Patrick Breyer: Handy-Ortung in Schleswig-Holstein

Die Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat eine große Anfrage zur Ortung von Bürgern durch nicht-individualisierte Funkzellenabfragen an die Landesregierung gerichtet. Dazu erklärt der Piratenabgeordnete Dr. Patrick Breyer: „Unsere erste große Anfrage betrifft die umstrittene polizeiliche Praxis, massenhaft Handynutzer im Umkreis von Tatorten abzufragen. Von solchen Massenauswertungen sind fast ausschließlich Unschuldige betroffen, die sich zufällig am falschen Ort aufgehalten haben und sich unter Umständen dafür rechtfertigen müssen.“

 

„Nachdem aus Sachsen und Berlin die millionenfache Ortung von Handynutzern – selbst von Teilnehmern an einer Demonstration gegen Neonazis in Dresden – bekannt geworden ist,[1] wollen wir die schleswig-holsteinische Praxis der umstrittenen Massenauswertung in den Jahren seit 2009 beleuchten und haben dazu 22 Fragen zu Ausmaß, Kosten, Nutzen und Folgen dieses Instruments an die Landesregierung gerichtet. Wie bei den Piraten üblich, sind die Fragen in einem öffentlich zugänglichen Piratenpad durch interessierte Bürger gemeinsam formuliert worden,“[2] erklärt MdL Breyer.

 

„Massenabfragen von Handynutzern sind nur möglich, weil die Netzbetreiber rechtswidrig bei jeder Verbindung die Funkzelle protokollieren, in der die Nutzer sich aufhalten (e-plus: 80 Tage Speicherung, Telefonica/o2: 182 Tage, Telekom: 30 Tage, Vodafone: 210 Tage)“,[3] sagt Breyer. „Der Bundesdatenschutzbeauftragte und die Bundesnetzagentur haben inzwischen endlich klargestellt, dass eine solche Standortprotokollierung allenfalls bei standortabhängigen Tarifen (z.B. ‚Homezone‘) oder im Fall von Roaming zulässig ist.[4] Nun müssen die Aufsichtsbehörden dies auch endlich durchsetzen, um Handynutzer wirksam vor falschem Verdacht zu schützen. Nur nicht gespeicherte Daten sind sichere Daten.“

 

Hintergrund: 2005 erhielt der Schleswig-Holsteinische Generalstaatsanwalt einen „Big Brother Award“ für die Abfrage sämtlicher Handynutzer in Bad Segeberg im Zuge von Ermittlungen wegen Brandstiftung.[5] Hunderte Handynutzer, darunter angereiste Journalisten, wurden erfasst und polizeilich befragt. Dass dieser „Schuss ins Blaue“ die Ermittlungen weiter geführt hätte, ist nicht bekannt. Nachträglich stellte der Generalstaatsanwalt fest, die flächendeckende Vernehmung sämtlicher Handynutzer im Umkreis eines Tatorts sei „in aller Regel unzulässig“.[6] 2011 kam die problematische Massen-Handyabfrage in Schleswig-Holstein schon 248mal, also durchschnittlich alle zwei Tage, zum Einsatz.[7] 

 

Die große Anfrage der schleswig-holsteinischen Piratenfraktion im Wortlaut:

 

[7] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/2200/drucksache-17-2202.pdf

Patrick Breyer

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