es als unsere Aufgabe an, Sie
in Ihrer Regierungszeit daran zu erinnern, dass Bürgerbeteiligung
und kritisches Hinterfragen allgemein
zu einem festen Bestandteil unseres neuen Politikstils
werden müssen.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und SSW)

Angelika Beer [PIRATEN]:

Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Ministerpräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist nicht die erste Rede. 2009 habe ich gesagt,
in jedem Ende steckt der Zauber eines Neuanfangs.
Dafür, dass dieser Zauber mich hier in den
Landtag führt, bin ich überaus dankbar und freue
mich auf gute Zusammenarbeit.

Erlauben Sie auch mir, mit einem Zitat zu beginnen.
„Für ein solidarisches und weltoffenes
Schleswig-Holstein – Wir erklären ausdrücklich
unsere Solidarität mit jenen Mitmenschen,
die aufgrund ihrer Abstammung,
Religion, Hautfarbe oder Behinderung in Gefahr
sind, ausgegrenzt oder angegriffen werden.
Wir wollen ein weltoffenes Schleswig-
Holstein, das Flüchtlinge, Ausländer und Behinderte
nicht diskriminiert, und dass jenen,
die zu uns kommen und Hilfe brauchen, dieses
Grundrecht nicht verweigert werden darf.
Wir sind besorgt darüber, dass in Schleswig-
Holstein rechtsextremistische Strukturen
bestehen, die zur bundesweiten beziehungs-
weise europaweiten Verzahnung von extremistischem
und gewaltbereitem Gedankengut
erheblich beitragen. Wir setzen uns für
die Förderung einer solidarischen Gemeinschaft
ein, die Zivilcourage praktiziert und
bei jedem Angriff auf unsere Gesellschaft
und auf unsere Mitmenschen demokratisch
Gegenwehr leistet. Wir verstehen Europa als
ein friedensförderndes Projekt, das den Versuchen
der Renationalisierung einzelner
Staaten widerstehen muss. Schleswig-Holstein
muss dafür im Ostseeraum eine Schlüsselrolle
übernehmen.“

Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Zusammenfassung
einiger wichtiger Kernaussagen
des neuen Koalitionsvertrags, nein, es ist das Zitat
aus dem so oft geleugneten, aber existierenden
Wahlprogramm der Piratenpartei Schleswig-Holstein.

(Beifall PIRATEN)

Ich will eine zweite Gemeinsamkeit feststellen, bevor
ich auf Differenzen eingehe. Nicht nur Ihr Koalitionsvertrag
hat 63 Seiten, sondern auch wir haben
es geschafft, 63 Seiten für die Zukunft Schleswig-
Holsteins zu publizieren.

Ich komme zum Bereich der Flüchtlingspolitik. Wir
fühlen uns verpflichtet, alle Schritte aktiv zu unterstützen,
die dem Ziel dienen, eine neue Willkommenskultur
zu schaffen, die in unserem Land akzeptiert
ist; denn uns allen ist vollkommen klar,
dass der Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik,
die stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung
und die Beendigung der unmenschlichen Abschiebehaft
längst überfällig sind.

Lassen Sie mich anmerken, dass unter der rot-grünen
Bundesregierung und dem ehemaligen Innenminister
Otto Schily diese Punkte, die wir in Ihrem
Koalitionsvertrag unterstützen, nicht mehrheitsfähig
waren und er eine wirkliche Reform des Zuwanderungsgesetzes
zu seiner Zeit leider blockiert hat.

Wir PIRATEN werden die von uns geschätzte Arbeit
und das Engagement sowohl des Flüchtlingsbeauftragten
in Schleswig-Holstein als auch des
Flüchtlingsrates nach Kräften unterstützen, denn es
geht um Menschenrechte, die wir uns verpflichten
zu verteidigen.

Wir hoffen, dass den Worten des Koalitionsvertrages
unmittelbar zügiges Handeln folgt, soweit der
Rahmen es zulässt. Es gibt öffentliche Berichte
über die drohende Abschiebung eines Jugendlichen
aus Afghanistan, der hier seinen Hauptschulabschluss
macht und das Angebot hat, eine Lehrstelle
zu bekommen. Eine solche Abschiebung würde humanitären
Grundsätzen widersprechen.

Es kann und muss uns gelingen, von hier aus ein Signal
an die Europäische Union zu senden, das Signal,
die Abschottung Europas zu beenden und die
Militarisierung der europäischen Flüchtlingspolitik
ebenfalls sofort zu beenden. Wer das wirklich will –
da wende ich mich auch an den Innenminister -,
darf Frontex nicht vergessen zu erwähnen. Wir bedauern,
dass Frontex als Mittel der Verhinderung
der Hilfe und der militärischen Verhinderung des
Anlandens von Flüchtlingsbooten im Koalitionsvertrag
keine Berücksichtigung gefunden hat.

(Beifall PIRATEN und Abgeordnete Serpil
Midyatli [SPD])

Ich komme zu den groben Zügen Ihrer Europapolitik.
Ich sehe jetzt insbesondere unsere Ministerin
an. Anke, wir möchten helfen, dort ein bisschen frischen
Wind hineinzubringen. „Wir streben an“,
„wir setzen uns dafür ein“ und „wir wollen“: Das
ist uns zu wenig. Dies ist die Lyrik im Koalitionsvertrag.
Wir wünschen uns da etwas mehr Fakten.
Gern diskutieren wir mit allen, ob Ziele, über die
wir vollkommen einer Meinung sind, nicht auch
durch mehr Bürgerbeteiligung in diesem Rahmen
besser umzusetzen sind. Wir müssen etwas tun, damit
nicht alle fünf Jahre über Europa diskutiert
wird. Das Europäische Bürgerbegehren wollen wir
aktiv unterstützen. Ich schlage Ihnen vor, zu überlegen,
ob nicht genau das erste Europäische Bürgerbegehrens
dazu genutzt werden sollte, um den EURATOM-
Vertrag abzuschaffen. Das ist eine Forderung
Ihrer Koalition. Sie sollten sich überlegen, ob
Sie das unterstützen wollen. Ich bin darüber entsetzt,
dass diese Initiative von der Europäischen
Kommission vorgestern abgelehnt wurde. So werden
wir nicht Menschen an Europa binden. Wir
werden sie so auch nicht für einen verständlichen
und machbaren Atomaustieg gewinnen, sondern so
werden sie abgeschreckt.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, über
den heute etwas im „Nordschleswiger“ zu lesen
war. Das ist eine Zeitung, die hoffentlich demnächst
im Pressespiegel des Landtags mit ausgewertet
werden wird. Das gehört zu einer solchen
Politik für die Minderheiten dazu. Es geht darum,
dass das Europäische Parlament gestern beschlossen
hat, jede Kommunikation beziehungsweise jeden
Kontakt mit der EU-Ratspräsidentschaft ab sofort
einzustellen, solange es Versuche gibt und es
diese Ratspräsidentschaft zulässt, das Schengenabkommen
infrage zu stellen und die Freizügigkeit
der Menschen innerhalb Europas einzuschränken.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen,
dass das Königreich Dänemark derzeit diese EU-Ratspräsidentschaft
innehat. Sie können sich darauf
verlassen – wir als PIRATEN unterstützen das -,
dass wir als Schleswig-Holsteiner mit sehr engen
Beziehungen zu Dänemark versuchen werden, mit
den Kollegen in Kopenhagen zu reden und deutlich
zu machen, dass eine Wiederherstellung von Grenzen
beziehungsweise neue Grenzkontrollen zwischen
unseren europäischen Ländern nichts mit
dem Bild eines offenen Europas zu tun haben, für
das wir streiten. Sie haben im Koalitionsvertrag gesagt,
dass Sie mit allen Mitteln versuchen werden,
die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu verhindern.
Ich glaube, wir sollten versuchen, Dänemark
die gemeinsame Position transparent und
deutlich darzulegen. Insofern freuen wir uns, in der
Sache zusammenarbeiten zu können. Wir werden
aber auch da, wo wir für Bürgernähe und Transparenz
stehen, die Unterschiede deutlich machen.

Uli König [PIRATEN]:

Sie sehen noch recht frisch aus. Ich habe mir überlegt,
mit Ihnen so ein bisschen Touristen-Gymnastik
zu machen, damit Sie aufwachen; das scheint
aber nicht notwendig zu sein. Okay, fangen wir an.
(Zuruf SPD)
– Bitte?
(Zuruf SPD)
– Das wollte ich jetzt machen. Trotzdem vielen
Dank. – Das war noch nicht meine Rede.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf
den Zuschauerrängen! Dort sitzen nicht mehr allzu
viele. 60 % Wahlbeteiligung sprechen eine deutliche
Sprache. Wir haben das von der RGB-Koalition
schon oft genug gehört. Für mich zeigt das aber ein
wenig, dass wir wahrscheinlich den Kontakt zum
Bürger verloren haben. Das ist ein Problem.
Torsten Albig hat uns eingeladen, mitzumachen,
auch wenn wir nicht Teil der Koalition sind. Ich
nehme diese Einladung sehr gern an. Daher möchte
ich heute über folgende Themen sprechen, welche
die Bürgerbeteiligung tangieren. Ein erstes Thema
heißt „Open Data“. Bei dem zweiten Thema handelt
es sich um die E-Petition. Das dritte Thema
klingt so ein bisschen abgefahren: „Überwindung
von Raum, Zeit und anderen Beschränkungen, die
die Bürger von den Ausschüssen abhalten“.

Ich fange mit Open Data an. Ich möchte gern, dass
der Bürger die Möglichkeit bekommt, so eine Art
Kleine Anfrage von zu Hause aus zu stellen. Ich
denke dabei an eine Frage wie die folgende: Wie
hoch sind eigentlich die Heizkosten von Liegenschaften
des Landes Schleswig-Holstein? Ich
möchte, dass diese Anfrage möglich ist, ohne dass
das Aufwand in der Verwaltung verursacht. Der
Bürger soll das bei sich zu Hause machen. Wie
kann das gehen? Das Land kann dem Bürger die Finanzrohdaten
zur Verfügung stellen. Der Bürger
kann dann mit diesen Daten arbeiten. Das Ganze
nennt sich Open Data; denn der Bürger kann dann
selber eine Auswertung vornehmen.

Ich nehme als Beispiel das Finanzministerium. Die
Finanzministerin ist leider nicht anwesend. Schade!
– Alle Buchungen im Finanzministerium werden,
wie mir gesagt wurde, in SAP durchgeführt. Das
heißt, dass sie elektronisch vorliegen. Man kann sie
also auch ins Internet stellen. Wir PIRATEN stehen
total auf so etwas. Dabei muss man natürlich den
Datenschutz beachten. Wenn darin personenbezogene
Daten enthalten sind, muss man es ein wenig
anonymisieren. Im Großen und Ganzen aber sollte
das möglich sein.

Sie werden jetzt sagen: Ein Großteil der Bürger
kann mit all diesen Finanzdaten nichts anfangen.
Da haben Sie wahrscheinlich recht, aber das macht
nichts. Es reicht, wenn ein kleiner Teil der Bürger
mit diesen Finanzdaten etwas anfangen kann. Denn
dieser Mensch ist möglicherweise in der Lage, diese
Finanzdaten so zu visualisieren, dass andere Bürger
– beispielsweise in einem Bürgerhaushalt – Einsparpotenziale
in dem Haushalt finden können. Dadurch
kann mehr Luft für sinnvolle Projekte geschaffen
werden, oder es können schneller Schulden
abgebaut werden.

(Beifall PIRATEN)

Es kann auch sein, dass diese Person das gleich alles
in einem Rutsch macht und mit einem Sparvorschlag
kommt, den noch niemand gesehen hat und
bei dem man sagt: Das ist eigentlich eine ziemlich
gute Idee. Wie gesagt, das Ganze nennt sich Open
Data. Es steht im Koalitionsvertrag. Dafür vielen
Dank. Ich finde das super.

Leider ist das nicht sehr konkret. Von daher würde
ich mich freuen, wenn Sie – vielleicht mit uns zusammen
– noch ein bisschen daran arbeiten würden.
Wir sind ja zum Zusammenarbeiten eingeladen.
Dann könnten wir es ein bisschen ausführen und
voranbringen. Dann müssten wir nicht nach fünf
Jahren sagen: Wir hatten es drin, aber irgendwie – –

Ich komme zu den Petitionen. Torsten Albig hat gesagt,
dass er die Bürger überzeugen möchte, dass
uns ihre Meinung wichtig ist. Im Koalitionsvertrag
steht, dass Petitionen beziehungsweise Bürgerbegehren
einfacher gemacht werden sollen. Es ist aber
immer von „Papierpetitionen“ die Rede. Nie ist von
einer Online-Petition die Rede.

Ein positives Beispiel für eine Online-Petition ist
auf Bundesebene das Begehren, zu überprüfen, ob
die Geschäftspraktiken der GEMA der Verfassung
entsprechen. Sie hat 106.000 Mitzeichner. Ich finde
es interessant, dass die Leute sich dafür interessieren.
Auch die Petition gegen Internetsperren – da
gibt 134.000 Mitzeichner – finde ich bemerkenswert.
186.000 Mitzeichner haben eine Petition gegen
erhöhte Pflichtbeiträge von Hebammen unterzeichnet,
die eine superteure Haftpflichtversicherung
bezahlen müssen. Immerhin 105.000 davon
haben das immerhin online gemacht.
Seit Neuestem bin ich der Vorsitzende des Petitionsausschusses.
Deswegen ist mir dieses Thema
auch eine Herzensangelegenheit. Ich möchte gern,
dass wir das voranbringen. Wenn man sich unser
Petitionsportal anschaut, sieht man, dass man eine
Petition online einreichen kann. Das ist schon einmal
gut. Man kann aber nicht online mitzeichnen.
Vor allem Einzelschicksale können im Petitionsausschuss
zur Sprache gebracht werden. Ich kann das
aber nicht mit so heißen Eisen, wie es der Weiterbau
der A 20 ist.

Ich möchte gern, dass man online in der Lage ist,
eine Petition einzureichen. Es muss nachvollziehbar
sein, wo diese Petition gerade steht, damit man sie
auch mitzeichnen kann. Außerdem sollte die Beratung
über eine Petition öffentlich sein, wenn der Petent
dem zustimmt.

(Beifall PIRATEN)

Ich komme zu meinem letzten Anliegen. Wir machen
das jetzt hier gerade schon live. Diese Ausschusssitzung
hier – – Nein, das ist keine Ausschusssitzung.
Diese Veranstaltung wird ins Internet
übertragen. Es gibt ein Live-Streaming. Darüber
möchte ich gern reden. Es geht um die Überwindung
von Raum, Zeit und Aufwand. Es gibt drei
Hemmnisse für die Bürger, sich an der Politik hier
zu beteiligen. Wie Sie sicherlich wissen, findet ein
großer Teil der Arbeit in den Ausschüssen statt.
Diese ist eine 1-a-Schaukampfbude, die viele Leute
hier gern nutzen, aber ich würde den Bürgern gern
auch die Ausschüsse näherbringen, in denen die eigentliche
Arbeit stattfindet.

Stellen wir uns mal vor: Ein Bürger aus Leck, der
gern mal sehen will, was in so einem Ausschuss
stattfindet. Wenn er mit dem ÖPNV nach Kiel zum
Landtag fahren möchte – ich habe einmal nachgesehen
-, benötigt er – das sind die schnellsten Verbindungen
– zwei Stunden und 45 Minuten. Das heißt
noch nicht, dass er dann zum richtigen Zeitpunkt
hier ist. Er muss noch warten.

Mit einer längeren Verbindung dauert es bis zu vier
Stunden. Das ist schon extrem. Mit dem Auto brauche
ich immer noch gut 1,5 Stunden von Leck nach
Kiel – je nach Fahrstil; das geht bestimmt auch
schneller.

Der Punkt ist: Ich muss Fahrzeit hin und Fahrzeit
zurück investieren, und ich muss Kosten für den
Transport investieren. Das ist ein erhebliches
Hemmnis, wenn ich einfach einmal in die Ausschussarbeit
reinschauen möchte. Das ist schon eine
richtige Reise.

Außerdem: die Zeit. Ausschusssitzungen finden üblicherweise
zu Zeiten statt, wo normale Leute arbeiten.
Da das hier ein Vollzeitparlament ist, ist das
okay, denn wir arbeiten quasi gerade, aber der Bürger
muss auch zu den Zeiten arbeiten. Das heißt, er
kann nicht kommen, wenn er Arbeit hat.

(Unruhe)

Nächstes Problem: die Freizeit. – Herr Harms, würden
Sie bitte zuhören? – Danke. – Nicht jeder Bürger
hat so viel Freizeit, dass er sich die Zeit einer
langen Ausschusssitzung um die Ohren schlagen
kann. Ich habe heute hier die Reden gehört: Ja, das
hätte man hier und da etwas kürzer fassen können.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN, CDU, SPD
und FDP)

– Danke.
Es wäre nicht schlecht, wenn man diese Zeit ein
bisschen komprimieren könnte, damit es nicht so
lange dauert herauszubekommen, was in den Ausschusssitzungen
gelaufen ist. Ziel muss also sein,
die Ausschüsse unabhängig von Ort und Zeit zu
machen und den Aufwand für die Bürgerinnen und
Bürger, sich zu beteiligen, zu senken.
Die Lösung – das klingt jetzt total einfach; das ist
ein sehr piratiger Vorschlag -: Wir verlagern den
Ort ins Internet. Wir übertragen die Ausschüsse live,
zumindest die öffentlichen Ausschüsse, die geheim
tagenden Ausschüsse natürlich nicht. Damit
können sich die Leute auch in Leck die Ausschüsse
angucken, ohne dass sie sich dazu vom Hocker bewegen
müssen. Das ist schon einmal nicht schlecht.

Was ist mit den Leuten in Leck, die arbeiten müssen,
wenn hier unsere Ausschüsse tagen? – Für die
können wir Aufzeichnungen im Internet bereitstellen.
Sie können sich das dann nach der Arbeit anhören.
Jetzt haben wir noch das Problem mit den Leuten,
die abends nur eine Stunde Zeit haben, weil sie
zwei Jobs, Familie und so weiter, also nicht so viel
Freizeit haben. Für diese Leute hätte ich gern so etwas
wie ein Wortprotokoll. Das muss jetzt nicht ein
stenografisches Wortprotokoll sein, das kann zum
Beispiel auch durch eine Texterkennungssoftware
passieren oder sonst irgendetwas, damit man einfach
in der Lage ist, das gesamt Protokoll und den
gesamten Ausschuss einmal nach bestimmten
Schlagworten zu durchsuchen und zu gucken, wann
eigentlich der Kram drankam, der mich interessiert
hat, und sich nicht die anderen zehn Teile auch mit
anhören muss.

(Unruhe)

So, das war der Teil mit dem Streaming.
Vielen Dank. Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine
Themen näherbringen. Das waren Open Data, die
E-Petition und das Überwinden von Raum, Zeit und
Aufwand.

(Beifall Piraten und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Vielen Dank, Herr Kollege. Wir haben heute schon
eine Menge über den neuen Umgang und die politische
Kultur miteinander gesprochen. Wir haben
auch vernommen, dass Sie uns gern ein paar neue
Dinge zum Lernen aufgeben wollen. Deshalb will
ich Ihnen von mir aus noch einmal die Information
geben: Diese „Veranstaltung“ hier ist die Landtagstagung
über die Regierungserklärung zu Beginn der
18. Wahlperiode. Diese „Schaukampfbühne“ – ich
möchte Sie bitten, mir ernsthaft zuzuhören -, wie
Sie es hier gerade genannt haben, ist das Plenum
des Schleswig-Holsteinischen Landtages. In der
Frühzeit der parlamentarischen Demokratie haben
manche Leute auch von einem „Hohen Haus“ gesprochen.
Ich möchte Sie bitten, diesem auch mit
entsprechender Wortwahl Respekt zu zollen. – Vielen
Dank.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Tanzverbot

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
betr. Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen
des Bundesverwaltungsgerichts, des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bayerischen
Verwaltungsgerichts, der Regierung von
Oberbayern und der Landeshauptstadt München
wegen der Untersagung einer Veranstaltung
am Karfreitag 2007

Bericht- und Beschlussempfehlung des Innen- und
Rechtsausschusses
Drucksache 18/16

Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Patrick
Breyer (PIRATEN)
Drucksache 18/21

Ich erteile erneut das Wort der Berichterstatterin
des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten
Barbara Ostmeier.

Barbara Ostmeier [CDU]:
Frau Präsidentin, ich möchte erneut auf die Vorlage
verweisen.

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. – Wortmeldungen
zum Bericht sehe ich nicht. Es gibt aber eine
Wortmeldung des Herrn Abgeordneten
Dr. Breyer, der – so ist mir mitgeteilt worden – sein
Abstimmungsverhalten begründen möchte. Ich erteile
ihm hierfür für drei Minuten das Wort.

Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]:

Frau Präsidentin! Herr Ministerpräsident! Verehrte
Damen und Herren! Ich möchte kurz erklären,
warum ich diese Ausschussempfehlung nicht mittragen
kann, und ein Thema beleuchten, das heute
ein bisschen durchzurutschen droht. Es geht darum,
dass der Bund für Geistesfreiheit in München eine
Veranstaltung durchführen wollte, um gegen das
Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen in
Bayern zu protestieren. Das sollte selbst eine Tanzveranstaltung
sein. Das ist ein Fall, der sich hier in
Schleswig-Holstein so nicht hätte ereignen können,
denn bei uns ist es durchaus erlaubt, Tanzveranstaltungen
auch an Karfreitagen durchzuführen, wenn
das die Religionsausübung nicht beeinträchtigt.

Wir PIRATEN wollen, wie es im Koalitionsvertrag
heißt, ein tolerantes und weltoffenes Schleswig-
Holstein. Deshalb meine ich, dass sich der Landtag
durchaus in dieses Verfahren einbringen sollte. Der
Lübecker Pastor Lutz Jedeck hat erfreulicherweise
erklärt, er selbst lehne Tanzen am Karfreitag zwar
ab, sei aber tolerant genug, es zu akzeptieren.
Heutzutage ist es eine Grundfrage des Zusammenlebens
zwischen verschiedenen Religionen und
Weltanschauungen, wie man das organisiert.

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Herr Kollege Dr. Breyer, es tut mir leid. Sie sind im
Vorfeld im intensiven Austausch mit dem Wissenschaftlichen
Dienst gewesen. Verabredet war, dass
Sie zu Ihrem Abstimmungsverhalten Stellung nehmen,
nicht zu ihrem Änderungsantrag. Dieses Verfahren
sieht unsere Geschäftsordnung nicht vor – jedenfalls,
soweit sie zurzeit besteht. Sie dürfen keine
Begründung für Ihren Änderungsantrag vortragen.
Der Ältestenrat hat sich zudem darauf verständigt,
diesen Tagesordnungspunkt im Plenum ohne Aussprache
zu behandeln. Es gab schon Irritationen
wegen möglicher weiterer Wortmeldungen, was ich
verstehe.

Ich weise Sie darauf hin, dass Sie noch etwas zu Ihrem
Abstimmungsverhalten sagen können, aber
nicht inhaltlich zu Ihrem Antrag. Ansonsten fahren
wir fort, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache
zu behandeln.

Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]:

Gern, Frau Präsidentin. – Der Grund dafür, aus dem
ich meinem Antrag zustimmen und die Ausschussempfehlung
ablehnen möchte, liegt darin,
dass der richtige Weg im Zusammenleben in
Schleswig-Holstein nicht sein kann, die religiösen
Überzeugungen einzelner Gruppen für alle zum
Zwang zu erheben. Das kann nicht funktionieren.
Deswegen bitte ich Sie, diesen von mir gestellten
Antrag zu bedenken.

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Vielen Dank. – Wie ich schon gesagt habe, es ist
keine Aussprache vorgesehen. Das ist im Ältestenrat
so besprochen worden.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag des
Herrn Abgeordneten Dr. Breyer – –

(Wortmeldung Abgeordneter Wolfgang Kubicki
[FDP])

– Herr Kollege, ich habe es doch gerade erklärt. Es
ist keine Aussprache vorgesehen.

(Zuruf von der CDU: Geschäftsordnungsantrag!
– Hans-Jörn Arp [CDU]: Zur Geschäftsordnung
kann immer geredet werden! –
Wolfgang Kubicki [FDP]: Zur Geschäftsordnung!)

– Entschuldigung, zur Geschäftsordnung. Selbstverständlich.

Wolfgang Kubicki [FDP]:

Frau Präsidentin, ich akzeptiere alle Regeln in diesem
Haus und auch Zusagen an die PIRATEN, die
noch neu und frisch in diesem Landtag sind. Aber
die Behauptung, dass uns das Thema durchrutsche,
ist deshalb falsch, weil sich der Innen- und Rechtsausschuss
mit diesem Thema heute sehr intensiv
beschäftigt hat. Das will ich nur klarstellen.
Ich verwahre mich als Parlamentarier gegen Folgendes:
Wir haben uns fast eine halbe Stunde mit
diesem Thema beschäftigt, und Herr Dr. Breyer,
der anwesend war, tut hier heute so, als rutsche uns
hier irgendetwas durch.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Das Angebot, das dem Abgeordneten Dr. Breyer
gemacht wurde, sich zu seinem Abstimmungsverhalten
zu äußern, habe ich erneuert und unterstrichen.
– Ihr Beitrag war ebenfalls kein Beitrag zur
Geschäftsordnung, sondern ein inhaltlicher. Ich verstehe
Ihr Anliegen – um das als Parlamentarierin zu
sagen -, aber in der Tat entspricht weder das eine
noch das andere unseren Gepflogenheiten. Wir sollten
uns darauf verständigen, uns an die Regeln, die
zumindest zurzeit noch gelten, zu halten. Das macht
es auch für das Präsidium leichter.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag des
Abgeordneten Dr. Breyer, Drucksache 18/21, abstimmen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den
bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Stimmen
von vier Mitgliedern der PIRATEN. Wer ist
gegen diesen Änderungsantrag? – Das sind die
Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, FDP und SSW. Wer enthält sich? – Das
ist ein Mitglied der Fraktion PIRATEN. Damit ist
der Änderungsantrag Drucksache 18/21 abgelehnt.

Der Ausschuss empfiehlt weiter, in dem Verfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht keine Stellungnahme
abzugeben. Wer der Ausschussempfehlung
folgen will und ihr zustimmt, den bitte ich um das
Handzeichen. – Das sind die Stimmen der Fraktionen
von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP
und der Abgeordneten des SSW sowie eines Mitglieds
der Fraktion PIRATEN. Wer möchte dieser
Ausschussempfehlung nicht folgen? – Das sind die
Stimmen der Fraktion CDU und mehrerer Mitglieder
der Fraktion PIRATEN. – Enthaltungen sehe ich
keine. Damit ist die Ausschussempfehlung mehrheitlich
angenommen.

Audioaufzeichnungen

Die Piratenreden zum Nachhören:

Wolfgang Dudda

Download MP3

Sven Krumbeck

Angelika Beer

Download MP3

Uli König incl. Ermahnung durch Landtagspräsidentin

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12 Kommentare

  • 1
    Kaboom
    13. Juni 2012 um 20:52 Uhr

    Alle Redebeiträge und der Stream der ganzen Landtagssitzung ist schon Online – das ging aber schnell, noch dazu praktisch ohne Mitarbeiterstab – Dank dafür.
    Da traut man sich ja gar nicht mehr zu erwähnen, dass es schön wäre, wenn man die Reden auch in Textform finden könnte – jetzt aber nicht gedrängt fühlen – ihr macht das wirklich toll, und zur Zeit liefert ihr 6 ja mehr Material an die Basis aus, als die restlichen 39 Landtagspiraten zusammen.

    Interessant bei den Aufzeichnung auch zu hören, wie hoch eigentlich die Lautstärke im Plenum so ist – da schwatzt ja gelegentlich alles durcheinander, noch dazu in einen recht kleinen Parlament. Die Videostreams des Redners liefern da ein völlig falsches Bild – durch die Richtmikrophone könnte man meinen die (oft nur wenigen) anwesenden Parlamentarier hörten den Rednern all andächtig zu – was anscheinend mitnichten so ist. Umso lächerlicher, wenn dann in einigen Parlamenten gegen Laptop-Einsatz mit so Scheinargumente wie Lüftergeräusch oder Tastaturklappern argumentiert wird.

    Da die Verständlichkeit des Redners, wegen des fehlenden Abgeordneten-Gebrabbels, beim offiziellen Videostream aber teils besser ist – gibt’s irgendwo auf der Landtagsseite auch Aufzeichnungen des Parla-TV, oder ist das ganze nur ein reiner Livestream? Ich habe auch die schnelle jedenfalls nichts gefunden – entweder blind, blöd oder gibt’s nicht.

    • 2
      David
      14. Juni 2012 um 00:13 Uhr

      Ich finde das super, als NRWler habe ich von eurer Parteiarbeit über dieses einfache Streaming schon mehr mitbekommen als über alles in NRW, wo nur die Reden in mieser Quali bei Youtube und ein Fraktionstreffen gestreamt wurden…Vielleicht kann man die in der Hinsicht ja mal beraten, finde eure Arbeit echt super! Vor allem den RSS und die einfache Verfügbarkeit aller Inhalte über die Fraktionspage

  • 3
    Jacky Neiwel
    13. Juni 2012 um 23:27 Uhr

    +1 für das fette Lob von Kaboom, ihr allein setzt genug Material frei, um den Tag vollzuplanen^^

    und wegen der Ermahnung keine Bange: Das selbe hab ich schon von ganz anderen Parlamentariern gehört-reicht also kaum fürn Skandal.

  • 4
    tanja pelkonen
    14. Juni 2012 um 00:39 Uhr

    „um den Tag vollzuplanen^^“…
    muss lachen, das geht mir auch so. und ich finds, sags gerne nochmal, phänomenal, dass ich als bürgerin am anderen ende von SH soo easy hier mit zuhören und mitdenken kann.
    echt klasse!
    keep up the good work 🙂

  • 5
    tanja pelkonen
    14. Juni 2012 um 00:40 Uhr

    ..meinte am andern ende von deutschland, sitze in bayern 🙂

    • 6
      Kaboom
      14. Juni 2012 um 02:04 Uhr

      Damit sind wir dann schon mal zu zweit, sitze ebenfalls in Bayern – quasi in Spuckreichweite zur Alpenrepublik (OK, zugegeben – 15km Entfernung, etwas Übung braucht’s dazu dann schon noch)

      • 7
        tanja pelkonen
        14. Juni 2012 um 02:38 Uhr

        bei mir sinds etwa 100 km, da bräuchts richtig viiel übung 😉

  • 8
    VVogonis
    14. Juni 2012 um 09:28 Uhr

    Am besten finde ich die Kommentare der Leute im Off des Mikros. Vielleicht einfach mal den Mund halten – speziell Herr Dudda – dann versteht man auch mehr. Oder ihr nehmt endlich mal ein paar Taler in die Hand und kauft vernünftige Micros. Die gehören mittlerweile nicht mehr zur Geheimausstattung des BND…. kann man frei kaufen und sollte doch drin sein.

    +1 für die ansonsten gute Info….
    – 5 für das Gequatsche von Dudda ( ja wie wissen das Uli klein ist, das Mikro braucht keinen Downgrade)

    • 9
      Kaboom
      14. Juni 2012 um 16:34 Uhr

      Am besten wäre, der Landtag würde einfach das eh schon vorhandene Signal aus der Mikrophonanlage streamen und als Aufzeichnung zur Verfügung stellen. Das ist ja gerade das Traurige daran – eigentlich ist alles Nötige bereits vorhanden, aber man macht nichts sinnvolles damit. Nun hat das Parlament in Schleswig-Holstein schon mal eine bessere Videostreaminganlage, als die aus dem Jungpaläolithikum stammende NRW-Pixelschleuder, aber abruf- und downloadbare Aufzeichnungen der Sitzungen gibt’s anscheinend nicht.
      Wer hat schon tagsüber Zeit sich 8-10stundenlange Sitzungen anzusehen – es ist doch einsehbar, dass Aufzeichnungen wahrscheinlich öfter genutzt werden als Livestreams. Eine Aufzeichnung kann man in sinnvolle Häppchen zerschneiden oder mit nur wenig Aufwand taggen, dann kann jeder im Schnelldurchlauf die Information daraus abgreifen, die er haben möchte. Der Landtag von Sachsen hat bzw. ein Videoarchiv mit einer sitzungsübergreifenden Suchmöglichkeiten nach Rednern, Fraktion, Themen – wenn die Suchanfragen nun funktionieren und die Aufzeichnungen nicht nur in irgendwelchen obsoleten proprietären Altformaten angeboten werden würden, wäre so was durchaus schon mal nutzbar.

  • 10
    Jacky Neiwel
    14. Juni 2012 um 16:32 Uhr

    Ich hatte bei euch im Stream mal mitgehört, dass ihr Hilfe von der Basis für das Einstellen der Mitschnitte habt?

    Könntet ihr vllt. noch außer euren eigenen Reden, vllt. die bedeutensten Reden der anderen Fraktionen einzelnd aufführen?(1 bis 3 sind schon n riesen Sprung nach vorn) Die Drei Leute, die sich hier die gesamten 6 Stunden anhören können, dürften eher die Ausnahme sein^^

    • 11
      Uli
      15. Juni 2012 um 18:14 Uhr

      Moin Jacky,

      es hat schon eine Ewigkeit gedauert diese Reden raus zu schneiden. Der Aufwand für das online stellen der Streams ist enorm und wir haben noch keine Mitarbeiter. Von daher muss ich dich leider vertrösten. Es wird aber ein quasi Wortprotokoll der Reden vom Landtag geben. Die Rohversion haben wir schon auf totem Baum bekommen. (siehe §72 Geschäftsordnung des Landtages)
      https://wiki.piratenpartei.de/SH:GOLT

      Viele Grüße

      Uli

      • 12
        Jacky Neiwel
        15. Juni 2012 um 22:13 Uhr

        Danke!

        Ja natürlich, von euch persönlich hätte ich das auch nie verlangt. Euer Job ist hart genug-dachte nur wenn eure Basis mal nicht weiß was sie machen soll, wär das ne gute piratige Idee. Ich hab nicht so den Plan vom Schneiden sonst würd ichs vllt. auch selbst tun und irgendwo hochladen.

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