Piratenfraktion: „Die Rote Linie ist überschritten“

Zu den Vorgängen der jüngsten Vergangenheit erklären die Abgeordneten der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag:

Nachdem Dr. Ralf Stegner unseren Abgeordneten Dr. Patrick Breyer schon im vergangenen Jahr vom Präsidium unbeanstandet als „Schande des Hauses“ bezeichnet hatte, mussten wir Abgeordneten der PIRATEN im Schleswig-Holsteinischen Landtag diese Woche folgendes zur Kenntnis nehmen:

Am Mittwoch wurde sachliche Kritik von Herrn Dr. Breyer an der Wahl zum Landesverfassungsgericht ohne öffentliche Stellenausschreibung vom Landtagspräsidenten mehrfach unterbrochen und schließlich durch Wortentziehung unterbunden.

Am Donnerstag erklärte Wolfgang Kubicki vor dem Präsidium unbeanstandet: „Alles was Sie tun, das erinnert mich jetzt unheimlich an die AfD-Strategie – Parlament und Alt-Parteien schlecht zu reden und zu sagen, warum es die Alternative braucht. Sie unterscheiden sich in keinem Punkt.“ (Applaus.) „Herr Dr. Breyer, bei aller Liebe – ich frage mich immer wieder, wer Sie eigentlich zum Richter gemacht hat.“

Dr. Ralf Stegner erklärte vor dem Präsidium unbeanstandet und gefolgt von Applaus: „…dieses wird am 7. Mai eine richtige Antwort finden. Aber ich weiß gar nicht, ob wir so froh darüber sein können, dass Sie hier ausscheiden. Weil ich bedaure die Menschen, die vor Ihnen stehen, wenn Sie wieder Richter werden. Ich wünsche denen immer gute Anwälte.“

Ferner bezeichnete Dr. Ralf Stegner unbeanstandet Dr. Patrick Breyer als „gespaltene Persönlichkeit“, verglich die Piratenfraktion mit Rechtspopulisten, die „wir sind das Volk brüllen“, und erklärte zu Herrn Dr. Breyer: „Ich glaube, dass Sie in Teilen autistische Züge haben mit dem was Sie hier vortragen“. Die letztere Aussage wurde vom Präsidium nicht beanstandet. Dr. Stegner erklärte später sein Bedauern.

Die Rote Linie ist überschritten. Persönliche Angriffe unterhalb der Gürtellinie statt Auseinandersetzung in der Sache beantworten wir konsequent.

Es ist Wahlkampf und damit wird der Ton rauer. Das gehört zum gelebten Parlamentarismus dazu und wird von uns nicht beanstandet. Was in dieser Woche im Landtag in Schleswig-Holstein aber an politischen und persönlichen Diffamierungen gegen die Fraktion der Piraten passiert, ist beispiellos und undemokratisch. Es wirft die Frage auf, ob sich die Rednerinnen und Redner der anderen Parteien – hier insbesondere Wolfgang Kubicki und Dr. Ralf Stegner – weiter eine Hetzkampagne erlauben dürfen, ohne dass das Präsidium eingreift – und ohne, dass aus den Reihen der anderen Fraktionsmitglieder eine offene Distanzierung erfolgt.

Wir erwarten, dass sich die anderen Fraktionen zurückbesinnen auf die Aufgaben der parlamentarischen Arbeit sowie auf die Fairness unter demokratischen Parteien. Die Freiheit und demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, für die wir streiten, verbieten uns, mit gleichen Mitteln zur verbalen Gegen-Schlammschlacht zu greifen.

Wir haben viele Initiativen angestoßen und werden diese konstruktive, sachorientierte Aufgabe im Rahmen unseres Mandates und Wählerauftrages fortführen.

Wir wissen, dass es gerade während des Wahlkampfes schwierig ist, die Unterstützung anderer Fraktionen im Parlament zu gewinnen, aber wir halten uns an den Grundsatz „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Wir akzeptieren nicht, dass uns vorgeworfen wird, wir wären Nazis, vergleichbar mit der AfD oder autistisch.

Wer aktuelle demoskopische Ergebnisse zur Begründung seiner parlamentarischen Arroganz anführt, zeigt damit, dass ihm der Wählerwille von 2012 völlig gleichgültig ist. Die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages sind gewählt bis zum Ende der Legislaturperiode. Die Würde des Hauses konkretisiert sich im individuellen persönlichen Respekt jedem einzelnen Abgeordnetem gegenüber, als Vertreter des Souveräns.

Die anderen Fraktionen müssen sich fragen, auf welchem hohen Stuhl sie sitzen, dass sie vor demokratischen Anträgen von uns Piraten Angst haben. Konstruktive, auch penetrante oder überzogene Kritik in der Sache an der gegenwärtigen Ausgestaltung und Funktionsweise des politischen Systems ist legitimer Teil der demokratischen Auseinandersetzung. Wir sind und bleiben – sowohl inner- als auch außerparlamentarisch – eine provokant-kritische demokratische Kraft.

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9 Kommentare

  • 1
    Anonymous
    24. Februar 2017 um 13:32 Uhr

    Unmöglich!
    Wer kann denn ernsthaft die Herren Kubicki und Co wählen , die sich mit ihren Äußerungen dermaßen ins Aus schießen? – Nur Ahnungslose oder Ignoranten!
    Übrigens – bei diesem „Cocktail an menschlichen Qualitäten“ – ist denn da Postenschieberei so abwegig?
    Wie soll man Politikern vertrauen und sie respektieren , die mit ihren politischen Gegnern derart umgehen? Tut mit leid – geht gar nicht!

  • 2
    Anonymous
    24. Februar 2017 um 14:53 Uhr

    In der Tat bringen die Herren Stegner und Kubicki darüber hinaus gerade den Wählern der Piraten nicht den geringsten Respekt entgegen. Genau mit dem Job wurden sie unter anderem ursprünglich vom Wähler beauftragt.
    Und daher heißt es für mich am 7. Mai unabhängig jeder Wahlprognose: Piraten!

  • 3
    Anonymous
    24. Februar 2017 um 18:45 Uhr

    Stegner ist doch der Steigbügelhalter von Trump. Seine Doktorarbeit war die Grundlage für Trumps Wahlkampf. Nur ein narzistischer Egomane wie Stegner kann Autismus, also im Klartext, eine auf Interesse an der Sache begründete, streng logische Denkweise, als etwas Schlechtes im politischen Alltag bezeichnen.

  • 4
    Barbara Müller
    25. Februar 2017 um 10:48 Uhr

    Derartige beleidigende Äußerungen gehören doch eigentlich zu Facebooknutzern und nicht ins Parlament..grottenpeinlich!

  • 5
    Isabelle Sandow
    26. Februar 2017 um 12:28 Uhr

    Und wie wurde die geschichte in der Presse dargedtellt?

  • 6
    mario
    27. Februar 2017 um 01:03 Uhr

    ich bin ex pirat und im herzen immer noch pirat, aber ich denke ein „piratenflügel“ innerhalb der linken ist angesichts des wahlsystems die bessere alternative, lieber 50% meiner gesinnung die die linken teilen rumbringen als keine mitsprache zu haben. im herzen immer noch pirat, taktisch bin ich aber bei den linken.

    ich werbe hier auch ganz groß für allianzen und dass auch nur wegen der 5% hürde, wäre die nicht wäre der post schwachsinn aber die piraten sollten überlegen ob sie während und nur während der wahlzeit eine allianz schmieden und über die listen anderer partein mitkandidieren solange die 5% nicht sicher sind.

    denn schließlich wollen wir doch alle das gleiche oder etwa nicht?
    ein „echter“ pirat verliert auch seinen stolz nicht mit linker flagge

  • 7
    eine Autistin
    27. Februar 2017 um 13:29 Uhr

    Das schlimme ist nicht, dass IHR als autistisch bezeichnet wurdet, sondern dass „Autist“ überhaupt als Schimpfwort verwendet wurde.
    Und indem Ihr Euch dagegen wehrt so genannt zu werden und nicht dagegen protestiert, dass dieses Wort überhaupt Verwendung fand, seid Ihr zumindest in dieser Hinsicht Teil des Problems.

    • 8
      Miriam Quentin
      28. Februar 2017 um 17:03 Uhr

      Das Problem hat mehrere Ebenen – für uns steht jetzt erstmal im Vordergrund, dass das, was als Beleidigung ausgesprochen wurde (von Stegner, nicht von uns) vom Präsidium nicht geahndet wurde, während unserem Fraktionsvorsitzenden für unerwünschte Kritik Ordnungsrufe erteilt und der Mund verboten wird. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen von einem Gremium, das eigentlich unparteiisch handeln soll. Dass es nicht in Ordnung ist, den Begriff „autistische Züge“ als Beleidigung auszusprechen, steht auf einem völlig anderen Blatt – auch dies haben wir an diversen Stellen (z.B. twitter) öffentlich kritisiert.

    • 9
      Lutz Martiny
      1. März 2017 um 19:19 Uhr

      Dem kann ich nur beipflichten