EU-Vertragsverletzungsbeschwerde wegen Fracking geplant

Eine Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums empfiehlt den zuständigen Behörden, vor einer Genehmigung der Verpressung giftiger Substanzen zur Erdgasförderung („Fracking“) in jedem Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Das Bergrecht fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Einsatz des Verfahrens jedoch im Regelfall nicht, insbesondere im Fall von Probebohrungen. Dies verstößt gegen die EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung.

Da die schwarz-gelbe Bundesregierung, insbesondere das vom FDP-Vorsitzenden Rösler geführte Bundeswirtschaftsministerium, eine Änderung des Bergrechts verweigert, bereiten wir PIRATEN nun eine Beschwerde an die EU-Kommission vor. Der folgende Entwurf kann im Pad bearbeitet und kommentiert werden:

BESCHWERDE AN DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN WEGEN NICHTBEACHTUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS

1.         Name und Vorname des Beschwerdeführers:

Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag

2.         Gegebenenfalls vertreten durch:

den Fraktionsvorsitzenden

3.         Staatsangehörigkeit:

4.         Anschrift oder Geschäftssitz2:

Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel

5.         Telefon/Fax/E-Mail:

6.         Tätigkeitsbereich und -ort(e):

7.         Mitgliedstaat oder öffentliche Einrichtung, die nach Ansicht des Beschwerde­führers das Gemeinschaftsrecht nicht beachtet hat:

Bundesrepublik Deutschland

8.         Möglichst genaue Darstellung des Beschwerdegegenstands:

a) Für oberirdische Anlagen zur Gewinnung von Erdgas (Anhang II Nr. 2 Buchst. e UVP-RL 2011/92/EU) sieht die UVP-V Bergbau unterhalb des Schwellenwertes der obligatorischen UVP-Pflicht generell keine UVP-Pflicht vor. Damit sind alle Projekte dieser Art von Anlagen des Anhangs II UVP-Richtlinie generell von einer UVP-Pflicht ausgeschlossen. Auch eine Einzelfallprüfung ist nicht vorgesehen. Damit liegt ein klarer Verstoß gegen die UVP-Richtlinie vor.

b) Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Mitgliedstaaten ihren Ermessensspielraum bei der Bestimmung der UVP-pflichtigen Vorhaben (Art. 4 Abs. 2 UVP-Richtlinie 2011/92/EU) überschreiten, wenn sie für bestimmte Projektklassen gemäß Anhang II der Richtlinie Schwellenwerte festsetzen, die nur die Größe der Projekte, nicht aber ihre Art und ihren Standort berücksichtigen. Vielmehr müssen sie der Art oder dem Standort der Projekte Rechnung tragen, beispielsweise durch Festsetzung mehrerer Schwellenwerte für verschiedene Projektgrößen, die je nach Art oder Standort des Projektes anwendbar wären (EuGH, Urteil vom 21.09.1999, Rs. C-392/96, Slg. 1999, I-5929, 5951 f., Rn. 65, 70 und 72 (Kommission / Irland); Urteil vom 20.11.2008, Rs. C-66/06, Kommission / Irland, Rn. 64; Urteil vom 15.10.2009, Rs. C-255/08, Kommission / Niederlande, Rn. 32 bis 39).

Tiefbohrungen sind nach der UVP-V Bergbau nur UVP-pflichtig, wenn sie zur Gewinnung von Erdwärme ab 1 000 m Tiefe in ausgewiesenen Schutzgebieten dienen (§ 1 Nr. 8 UVP-V Bergbau). Diese Kriterien beziehen sich zwar nicht nur auf die Größe, sondern auch auf Art (Erdwärmegewinnungsbohrung) und Standort (Schutzgebiete) des Projektes (Art. 2 Abs. 1, Anhang III Nr. 2 UVP-Richtlinie 2011/92/EG), allerdings fehlt es an einer Differenzierung für verschiedene Projektgrößen und an einer Öffnung der Schwellenwerte für die Berücksichtigung sonstiger Merkmale des Projektes in einer UVP-Vorprüfung im Einzelfall. Insbesondere Größe (Anhang III Nr. 1 Buchst. a UVP-RL, Abfallerzeugung (Anhang III Nr. 1 Buchst. d UVP-RL), Umweltverschmutzung und Belästigungen (Anhang III Nr. 1 Buchst. e UVP-RL) und das Unfallrisiko mit Blick auf verwendete Stoffe und Technologien (Anhang III Nr. 1 Buchst. f UVP-RL) und die Merkmale der potenziellen Auswirkungen (Anhang III Nr. 3 UVP-RL) sind weder in der UVP-V Bergbau berücksichtigt noch können sie im Rahmen einer UVP-Vorprüfung im Einzelfall berücksichtigt werden, da eine solche nicht vorgesehen ist.

c) Die geltende Regelung der UVP-V Bergbau gilt nur für Erdwärmebohrungen, nicht aber für Kohlenwasserstoffbohrungen. Damit verstößt die UVP-V Bergbau gegen die Anforderungen an die Berücksichtigung der Auswahlkriterien des Anhangs III UVP-Richtlinie. Auch die EU-Kommission geht davon aus, dass sowohl die Aufsuchung als auch die Gewinnung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe als Vorhaben nach Anhang II Buchst. d und e UVP-RL einer UVP-Vorprüfung bedürfen und nach Maßgabe des Vorsichts- und Vorsorgeprinzips eine UVP erfordern, wenn nicht auf Basis objektiver Informationen ausgeschlossen werden kann, dass das Projekt erhebliche Umweltauswirkungen haben (EU-Kommission, Guidance Note on the application of Directive 85/337/EEC to projects related to the exploration and exploitation of unconventional hydrocarbon vom 12.12.2011, Nr. 3).

9.         Möglichst genaue Angabe der Bestimmung(en) des Gemeinschaftsrechts an (Verträge, Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen usw.), gegen die der Mitgliedstaat nach Ansicht des Beschwerdeführers verstoßen hat:

Anhang II Nr. 2 Buchst. e UVP-RL 2011/92/EU und Art. 4 Abs. 2 UVP-Richtlinie 2011/92/EU sind nicht ordnungsgemäß umgesetzt

10.         Geben Sie gegebenenfalls (möglichst mit Angabe der Referenzen) an, ob der betreffende Mitgliedstaat im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand eine finanzielle Unterstützung der Gemeinschaft erhalten hat oder erhalten könnte:

nicht bekannt

11.         Etwaige bereits unternommene Schritte bei den Kommissionsdienststellen (fügen Sie bitte nach Möglichkeit eine Kopie des Schriftwechsels bei):

keine

12.         Etwaige bereits unternommene Schritte bei den anderen Organen oder EinrichtungenderGemeinschaft (z. B. beim Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments, beim Europäischen Bürgerbeauftragten). Geben Sie möglichst das Aktenzeichen an, mit dem Ihr Vorgang versehen wurde:

keine

13.         Bereits unternommene Schritte bei den einzelstaatlichen Behörden – auf zentraler, regionaler oder lokaler Ebene – (fügen Sie nach Möglichkeit eine Kopie des Schriftwechsels bei):

13.1.         Administrative Schritte (z. B. Beschwerde bei der zuständigen einzel­staatlichen Verwaltungsbehörde – auf zentraler, regionaler oder lokaler Ebene – und/oder beim Bürgerbeauftragten des Landes oder der Region):

keine

13.2.         Schritte bei den Gerichten und ähnlichen Einrichtungen (z. B. Schieds­gericht oder Schlichtungsstelle). (Geben Sie bitte an, ob bereits eine Entscheidung oder ein Schiedsspruch ergangen ist, und fügen Sie den Wortlaut der Entscheidung oder des Schiedsspruchs gegebenenfalls als Anlage bei):

keine

14.         Geben Sie etwaige Belege und Beweismittel an, auf die Sie Ihre Beschwerde stützen können, einschließlich der betreffenden innerstaatlichen Rechts­vorschriften (fügen Sie die Beweismittel gegebenenfalls als Anlage bei):

UVP-V Bergbau (siehe oben)

Wir PIRATEN lehnen den Einsatz umweltschädlichen Frackings generell ab. Da fraglich ist, ob das geltende Recht die Ablehnung entsprechender Anträge rechtssicher ermöglicht, setzen wir uns bis zu einer Änderung dafür ein, dass vor der Entscheidung zumindest eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der betroffenen Bürger erfolgt. Österreich fordert eine solche Prüfung bereits, seither sind dort keine Anträge auf Fracking mehr gestellt worden.

In Schleswig-Holstein sind aktuell mehrere Anträge auf Genehmigung der Aufsuchung von Erdgasvorkommen anhängig. Ob die zur Exploration erforderlichen Probebohrungen unter Verwendung der Fracking-Technologie erfolgen sollen, ist unbekannt. Die nordrhein-westfälischen Behörden erteilen Genehmigungen nur, wenn die Firmen zusichern, dass kein Fracking zum Einsatz kommt. Dass Schleswig-Holstein eine solche Zusicherung forderte, ist bisher nicht bekannt. Zuständig ist Umweltminister Robert Habeck (Grüne). Ihm liegt aktuell eine parlamentarische Anfrage von uns vor.

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