Die Dienste brauchen nicht mehr Möglichkeiten, sondern mehr und bessere Kontrolle

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Zum Tagesordnungspunkt 21 der heutigen 20.3.2015) Landtagssitzung „Aufrüstung der Geheimdienste stoppen“ sagte der Piratenabgeordnete Uli König:

„Das kleine Wünschdirwas der Geheimdienste hat vor rund einem Monat seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Natürlich nicht dank der stets um Intransparenz bemühten Bundesregierung, sondern dank der Journalisten von netzpolitik.org.

Der publik gewordene Wille der Bundesregierung ist von Verblendung, Ignoranz und Schamlosigkeit geprägt. Die Geheimdienste sind schon heute die wichtigste Bastion der Gegner einer demokratisch kontrollierten Exekutive. Das hat sich in den letzten Monaten nicht zuletzt im NSA-Untersuchungsausschuss gezeigt. Was der Bundesnachrichtendienst da als Auslegung von Gesetzen bezeichnete, würde jedem Richter ohne Weiteres eine Anklage wegen Rechtsbeugung bescheren.

Und deshalb bekommt der BND gleich eine neue Kompetenz zur Abwehr von so genannten „Cyber-Gefahren“. Selbstverständlich soll er auch hierfür sämtliche elektronische Kommunikation überwachen und unkontrolliert nutzen dürfen. Gleich 21 mal wird dieser,
in den 80iger Jahren bestimmt moderne Begriff, verwendet. ‚Cyber‘ ist im Netz was die Kraftdroschke für die STVO ist.

Auch die NSU-Untersuchungsausschüsse haben uns aber deutlich belegt, dass die Dienste offenbar den Realitätsbezug verloren haben. V-Leute, offenbar das Allheilmittel für Behörden, die sich zu weit vom Volk entfernt haben, wurden eingesetzt. Sie wurden mit einigem Geld bezuschusst, geschützt, aber Erkenntnisse hat man durch sie nicht. Und was folgt daraus? Die Protegierung und teilweise Legalisierung von Straftaten durch verdeckte Ermittler und V-Leute. Selbst Straftaten von erheblicher Bedeutung sollen nicht zum Abbruch des Einsatzes führen. Statt Taten im Amt ernsthaft zu verfolgen, sollen sie also legalisiert werden.

Dazu mehr gemeinsame, zentrale Dateien, erweiterte Weitergabebefugnisse und -pflichten. Alles beim Bundesverfassungsschutz. Dieser darf in Zukunft dann nahezu überall mitspielen, die Landesverfassungsschützer sollen wohl in Zukunft nur noch die Laufarbeit für den zentralen Bundesverfassungsschutz leisten.

Die fachliche und föderale Trennung der Sicherheitsbehörden wird durch den Gesetzesentwurf weiter marginalisiert. Diesem grundrechtlichen Schutzmechanismus steht in der politischen Debatte der nahezu wahnhafte Wunsch nach Effektivität der Geheimdienste gegenüber. Zunehmende Verwebung auf organisatorischer, informativer und personeller Ebene sind klare Zeichen für den Erfolg dieses Wahns. Gerade die Sicherheitsapologeten halten die förderalistischen und fachlichen Trennungen von Macht immer wieder für sach- und weltfremd. Sie sind das größte Übel der ultimativen Sicherheitsarchitektur.

Es ist ja nicht so, als dass das Scheitern der Verfassungsschützer maßgeblich an fehlenden Rechten zur Informationsweitergabe gelegen hätte. Die sind auch jetzt schon mehr als umfangreich. Nein, es liegt in der Grundeinstellung der Dienste, dass sie ihrem Auftrag nicht nachkommen. Daran wird dieser Gesetzesentwurf nichts ändern. Ich habe aber auch Zweifel, ob das bei den erstarrten Strukturen überhaupt noch möglich ist.

Die Dienste brauchen nicht mehr Möglichkeiten. Die Dienste brauchen mehr und bessere Kontrolle, dann funktionieren sie vielleicht.

Was wollen die Dienste? Faktisch keine Kontrolle, dafür um so mehr Macht. Da braucht es schon eines ganz erheblichen Vertrauens in die Institution der jeweiligen Dienste, um das zu rechtfertigen. Ganz egal, woher dieses Vertrauen kommen soll, es darf kein blindes Vertrauen sein, sondern bestenfalls ein Vertrauensvorschuss.

Allein die jüngere Vergangenheit unserer Dienste ist schon Anlass genug, den bisher gewährten Vertrauensvorschuss in Frage zu stellen. Da gibt es aber Leute in Deutschland, die sich nicht zu schade sind, noch mehr Vertrauen einzufordern. Sie werfen sich den Diensten an den Hals und vergessen dabei ihren demokratischen Auftrag, die Dienste zu kontrollieren.

Nein, weiteres Vertrauen darf es erst geben, wenn eine signifikante Stärkung der Kontrolle dieser Dienste, weitreichenden Konsequenzen bei ihrer Überschreitung und ein deutliches Mehr an Offenheit gelebt wird. Deshalb ist dieses Gesetz zu verhindern.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.“

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