Flüchtlingspolitik im Zeichen der aktuellen politischen Lage

Es gilt das gesprochene Wort!

Gestern, bei unserer Diskussion über die Terroranschläge des IS, haben sich FDP und SSW dagegen ausgesprochen, Paris mit der Flüchtlingsfrage zu verbinden. Das war so weit, so gut. Aber genau das haben dann beide gemacht in der Debatte: Sie haben sich für die Beteiligung Deutschlands an der militärischen Bekämpfung des IS ausgesprochen. Es sei Krieg und dementsprechend müsse man antworten.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen, hiergegen verwahrt sich meine Fraktion strikt. Denn wenn nicht jetzt, wann sollen wir dann selbstkritisch über die Ursachen des Entstehens von Terrorismus und des IS schonungslos diskutieren?

Liebe Herr Kubicki, lieber Lars Harms, Sie haben sich zu Aussagen hinreißen lassen, die im Falle der Umsetzung die Gewaltspirale weiter anheizen wird. In dem Irrglauben, der IS Terror wäre militärisch zu stoppen. Denn Fakt ist: Es hilft nicht zu verschweigen oder zu ignorieren, dass das bisherige militärische Engagement sowohl mit als auch ohne UN Mandat in Libyen, in Afghanistan, in Irak – um nur einige Beispiele zu nennen – zur Radikalisierung in islamischen Staaten geführt hat und der IS zu dem werden konnte was er heute ist.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen,
was in Paris passiert ist, ist der Alltag, den die Bürgerkriegsflüchtlinge in Syrien, im Libanon und in Afghanistan durchleben müssen. Die Menschen fliehen vor dem Terror der IS nach Europa, um Schutz für sich und ihre Familien zu suchen.

Wir können, aus humanitären Gründen, diese Flüchtlinge nicht einfach in Staaten abschieben, in denen z.B. die Bundeswehr – als Ersatz für nicht existente staatliche Strukturen – auch weiterhin für Sicherheit und Ordnung sorgen muss.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Antwort auf den islamistischen Terror und der beste Weg diesen zu verhindern ist die Integration! Die IS-Terroristen sind auch europäische Bürger, deren Integration in unsere Gesellschaft aufgrund von Rassismus und gesellschaftlichen Ressentiments gescheitert ist. Es ist daher unsere gesellschaftliche Verflichtung die Menschen, die bei uns Zuflucht vor dem Bürgerkrieg und dem Terror der IS suchen, zu versorgen, unterzubringen und zu integrieren.

Herr Ministerpräsident, verehrte Kollegen und Kolleginnen,
entgegen allen Bekundungen der letzten Monate, entgegen der emotional vorgetragenen Reden der Koalitionsparteien und des Ministerpräsidenten hier im Landtag, ist man beim Gipfeltreffen in Berlin – wieder einmal – umgekippt. Lassen Sie es mich klar so sagen: „Hässliche Politik braucht schöne Worte. Die schönen Worte werden in Kiel formuliert, die hässliche Politik in Berlin umgesetzt“. Im Plenum werden schöne Versprechen gemacht und in Berlin folgt man dem Diktat der Großen Koalition und ihrer rechtskonservativen Flüchtlingspolitik.

Ihre schönen Worte haben keinen Wert. Denn spätestens im Bundesrat nicken die rot-grün regierten Länder die politischen Vorgaben ab und erklären dann theatralisch, dass man die Entscheidungen der Bundesregierung nicht hätte verhindern können.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen,
der regierungstragenden Fraktionen: Wir Piraten appellieren an Sie – trauen Sie sich zu einer Kampfansage gegen die gestern bekannt gewordenen, weiteren Pläne des Asylgesetzes des Bundesinnenministeriums. Das ist ein „Frontalangriff auf das individuelle Asylrecht!“ Zeigen Sie Zivilcourage und Rückkehr zur politischen Standfestigkeit und sagen Sie endlich „Nein“.

Diesen Appell richtet sich insbesondere an den stellvertretenden Ministerpräsidenten Robert Habeck und die Grünen. Sagen Sie endlich „Nein“ zur weiteren Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl auf allen Ebenen. Ihr Bundesparteitag am kommenden Wochenende wird die Kompromisse des Kanzlergipfels vom 5. November zurückrufen. Handeln Sie danach auch im Land. Wenn die SPD schon nicht allein das Rückgrat hat – sagen Sie „Nein“! Sagen Sie „Ja“ zu den Menschen – ebnen Sie mit uns den Weg zur Integration statt zur Ausgrenzung.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen,
die parteipolitische Ablehnung unserer Anträgen hat Methode, egal ob es um die Umwidmung des Solidaritätszuschlages für Flüchtlinge oder unsere Vorschläge für eine allumfassende Internetseite für Flüchtlinge geht. Die Koalitionsparteien lehnen unsere Vorschläge ab, während in den Ministerien manche unserer Vorschläge diskutiert und – wie im Fall der Webseite – auch aufgenommen und umgesetzt werden! Ein wenig ist das „verkehrte Welt“.

Auch die konsequente Weigerung sich mit „unsicheren Herkunftsländern“ auseinander zu setzen, zeigt leider, dass die Koalitionsparteien die Abschottungspolitik der EU und der Großen Koalition unterstützen anstatt mit uns gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen.

Es gibt Länder, die unsicher sind und dies zeigt sich auch in der Schutzquote einiger Staaten. Bei syrischen Flüchtlingen beträgt diese fast 100 Prozent!
Aber auch andere Menschen müssen fliehen, da ihnen ihre Heimat keinen Schutz bietet. In einigen Staaten existiert eine faktische Verfolgung von – staatlich und/ oder gesellschaftlich nicht anerkannten Minderheiten.

Auch diese Minderheiten und Gesellschaftsgruppen, die nicht nur gesellschaftlich, sondern auch von staatlicher Seite im besten Fall diskriminiert und im schlimmsten Fall terrorisiert werden, bedürfen unseres Schutzes ohne Wenn und Aber!

Und wenn wir schon einmal bei den Fluchtgründen sind, so darf man auch nicht die politische Verantwortung der westlichen Welt außer Acht lassen. Egal ob militärische Intervention, die Suche und Ausbeutung von Rohstoffen – es sind wirtschaftliche Interessen die wir, auf Kosten der lokalen Wirtschaft, weltweit verfolgen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen,
bei vielen Fragen sind wir unterschiedlicher Meinung. In der Fragestellung sind wir uns oft einig und müssen Antworten finden:
Die Flüchtlingshilfe ist derzeit vom ehrenamtlichen Engagement unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger abhängig. Doch diese Abhängigkeit vom ehrenamtliche Engagement darf nicht – auch nicht aus finanzpolitischen Gründen – zur Regel werden.

Das Land muss sich dafür einsetzen, dass die sozialen Dienste, wie das Freiwillige Soziale Jahr und der Bundesfreiwilligendienst gestärkt wird. Auch das Land hat eine soziale Verantwortung gegenüber den Ehrenamtlern und muss sich Gedanken machen wie diese, im Fall eines Unfalls oder Krankheit während und aufgrund ihrer Tätigkeit, ausreichend versichert sind. Zumindest dass ist das Land den Ehrenamtlern schuldig.

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,
an der Vielzahl, der heute zur Diskussion stehenden Anträge und die Tatsache, dass wir in jeder Plenarwoche – und natürlich auch im Innen- und Rechtsausschuss – über diese Thematik diskutieren, zeigt sich, dass die Einsetzung eines Intergrationsausschusses dringend überfällig ist.

Es ist schon skurril, was wir derzeit in den Fachausschüssen erleben:
Im vollkommen überlasteten Innen- und Rechtsausschuss wird z.B. unser Antrag „Flüchtlingshilfe in Schleswig-Holstein koordinieren“ beraten. Die koalitionstragenden Fraktionen wollten ihn ohne Diskussion und ohne unsere Erläuterung ablehnen. Innenminister Studt hingegen nahm positiv Stellung und will unsere Vorschläge prüfen.

Zur Koordination und Abstimmung in der gemeinsamen und effektiveren Flüchtlingspolitik wäre der Integrationsausschuss dringend notwendig. Gerade jetzt dürfen wir die parlamentarische Kontrolle nicht aus der Hand geben. Selbst im Saarland haben sich alle Fraktionen – über die Parteigrenzen hinweg – auf die Gründung eines eigenen (Unter-)Ausschuss für Flüchtlinge geeinigt. Warum dies hier bei uns – trotz der Überlastung des Innen- und Rechtsausschuss – nicht möglich sein soll, erschließt sich mir nicht.

Im Finanzausschuss wird unser Antrag „Solidaritätszuschlag für Flüchtlinge“ diskussionslos von den Abgeordneten der Koalition abgelehnt, obwohl Finanzministerin Heinold gegenüber dem shz erklärte, dass der Soli zur Finanzierung der Flüchtlingskosten „gerecht und solidarisch“[1] wäre!

Der Landesrechnungshof hat Ihnen gerade schwarz auf weiss bestätigt, dass Ihr Haushalt nicht verfassungskonform ist [2] – gerade auch wegen der steigenden Ausgaben für die Flüchtlinge. Warum trauen Sie sich nicht, neue Weg für eine Willkomens- und Bleiberechtskultur zu suchen?

In Anbetracht der aktuellen Herausforderung brauchen wir eine solide Finanzplanung und keine Politik, die bewusst mit der Ablehnung und Abschiebung von Flüchtlingen kalkuliert [3]. Liebe Kollegen und Kolleginnen, sortieren Sie das selbst ethisch und moralisch ein! “

[1] Höver, P.: Heinold will Soli für Flüchtlinge einsetzen, shz.de vom 21. August 2015 hier
[2] Stellungnahme zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes sowie Haushaltsbegleitgesetzes 2016 und zur Nachschiebeliste (Umdruck 18/5142) hier
[2] Haushalt 2016: Größte finanzpolitische Herausforderung seit Jahrzehnten hier

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