Schleswig-Holsteins PIRATEN lehnen Abstimmungsverzicht ab

Pressemitteilung der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 24.05.2012:

Schleswig-Holsteins PIRATEN lehnen Abstimmungsverzicht ab

Die neu gewählte Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat den Abschluss eines sogenannten „Pairing-Abkommens“[1] abgelehnt.

Noch vor der konstiutierenden Sitzung des schleswig-holsteinischen Landtages ist der SSW auf die PIRATEN zugegangen, um diese als „Pairing-Partner“ für die nächste Legislaturperiode zu gewinnen. Es entspricht bisher – nicht nur in Schleswig-Holstein – parlamentarischer Praxis, dass Oppositions- und Koalitionsfraktionen eine Vereinbarung treffen, die die Regierungsmehrheit sicherstellt, auch wenn ein Abgeordneter der Koalitionsfraktionen nicht an Abstimmungen des Landtages teilnehmen kann. Dies wird dadurch erreicht, dass in diesem Fall ein Abgeordneter der Opposition der Abstimmung fern bleibt. In der letzten Legislaturperiode in Schleswig-Holstein haben die CDU mit den Grünen und die FDP mit der SPD eine solche Vereinbarung getroffen.

Wir Piraten haben am 21.05.2012 darüber beraten und ein Gespräch mit der Basis geführt. Als Ergebnis haben wir dem SSW mitgeteilt, dass wir aus folgenden Gründen einer Pairing-Vereinbarung nicht zustimmen:

  • Wir Piraten betreiben keine Totalopposition. Wir stimmen sachorientiert ab, egal ob eine Initiative von der Opposition oder der Koalition ausgeht.
  • Wir sind keine Mehrheitsbeschaffer.
  • Wir sind nach Artikel 11 der Landesverfassung bei unseren Entscheidungen nur unserem Gewissen verpflichtet.

„Das Pairingsverfahren ist ein Instrument herkömmlicher Machtstrukturen“, erklärt die Piratenabgeordnete Angelika Beer. „Wir haben das Votum unserer Wähler, eben diese Machtstrukturen aufzubrechen und nicht zu stabilisieren. Es handelt sich nicht um eine Entscheidung gegen den SSW, sondern machtpolitische Taktiererei widerspricht schlichtweg unserem Politikverständnis.“

„Nach unserer Vorstellung von Demokratie sollten sich parlamentarische Mehrheiten ohne Fraktionszwang aus der freien Überzeugung aller Volksvertreter bilden“, bekräftigt der Piratenabgeordnete Patrick Breyer. „Pairing-Abkommen zementieren die überkommenen Blockabstimmungen, die wir überwinden wollen. Wir sehen es als unseren Wählerauftrag an, auch zufällige Chancen wie die Verhinderung eines Koalitionsabgeordneten zu nutzen, um den Schleswig-Holsteinern zu dienen oder Schaden von ihnen abzuwenden.“

8 Kommentare

8 Kommentare

  • 1
    Dr.h.c.Kaboom
    24. Mai 2012 um 14:15 Uhr

    Ohne Fraktionszwang ist so ein Pairing-Abkommen auch nur schwer organisierbar – denn wer soll der Abstimmung fernbleiben – es stimmt ja nicht jeder identisch ab, einer aber muss auf seine Stimme verzichten. Solche ein Abstimmungsverzicht macht wirklich nur Sinn bei Fraktionen die die erzwungene Blockabstimmung zum Prinzip erhoben haben – von daher logisch, dass man das abgelehnt hat.

  • 2
    25. Mai 2012 um 07:31 Uhr

    Seid so lieb und schreibt nicht „Fraktionszwang“, sondern „Fraktionsdisziplin“. Zwischen beidem besteht nämlich ein ziemlich großer Unterschied. Fraktionszwang gibt es nicht in Deutschland, denn es gibt ja immer wieder Abgeordnete, die gegen die Fraktionslinie stimmen. Was es gibt, ist Fraktionsdisziplin, und die wird – das gebe ich zu – häufig auch mit Druck durchgesetzt.

    • 3
      Dr.h.c.Kaboom
      25. Mai 2012 um 13:36 Uhr

      Disziplin wäre in diesem Kontext ein freiwilliges Einordnen/Unterordnen; Zwang ein Ein-/Unterordnen aufgrund eines äußeren Drucks. Da du selbst zugibst , dass oft Druck im Spiel ist – ist Fraktionszwang auch genau der dafür passende Begriff.
      Ob man einem Zwang nachgibt, oder mit den den Konsequenzen des Nichtnachgebens leben kann, bleibt einem dennoch selbst überlassen.

      • 4
        26. Mai 2012 um 00:44 Uhr

        Das ist begrifflich nicht schlüssig. Wenn ich zu etwas gezwungen werde, habe ich selbst keinerlei Entscheidungsspielraum, ob ich dem Zwang folge oder nicht. Wenn ich diesen Entscheidungsspielraum aber habe, dann handelt es sich begrifflich um Druck, nicht Zwang.

  • 5
    25. Mai 2012 um 08:49 Uhr

    Hi! Dazu habe ich eine gegensätzliche Meinung. Wenn eine interfraktionelle Verabredung dazu führt, dass der Wählerwille immer gesichert ist, entspricht dies meinem Politikverständnis als Pirat. Durch Pairing wird verhindert, dass Zufälle eine politische Entscheidung beeinflussen können. Sollte ein SSW-Abgeordneter erkranken oder aus anderen Gründen nicht an einer Parlamentsabstimmung teilnehmen können, halte ich es für ein Gebot der Fairness, durch Pairing dennoch den Wählerwillen zu sichern. Der Wählerwille hat diese Mehrheiten im Landtag produziert. Es ist nicht die Aufgabe der Piratenfraktion, aus eventuellen Unpässlichkeiten anderer politisches Kapital zu schlagen. Das hat überhaupt nichts mit solchen Schlagworten wie „Mehrheitsbeschaffer“ zu tun; auch eine Äußerung wie „ein Instrument herkömmlicher Machtstrukturen“ sind abwegig. Ihr werdet euch noch selbst gewaltig ärgern, wenn jemand aus euren Reihen fehlt und eure Fraktion mit den Folgen dieser Entscheidung leben muss. Gruß aus NRW – Rainer

  • 6
    Klaus Ramelow
    25. Mai 2012 um 21:31 Uhr

    Rainer Henkel schrieb:
    dass der Wählerwille immer gesichert ist, entspricht dies meinem Politikverständnis als Pirat
    und nachfolgend:
    Ihr werdet euch noch selbst gewaltig ärgern, wenn jemand aus euren Reihen fehlt

    Welcher Wählerwille soll denn gesichert werden ?
    Warum sollten wir denn den Wählerwillen, aufgrund dessen Auftrag wir in den Landtag SH eingezogen sind, nun plötzlich geringer achten, als den Willen der Regierungs-Koalition ?
    Ist es nicht eben genau solche Verabredung zur Sicherung eines – somit unlegitimierten – Machtanspruches, dem wir entgegentreten müssen ?
    Somit gegen den ausdrücklichen Willen unsere Wähler zu stimmen, wäre zumindest als eine temporäre Bewußtseinsspaltung zu diagnostizieren.

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