Sie planen immer nur und spucken große Töne, aber Sie bauen nicht.

Es gilt das gesprochene Wort!)

Gerne würde ich der Finanzministerin bedenkenlos und vollumfänglich zustimmen, wenn Sie von Netz und doppeltem Boden spricht. Wenn Sie von Sicherheitspuffern und vorsichtiger Kalkulation redet. Wenn sie betont, dass das Zahlenwerk mehr als solide ist. Allein, nur der Glaube fehlt mir.

Zwar sprudeln die Steuereinnahmen bislang weiter. Zwar ist das erste halbe Jahr super gelaufen – da stimme ich der Finanzministerin zu. Das Plus von 150 Millionen Euro ist wirklich mehr als erfreulich. Die erwartete Steigerung der Steuereinnahmen in diesem Jahr von mehr als 600 Millionen Euro gegenüber dem Ist von 2014 ist ebenfalls ansehnlich.

Auch die Eckdaten des Haushaltsentwurfs für das kommende Jahr stimmen zunächst optimistisch:
* Geplante Neuverschuldung: 52 Mio. Euro
* Abstand zur Verfassungsgrenze Land: 53 Mio. Euro
* Abstand zur Kreditaufnahmegrenze nach der Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund: 465 Mio. Euro
* Strukturelles Defizit sinkt um 29 Mio. Euro auf 394 Mio. Euro

Läuft, möchte man meinen. Denke ich jedoch an die Ausgabenseite, denke ich an all die Risiken – die wie ein Damoklesschwert über diesem Haushalt hängen – kann ich weder ein Netz noch einen doppelten Boden erkennen.

Dann sehe ich vor meinem geistigen Auge vielmehr ein überdimensionales Stahlbetongerüst, dass Sie bräuchten, um die potentiellen finanziellen Belastungen in Milliardenhöhe irgendwie auffangen zu können.

Aber lassen Sie mich zunächst noch auf einige – vom Volumen her nicht bahnbrechende – aber für uns Piraten doch erfreuliche Dinge eingehen.

Ich möchte mich zunächst bei Umweltminister Habeck bedanken. Wir freuen uns, dass Sie Ihre Tradition fort- und unsere Vorschläge weiter umsetzen. Dieses Mal in Sachen Umgang mit dem Wolf, der medial große Wellen geschlagen hat und sich in Schleswig-Holstein zu etablieren scheint.

Dem Wolfsmanagement und -Monitoring – darin sind sich die Naturschutzverbände, Jäger und die Viehhalter in SH ausnahmsweise einig – kommt nun eine zentrale Rolle zu. Ein gutes Monitoring ermöglicht es, die Wanderungen von Wölfen zu dokumentieren und besser zu verstehen. Dies dient einerseits der Forschung, andererseits verbessert sich auch das für die Viehhalter relevante Frühwarnsystem, wenn wir die Aufenthaltsorte der Wölfe kennen.

Wenn wir die Viehhalter davon überzeugen wollen, dass der Wolf einen Platz in S-H hat, dann müssen wir als Gesellschaft auch dafür sorgen, dass sie im Schadensfall nicht allein auf ihren Schäden sitzen bleiben.

Ein getötetes Tier lässt sich nicht wirklich ersetzen, aber zumindest der finanzielle Schaden kann und muss von der Gemeinschaft getragen werden.

Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir zukünftig nicht auch Maßnahmen zum Herdenschutz finanziell unterstützen, denn es ist klar, dass es viele Schafzüchter finanziell sehr belastet, wenn sie nun plötzlich mehrere Tausend Euro in Schutzzäune, Herdenschutzhunde oder Esel investieren müssen. Innerhalb unserer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft ist mehr Wildnis leider nicht mehr kostenlos zu haben.

Wenn wir wieder mehr Wildnis wollen, dann müssen wir also auch bereit sein, dieses mehr an Wildnis zu finanzieren. Wir begrüßen daher, dass für Maßnahmen im Rahmen des Wolfsmanagements 100.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Verbände und Vereine werden es Ihnen danken.

Weiterhin begrüßen wir, dass die Landesregierung – wie von uns Piraten im Rahmen der letzten Beratungen gefordert – nun erstmals Mittel in Höhe von 200.000 Euro für die Katzenkastration in den Haushalt einstellt. Die Eindämmung des Katzenelends ist nicht nur aus Tierschutzgründen richtig, auch der Naturschutz profitiert insofern davon, als dass der Druck auf Kleinsäuger und Vögel vermindert wird.

Zudem ist eine deutlich finanzielle Entlastung der Tierheime und damit der Kommunen, die die Tierheime hier unterstützen, deutlich spürbar. In der Norddeutschen Rundschau war letzte Woche (8.9.2015) zu lesen, dass in Folge des Programms zur Katzenkastration allein das Amt Breitenburg bereits über 20.000 Euro im Jahr einspart. Vor diesem Hintergrund sind die 200.000 Euro im Haushalt 2016 gut angelegtes Geld, denn sie werden an anderer Stelle wieder eingespart.

Unterm Strich kann ich festhalten: mehr Tierschutz, mehr Naturschutz, weniger Kosten – eine klassische Win-win-Situation also. Danke, dass Sie uns an dieser Stelle gefolgt sind.

Dass die Dankbarkeit und Freude der Tierheime sehr groß ist, spüren wir auch immer wieder auf unserem runden Tisch zum Tierschutz, der am 27. August zum fünften Mal stattgefunden hat.

Von – ich zitiere – „ehrlicher Dankbarkeit“ war auch von Seiten der Hochschulen im Juli diesen Jahres die Rede. Geradezu frenetisch gefeiert wurde das vorgestellte Zukunftspaket Hochschulen. Nachdem diese im Rahmen des Nachtragshaushalts nicht nur leer ausgegangen, sondern vielmehr noch geschröpft wurden, wurde die Brieftasche also doch noch aufgemacht.

Als erster und wesentlicher Baustein des Zukunftspakets wurde die Erhöhung der Grundfinanzierung Schleswig-Holstein ab 2016 bezeichnet. 2016 würden die Hochschulen zusätzlich 10 Mio. € erhalten, in den Jahren 2017 bis 2019 sollen es jährlich weitere 5 Mio. € aus dem Landeshaushalt, so war zu lesen. Und die Hochschulen haben gejubelt. Ich muss zugeben, so ganz erschließt sich mir dieser Jubel bis heute nicht. Forderten die Hochschulen im Sommer noch 25 Millionen Euro, waren die in Aussicht gestellten 10 Mio. € zusätzlich auf einmal ausreichend.
Aber gut, es mag an mir liegen, dass ich diese spannende Geldwertvermehrung – plötzlich ist eine Million doppelt so viel wert, wie noch vor vier Wochen – nicht verstehe.

Kommen wir zum Hochschulgesetz. Meine Damen und Herren, wir bleiben dabei: Das Hochschulgesetz ist nicht ausfinanziert.

Sie alle kennen die Situation an den Hochschulen: die Gebäude sind (teilweise) in miserablem Zustand, es gibt zu wenig Studienplätze, die Betreuungsrelation ist unzureichend, ein Hochschullehrer muss sich um immer mehr Studenten kümmern.

Und jetzt haben Sie ein Hochschulgesetz vorgelegt, das über die bestehenden Ausgaben hinaus weitere Kosten generieren wird. Kosten, die Sie offenbar gar nicht auf dem Schirm haben. Denn schaue ich mir den Haushaltsentwurf an, so findet der Abbau von prekären Beschäftigungsverhältnissen dort keinen ausreichenden Niederschlag. Für neue Aufgaben, die Sie im Hochschulgesetz verankert haben, wie zum Beispiel den Diversity-Ansatz, gilt dasselbe: kein ausreichender Niederschlag im Haushaltsenwurf.

Werte Kollegen, ich weise an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass uns das Ganze schon mal passiert ist: beim Schulgesetz. Im Gesetz wurden viele gute Ideen niedergeschrieben und dennoch sahen wir uns gezwungen, es abzulehen, weil wir wussten, dass all die guten Ideen nicht ausfinanziert waren.

Und wir bleiben auch diesmal bei unserer grundlegenden Überzeugung: Wir wollen erst ein solides Fundament bevor wir uns ein nobles Dachgeschoss leisten. Führen Sie die Hochschulen aus ihrer finanziellen Misere heraus statt sie immer weiter in dieselbe rein zureiten!

Ebenfalls nicht im Haushalt abgebildet sind die möglichen Kosten für die Erstattung der Vorgriffstunde. Rund 4.000 pensionierte Lehrkräfte in Schleswig-Holstein können mit einem Nachschlag rechnen. Von Kosten zwischen 8 und 11 Millionen Euro ist die hier Rede. Ich fürchte, Frau Ernst, es wird Ihnen an der Stelle abschließend nicht viel nützen auf Zeit zu spielen. Auch wenn der Nachschlag in diesem Jahr kaum mehr überwiesen werden wird, Sie müssen ihn zumindest im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr abbilden. Alles andere wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit.

Und wo wir gerade bei Haushaltsklarheit sind. Wissen Sie wo sie mir fehlt? Flüchtlinge! Zur Flüchtlingssituation in Schleswig-Holstein kommen wir ja am Freitag noch ausführlich zu sprechen. Ich möchte aber kurz auf die haushälterischen Auswirkungen zu sprechen kommen.

Dass die Landesregierung einen Überblick über ihre Ausgaben für Flüchtlinge hat, bezweifle ich. Und das ist fatal. Der von ihnen vorgelegte Haushaltsentwurf ist hoffentlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Da kommt doch sicherlich noch ein Nachschlag über die Nachschiebeliste?

Sie loben sich einer vorbildlichen Flüchtlingspolitik, lassen aber zu viele Fragen nach dem „wie geht es 2016 weiter“ offen. Der Verein ‚Lifeline‘ versucht seit Monaten Gelder zur Betreuung Minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge zu erhalten. Bisher schweigen Sie sich zu diesem Thema aus.

Besonders in den Universitätsstädten wie Kiel und Lübeck, aber auch in anderen großen Städten, wird der Wohnraum immer knapper. Der Name Erstaufnahmeeinrichtung, sagt schon, dass dies nur eine kurzfristige Lösung ist! Mittel- und langfristig müssen Sie sich dem Problem stellen: wohin mit den Flüchtlingen. Wir müssen mit diesem Haushalt den ‚Sozialen Wohnungsbau‘ ankurbeln.

Die Ausländerbehörden sind auf die derzeitige Flüchtlingswelle nicht vorbereitet. Auch brauchen Sie derzeit 40 Polizisten pro Schicht, die Erstaufnahmeeinrichtungen schützen. Und das bei einer Landespolizei, die ohnehin schon am Limit arbeitet.

Herr Albig, haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wie Sie dies angesichts des Stellenabbaupfades und der Propagierung der schwarzen Null lösen möchten?

Verstehen Sie mich nicht falsch, der Stellenabbaupfad ist notwendig und wichtig, aber seien wir ehrlich, das können Sie in der derzeitigen Situation nicht schaffen. Hier müssen endlich Lösungen her.

Eine weitere, viel größere Herausforderung stellt die Reform der Lehrerbesoldung für Ministerin Ernst dar. Die Grundschullehrer werden abgehängt! Ich möchte das Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, aber wir alle hier wissen, dass es noch zu deutlichen Diskussionen führen wird.

Kritikwürdig bleibt der Einsatz der Schulassistenten. Der Effekt wird mangels Masse verpuffen. Uns erreichen bereits Stimmen, dass Schulassistenten nur wenige Stunden in Schulen kommen, dafür aber Schulbegleiter wegbleiben.

Inklusion kommt insgesamt zu kurz. Von der Umsetzung des Aktionsplans zugunsten der wirklich Betroffenen ist nichts im Entwurf zu sehen.

Natürlich haben Sie einen Punkt im Einzelplan 10 der Inklusion heißt, aber außer Leertiteln und Mittel für externe Dienstleister ist dort nichts zu finden. Ich kann mich aber auch täuschen und Sie haben es in einem anderen Einzelplan versteckt. Wenn dem so ist, dann freue ich mich über eine ausführliche Erläuterung im Ausschuss. Im Sinne der Haushaltsklarheit ist das allerdings nicht.

Wo wir schon beim Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung sind, kommen wir zu einem der größeren Risiken in unserem Haushalt, dem UKSH.
Auch hier bleiben wir bei unserer Grundsatzkritik, vor allem zu ÖPP.

Sie haben hier schlichtweg handwerklich schlecht gearbeitet und darum wird das Projekt scheitern. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir da draufzahlen müssen. Und vor allem, wie viel. Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass hier langfristig dreistellige Millionenbeträge im Raum stehen.

Handwerklich schlecht arbeiten Sie auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und das seit Beginn der Legislaturperiode. Wir finden es ja ganz toll, ihr IMPULS2030-Programm. Liest sich sehr hübsch. Rosige Zeiten stehen uns da offenbar in der Zukunft bevor. Toll ist auch, dass Land, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften sich auf die wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte geeinigt haben. Gut finden wir ebenfalls, dass mit den gut 21 Millionen Euro aus der Versteigerung von TV-Frequenzen die digitale Infrastruktur ausgebaut werden soll. Dann sollten Sie auch unserem Antrag am Freitag zustimmen.

Nur, werte Regierung, es nützt den Menschen in diesem Land nichts, wenn Sie den Weg nur weisen, ihn aber nicht gehen! Sie planen immer nur und spucken große Töne, aber Sie bauen nicht. Anstatt den Sanierungsstau abzubauen, sorgen Sie dafür, dass er immer größer wird. Sie beklagen den Zustand der Straßen und ändern es nicht.

Ich sage Ihnen, das wird die Menschen in diesem Land noch teuer zu stehen kommen. Wir reden hier über ein Milliardenrisiko, das nicht im Haushalt abgebildet ist.

Dasselbe gilt für die Pensionslasten. Auch diese stellen ein Milliardenrisiko dar. Aktuell liegt die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger bei über 32.600. Im Jahre 2025 werden es 38.000 Empfänger sein – die Medien sprachen hier zu Recht von einer haushaltspolitischen Zeitbombe.

Die Versorgungsleistungen sind in den Jahren 1990 bis 2014 von 400 Millionen um rund 618 Millionen auf 1,018 Milliarden angestiegen. Sie haben sich damit gegenüber 1990 mehr als verdoppelt! Bis zum Jahr 2025 werden die Ausgaben für Pensionen, so ist es im Finanzplan nachzulesen, über 20 Prozent auf fast 1,4 Milliarden Euro steigen!

Die Regierung beschreibt im Finanzplan sehr zutreffend, dass für die Erfüllung dieser Versorgungsverpflichtung keine hinreichende Vorsorge getroffen wurde. Sie stellt fest, dass der Zahlungsverpflichtung kein hinreichendes Vermögen gegenüber steht. Dass die Ausgaben aus den regelmäßigen Einnahmen zu finanzieren ist. Wie das klappen soll, steht heute noch in den Sternen. Die 432 Millionen aus dem Sondervermögen Versorgungsrücklage sind da allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ein weiteres Milliardenrisiko und das größte Haushaltsrisiko ist die HSH-Nordbank. Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich, es geht an dieser Stelle schon längst nicht mehr um das „ob“ wir zahlen müssen, sondern um das wie viel. Um die Frage, welche Lösung die kostengünstigste ist. Wenn es nach den Wünschen von Herrn von Österreich geht, würde es unseren Haushalt sprengen.

Noch in diesem Monat wird die EU-Kommission darüber entscheiden, ob die Erhöhung der Garantie zulässig war. Ob die Bank langfristig überlebensfähig ist. Dann sind wir vielleicht schon ein Stückchen schlauer, was uns die ganze Misere mit der Landesbank kosten wird. Brenzlig wird die Situation allemal.

Meine Damen und Herren, man muss wohl kein Hellseher sein, um vorauszusehen, dass hier unangenehme Zeiten auf uns zukommen. Wie eingangs bereits gesagt, ich sehe weder Netz noch doppelten Boden. Mir kommt der Haushalt in Anbetracht der genannten Milliarden-Risiken eher wie ein wunderbar anzuschauendes Souflé im Ofen vor.

Wir werden sehen, was von den hoch wohl gelobten Puffern in naher Zukunft übrig bleibt, wenn die EU-Kommission ihre Entscheidung über die Garantieerhöhung getroffen hat, wenn der Flüchtlingsstrom anhält oder noch größer wird, wenn die Zinsen wieder steigen. In meinen Augen – und das sage ich nur sehr ungern – ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Haushalt in sich zusammenfällt.

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1 Kommentar

  • 1
    Agrewain
    16. September 2015 um 23:06 Uhr

    Gut gemacht!