Geldregen der Justiz beschäftigt den Landtag

„Millionen im Namen des Volkes“ oder „Mäzene in Roben“: Seit Jahren wird darüber gestritten, ob die freihändige Zuweisung von Geldauflagen aus Strafverfahren durch Richter und Staatsanwälte an gemeinnützige Organisationen noch zeitgemäß ist. Kritiker bemängeln, das System schließe die Möglichkeit einer einseitigen Bevorzugung einzelner Organisationen und eine Auswahl nach persönlichen Vorlieben oder Interessen der Entscheider nicht aus (z.B. bestimmter Kindergärten oder Sportvereine).

In Schleswig-Holstein verteilten Richter und Staatsanwälte im vergangenen Jahr über 2,5 Millionen Euro. Inzwischen prüft der Landesrechnungshof die Praxis, nachdem zwei Gerichte trotz Anweisung jahrelang nicht aufgezeichnet haben, wer Gelder erhalten hat.

Morgen debattiert nun der schleswig-holsteinische Landtag eine Initiative der PIRATEN zur Reform der Bußgeldverteilung, die für Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit sorgen soll: Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen künftig nur noch den gemeinnützigen Zweck festlegen können, für den zu zahlen ist, beispielsweise Opferschutz oder Kinderhilfe. Die konkrete Auszahlung soll über Sammelfonds erfolgen, die von einem mehrköpfigen Gremium verwaltet werden.

„Zum Schutz des öffentlichen Vertrauens in die Justiz muss jeder Anschein verhindert werden, dass Richter oder Staatsanwälte bei der Zuweisung von Geldauflagen private oder familiäre Interessen verfolgen könnten. Wir dürfen nicht – wie in Hamburg oder Nordrhein-Westfalen – erst einen Justizskandal abwarten, bis ausreichende Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden“, begründet der Vorsitzende der Piratenfraktion und Jurist Dr. Patrick Breyer die Reforminitiative. „Mit ihrer Vogel-Strauß-Haltung riskieren die Justizminister eine Beschädigung des Ansehens der Justiz – das halte ich für unverantwortlich. Sowohl der Justiz als auch den Empfängern wäre mit Sammelfonds besser gedient als mit disparaten Einzelzuweisungen.“

Hintergrund: In Schleswig-Holstein dürfen bisher auch Organisationen bedacht werden, die nicht auf einer vom Oberlandesgericht geführten Liste geprüfter Organisationen aufgeführt sind. Die Verwendung der Mittel durch Empfängerorganisationen wird nicht verpflichtend kontrolliert, auch muss die Gemeinnützigkeit von Empfängerorganisationen nicht vom Finanzamt anerkannt sein. In der Vergangenheit haben in anderen Bundesländern vereinzelt Zuweisungen für Aufsehen gesorgt, etwa an ‚Eisenbahnfreunde‘, ‚Trinkkegelcousins‘, Karnevalsvereine oder an Einrichtungen, mit denen die zuständigen Justizbediensteten oder ihre Angehörigen persönlich verbunden waren (z.B. die von der Tochter einer Staatsanwältin besuchte Privatuniversität). Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof kritisierte die Regelung der Geldauflagenverteilung bereits 2004 als verfassungswidrig, doch Richterverbände und Justizminister halten bis heute daran fest.

Praxis in Schleswig-Holstein
www.piratenfraktion-sh.de/wp-content/uploads/2016/12/drucksache-18-4695.pdf

Reforminitiative der PIRATEN
www.piratenfraktion-sh.de/wp-content/uploads/2016/12/drucksache-18-48231.pdf

Justizgelder-Datenbank von correctiv.org spendengerichte.correctiv.org/

Bild: Thorben Wengert / pixelio.de

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