Soziale Netzwerke im Schleswig-Holsteiner Landtag Eine empirische Betrachtung am Beispiel des Kurznachrichtendienstes Twitter

Die Twitterwall auf dem Fraktionsflur der #6Piraten kann auch Webseiten anzeigen.

Von Dr. Stefan Appelius

Es gab viel Wirbel im Schleswig-Holsteiner Landtag über das kürzlich von allen Fraktionen gegen den Widerstand der Piratenfraktion beschlossene Laptop-Verbot. In Kürze steht nun eine Debatte bevor, ob die Schleswig-Holsteiner Abgeordneten zukünftig im Plenum weiterhin Twittern dürfen, oder nicht. Grund genug, einmal genauer hinzusehen, welche Abgeordneten im Kieler Landtag sich bisher bei diesen Diensten angemeldet haben und was sich über ihre Online-Nutzungspräferenzen und ihre Reputation in der Netz-Community in Erfahrung bringen lässt. [1]

Bei den Recherchen für diesen Beitrag [2] wurde zunächst das bereits veröffentlichte Übersichtsmaterial im Twitter-Landesblog [3] betrachtet und anschließend einer Überprüfung an Hand der aktuellen Fraktionenlisten unterzogen. Dabei ergab sich, dass zwei Abgeordnete bisher in der Landesblog-Liste nicht aufgeführt waren. [4] Diese beiden Abgeordneten wurden in die vorliegende Auswertung einbezogen.

Zunächst wurde untersucht, wie hoch der Anteil der bei Twitter registrierten Abgeordneten in den jeweiligen Fraktionen ist. Dass die Piratenfraktion hier einen Spitzenplatz erobern konnte, ist wenig überraschend.

ÜS 1: Anteil der Twitter-nutzenden Abgeordneten nach Fraktionen

Landtag Schleswig-Holstein

1. Piraten 83,3 %

2. FDP 66,6 %

3. SPD 45,4 %

4. Grüne 30,0 %

5. CDU 9,1 %

6. SSW 0

Umso erstaunlicher hingegen der Umstand, das immerhin Zweidrittel der FDP-Fraktion und knapp die Hälfte der Mitglieder der SPD-Fraktion bei Twitter registriert sind. Die Grünen erreichen hier einen Wert von 30% und selbst die CDU-Fraktion hat zwei Abgeordnete, die sich beim Kurznachrichtendienst Twitter registrierten. Gar nichts „mit dem Internet am Hut“ hat lediglich der Südschleswigsche Wählerverband (SSW).

Womit wir zu der Frage kommen, wie intensiv der Kurznachrichtendienst Twitter von den dort registrierten Abgeordneten genutzt wird. Auch diese Übersicht wird von einem Mitglied der Piratenfraktion (MdL Torge Schmidt) angeführt.

ÜS 2: Die Top-Ten der Viel-Twitterer im LTSH (nach Tweets)

1. Torge Schmidt Piraten (10.370)

2. Rasmus Andresen Grüne (9.488)

3. Ralf Stegner SPD (9.050)

4. Wolfgang Dudda Piraten (7.967)

5. Sven Krumbeck Piraten (5.670)

6. Wolfgang Baasch SPD (2.501)

7. Uli König Piraten (1.908)

8. Lars Winter SPD (1.606)

9. Angelika Beer Piraten (810)

10. Martin Habersaat SPD (677)

In der „Top-Ten der Viel-Twitterer im LTSH“ finden sich neben den fünf bei Twitter registrierten Piraten-Abgeordneten und dem Grünen Viel-Twitterer Rasmus Andresen immerhin vier Abgeordnete aus der SPD-Fraktion, darunter deren Fraktionsvorsitzender Ralf Stegner. Ganz offenbar erfreut sich der Kurznachrichtendienst also nicht nur bei den Schleswig-Holsteiner Piratenabgeordneten einer messbaren Beliebtheit. Das ist umso bemerkenswerter, nachdem sich laut unbestätigten Informationen aus der SPD-Fraktion bisher erst knapp 30% der SPD-Mitglieder in Schleswig-Holstein per E-Mail erreichen lässt.

Doch damit ist noch nichts über die Qualität der auf diesem Wege entstandenen Beiträge beziehungsweise der Relevanz ihrer Verbreitung gesagt. Ich führe an dieser Stelle den Klout-Score über die Online-Reputation ein. [5] Der Klout-Score wertet die Aktivitäten einer Person in unterschiedlichen sozialen Netzwerken aus und bezieht dabei auch die Relevanz der mit der untersuchten Person virtuell verbundenen anderen Personen in der Netz-Community aus.

In dieser Untersuchung schneiden die bei Twitter registrierten Abgeordneten der Piratenfraktion mit einem Mittelwert von 53,4 Punkten mit weitem Abstand vor der SPD (35,9) und den Grünen (19) am besten ab. Dabei ist zu bemerken, dass eine spürbare Relevanz in der Netz-Community bei einem Wert oberhalb von 40 Punkten beginnt, der außer von den Piraten von keiner anderen Fraktion im Kieler Landtag erreicht wird.

ÜS 3: Klout-Score zur Online-Reputation nach Fraktionen

Landtag Schleswig-Holstein

1. Piraten 53,4

2. SPD 35,9

3. Grüne 19

4. FDP 17

5. CDU 12

6. SSW 0

Ein differenzierteres Bild ergibt die Klout-Score Top-Ten der bei Twitter registrierten Schleswig-Holsteiner Landtagsabgeordneten. Hier liegt der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner mit einem außergewöhnlich hohen Wert von 76 Punkten mit weitem Abstand vor dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Piratenfraktion, MdL Torge Schmidt (60 Punkte) auf Platz 1. Noch deutlicher fällt die Differenz bei den Follower-Zahlen auf. Immerhin über 12.500 Personen folgen dem SPD-Abgeordneten, das sind 10.000 Personen mehr, als dem @torgator.

ÜS 4: Klout-Score Top-Ten MdL LTSH

1. Ralf Stegner (SPD) 76

2. Torge Schmidt (Piraten) 60

3. Rasmus Andresen (Grüne) 57

4. Wolfgang Dudda (Piraten) 56

5. Uli König (Piraten) 54

6. Angelika Beer (Piraten) 53

7. Martin Habersaat (SPD) 51

8. Sven Krumbeck (Piraten) 44

9. Wolfgang Baasch (SPD) 41

10. Jürgen Weber (SPD) 38

10. Christopher Vogt (FDP) 38

Auch beim Klout-Score haben sich alle fünf bei Twitter registrierten Abgeordneten der Piratenpartei in der Gruppe der Top-Ten platziert. Wie schwach das Ansehen der Schleswig-Holsteiner Abgeordneten in der Netz-Community sein muss, lässt sich auch daran ersehen, dass es mit Jürgen Weber (SPD) und Christopher Vogt (FDP) sogar zwei Abgeordnete mit einem unterhalb 40 Punkten liegenden Wert geschafft haben.

Woraus sich automatisch die Frage ergibt, wie intensiv sich die Mehrzahl der bei Twitter registrierten Kieler Landtagsabgeordneten bislang mit den Möglichkeiten der Online-Kommunikation auseinandergesetzt haben. Hier ergibt sich ein sehr ernüchterndes Bild, wenn man zunächst die Anzahl der Tweets betrachtet. Ganz offenbar haben viele Parlamentarier das Instrument häufig in Wahlkampfzeiten in Betrieb genommen, sich darin jedoch nicht zurecht gefunden. Dazu die folgende Übersicht:

ÜS 5: Die Top-Ten der Wenig-Twitterer im LTSH (nach Tweets)

1. Marret Bohn (Grüne) 0

1. Rainer Wiegard (CDU) 0

3. Torsten Albig (SPD) 1

3. Peter Eichstädt (SPD) 1

5. Andreas Tietze (Grüne) 3

6. Anita Klahn (FDP) 16

7. Oliver Kumbartzky (FDP) 18

8. Simone Lange (SPD) 102

9. Axel Bernstein (CDU) 135

10. Heiner Garg (FDP) 238

Wie wenig das Interesse an einer Mitwirkung in dem sozialen Netzwerk bei vielen Politikern der etablierten Parteien ausgeprägt ist, lässt sich beispielsweise an Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) illustrieren, der genau ein Jahr nach seiner Registrierung schließlich im März 2012 seinen ersten Tweet absetzte. Es blieb, bis heute, der einzige. Nicht viel mehr Interesse an der Netz-Community zeigt auch der Grüne Kieler Oberbürgermeisterkandidat Andreas Tietze, der seinen letzten Tweet im Mai 2010 in die Welt setzte.

Noch weniger Verständnis für die Diskussionskultur im Internet bewies nur Heiner Garg (FDP), der im Plenum des Landesparlaments vor allem durch sein schwungvolles Klatschen zu den Plenums-Reden seines Fraktions-Chefs Kubicki auffällt. Der Ex-Minister mit seinen immerhin 91 Followern folgt seinerseits niemand auf Twitter. Diskussion? Meinungsaustausch? Fehlanzeige.

[1] Die hier verwendeten Daten wurden am 11. Oktober 2012 erhoben.

[2] Die Auswertung der Daten erfolgte durch N.N., dem ich auf diesem Wege (…).

[3] http://twitter.com/landesblog/mdl-sh

[4] Hinzu kamen: Anita Klahn (FDP) und Rainer Wiegard (CDU)

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Klout

7 Kommentare

7 Kommentare

  • 1
    Jacky Neiwel
    12. Oktober 2012 um 21:42 Uhr

    Kleine Anfrage@Piratenfraktion bzgl. Transparenz:Wie lange hat das Erstellen dieses Blogeintrages incl. Recherchen ungefähr gedauert?

    • 2
      Likedeel
      17. Oktober 2012 um 08:48 Uhr

      Hallo Jacky,

      diese „Fingerübung“ hat unser Pressesprecher an einem Vormittag mit unserem Praktikanten erledigt.

      • 3
        Jacky Neiwel
        17. Oktober 2012 um 18:40 Uhr

        okay, das klingt einigermaßen schnell und hinnehmbar, Danke

  • 4
    Farm
    13. Oktober 2012 um 05:51 Uhr

    Wow eine Statistik die rein garnix aussagt, wenn man uralt-tweets reinnimmt und privates und …
    Ich mein wen interessieren schon Ralles morgendliche Songtipps?

    Wie wäre es mehr Pressearbeit in wichtige Bereiche zu stecken und die Fraktion voranzubringen?

    • 5
      Likedeel
      17. Oktober 2012 um 08:55 Uhr

      Hallo Farm,

      für uns hatte diese Statistik schon einige Erkenntnisse, die wir nutzen können und da derzeit parlamentarische Ferien sind ergab sich durch eine Arbeit an einem Vormittag die Gelegenheit die Erstellung und Herangehensweise einer solchen Arbeit einmal exemplarisch unserem Praktikanten zu erklären. Es ist also eine“ Fingerübung“ – mehr nicht.

      Zu deinem Kritikpunkt, wir sollten mehr Pressearbeit in wichtigen Themen machen, finde ich persönlich etwas undifferenziert. Wenn dich allerdings konkret etwas an der Qualität der anderen Meldungen stört, teile uns das doch bitte mit – wir nehmen konstruktive Kritik immer gern entgegen.

      Lg
      Likedeel

  • 6
    J.
    28. Oktober 2012 um 03:34 Uhr

    Für mich steht Twitter-Nutzung unter datenschutzbewussten Leuten(?) eher als Zeichen für unkritisches Dabeiseinwollen und Unkenntnis, um nicht zu sagen Unglaubwürdigkeit. Auszug aus c’t 7/2012, „Selbstbedienungsladen Smartphone“:

    „… Darüber hinaus fand sich eine große Zahl von Networking-Apps, die zwar erst dann aktiv wurden, wenn der Anwender ‚Freunde finden‘ wollte. Allerdings konnte er in vielen Fällen höchstens ahnen, dass da Daten an den Hersteller übermittelt wurden. Die Reaktionen der Betroffenen zeigen deutlich, dass die Mehrzahl davon ausgegangen war, der Abgleich gehe lokal auf ihrem Smartphone vonstatten. Kein Wunder, denn eine Beschreibung wie ‚Durchsuche deine Kontakte nach Leuten, die du auf Twitter bereits kennst‘ provoziert dieses Missverständnis geradezu. Erst recht empört waren viele, dass es dabei keineswegs nur um einen einmaligen Abgleich ging. Twitter gab auf Nachfrage der LA Times zu, dass man zumindest die übertragenen E-Mail-Adressen und Telefonnummern bis zu anderthalb Jahren speichere. Wohl gemerkt: Es geht nicht nur um die Daten der Twitter-Nutzer, sondern um alle Personen, die sich in deren Adressbüchern befinden. Das sind angesichts der über 200 Mio. registrierten Anwender nicht nur riesige Datenmengen, durch die vielen prominenten Twitter-User dürfte sich auch das ein oder andere Daten-Juwel finden. Kein Wunder, dass sich Twitter eher widerwillig von diesen Daten trennt. Zwar kann der Anwender sie explizit löschen lassen. Doch ausgerechnet als diese nicht ganz einfach zu findende Option auf vielen Websites prominent verlinkt wurde, lieferte sie über Tage hinweg nur eine Fehlermeldung, dass der Vorgang derzeit leider nicht möglich sei, man möge es später erneut probieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Mittlerweile meldet das „entfernen“ auf https://twitter.com/#!/who_to_follow/import zwar, dass die Kontakte „erfolgreich entfernt“ wurden – aber das geschieht derart schnell, dass man sich schon wieder fragt, was das wohl konkret heißen mag. …“