Flickenteppich medizinische Versorgungslage

Zu den Tagesordnungspunkten 8 und 11 „Gesetzentwurf und Große Anfrage zum Rettungsdienstgesetz und Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Notfallrettung und den Krankenhaustransport “ erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der Piratenfraktion, Wolfgang Dudda:

(Es gilt das gesprochene Wort)

„Wenn ein Gesetzentwurf gar nichts taugt und wenn er von den Anzuhörenden in der Luft zerrissen wird, ist es gut, wenn er komplett neu gestaltet wird. Die Landesregierung tut genau dies. Damit könnte man dann auch zur Tagesordnung übergehen und abwarten. Das können wir jedoch nicht tun, weil die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage meiner Fraktion Antworten gegeben hat, die auch für den neuen Entwurf nichts Gutes erwarten lassen.

Als wichtigen Grund für die Notwendigkeit, ein neues Rettungsdienstgesetz auf den Weg zu bringen, sieht die Landesregierung die Steigerung der Einsatzzahlen um 44,3 Prozent im Zeitraum von 2001 bis 2013. Gefragt nach den Ursachen dafür kommen Antworten aus dem Bereich der Spekulationen, der Vermutungen und der Annahmen. Eine fundierte, belastbare Analyse hat nicht stattgefunden.

Selbst die Antworten, die einer Analyse nicht bedürfen, bleibt die Landesregierung schuldig. Eine dieser Antworten ist zum Beispiel die häufig viel zu kurze stationäre Verweildauer und ein nicht vorhandenes bzw. schlechtes Entlassmanagement. Zunehmend werden Eingriffe tageschirurgisch erledigt. Treten dann Komplikationen auf, wird der Rettungsdienst gebraucht. Der Kostendruck zwingt die Krankenhäuser dazu, Patienten schneller zu entlassen. Ist die Grenzverweildauer erreicht, werden die Patienten aus dem Akutkrankenhaus in eine weiter behandelnde Einheit verlegt. So geschieht mit Menschen das, was wir schon bei Waren im Bereich der Logistik erleben. Die Menschen werden zu einer auf unseren Straßen gelagerten Ware.

Gleichzeitig ist der Hausbesuch des Hausarztes für die Ärzte finanziell gesehen unattraktiv geworden und kostet sie zumeist mehr, als er ihnen einbringt.

Hilfreich ist bei der Suche nach den Ursachen für die enorme Steigerung der Rettungsdiensttransporte auch ein Blick auf die Versorgungskarte unseres Landes. Es fehlt an Geburtskliniken und beispielsweise auch an Traumazentren. Dies ist besonders schlimm an der Westküste Schleswig-Holsteins, wo Geburten in Kliniken kaum noch möglich sind. Ein Verkehrsunfall an der Westküste kann das Todesurteil bedeuten, weil dort quasi keine adäquate Traumaversorgung existiert – und das in einer Tourismusregion. Nur gut, dass das den Syltbesuchern nicht bekannt ist.

Deshalb werden NEF, die eigentlich für die Notfallversorgung gedacht sind, als Notfalltransporter missbraucht.

Anstatt dem im Krankenhausplan endlich verantwortungsbewusst Rechnung zu tragen und beispielsweise für eine ausreichende neurologische Versorgung an der Westküste zu sorgen, gestattet die Landesregierung die Etablierung zweier Stroke Units in Lübeck in Sichtweite. Die dafür lange als Grund bemühte so genannte „SA2-Statistik“ des Gesundheitsministeriums weist ja auch eine ausreichende neurologische Versorgung mit Akutbetten auf Helgoland aus, die es dort tatsächlich nicht gibt. Stattdessen sind eben Hubschrauber im Einsatz. Und die müssen mit ihren Patienten dann richtig weit fliegen nach Hamburg-Eppendorf, weil es die Husum dringend gebrauchte Teleradiologie nicht gibt.

Ein Flickenteppich ist im Vergleich zur medizinischen Versorgungslage in Schleswig-Holstein ein extrem vollständiges und belastbares Gewebe!

Um das Schlimmste, was aus all dem resultieren kann, zu verhindern, gibt es nun seit geraumer Zeit einen Workshop namens „Notfallversorgung 2020 – Zukunftsstrategien für den Rettungsdienst“. Wie man aus dem Kreis der Teilnehmer erfährt, bekleckert sich das „zuständige Ministerium“ an dieser Stelle nicht gerade mit tatenreichem Ruhm. Es sind stets zwei Mitarbeiter des Ministeriums anwesend – mehr aber auch nicht. Dass dort zum Teil völlig unsinnige Diskussionen wie zum Beispiel die Telemedizin – eine derzeit noch unbezahlbare Utopie – geführt werden, wird der Aufgabe dieses Workshops nicht gerecht.

Warum hat die Landesregierung in ihrer Antwort eigentlich verschwiegen, dass die Vertreter der Krankenkassen im Jahr 2013 die Veranstaltung bereits am Nachmittag des ersten Tages verärgert verlassen haben? Und warum erwähnt die Landesregierung nicht, dass ihre Vertreter ein tatsächlich brauchbares Konzept, dass von zwei Referenten auf dem Workshop am 28.2./1.3.2015 in Tannenefelde vorgestellt worden ist, einfach mal schlicht „abgebügelt“ haben?

Nicht nur dem genannten Workshop fehlt die nach dem SGB erforderliche flächendeckende elektronische Dokumentation bzw. Auswertung zur Erzeugung von Qualitätsdaten.

Die Kommunen benötigen dafür auch eine gesetzliche Grundlage, um ein System zur Datenverarbeitung entwickeln zu können. Sie alleine können sich darauf nicht verständigen. Hier muss das Land deshalb auch steuern eingreifen.

Die Ärztlichen Leiter der Rettungsdienste haben doch schon brauchbare und gute Landesalgorithmen entwickelt. Warum hilft das Ministerium denen nicht und lässt stattdessen zu, dass so gute Bemühungen einfach konterkariert werden können?

Wenn sich jemand tatsächlich bestens auskennt mit dieser Materie, dann sind es doch eben die Ärztlichen Leiter der Rettungsdienste. Hören Sie bitte auf diese Leute mehr als auf diejenigen, die keine Verantwortung übernehmen wollen oder über ihre Trägerfunkton hinaus keinerlei Kenntnisse haben!

Hätten Sie diese Leute gefragt, dann hätten Sie in Ihrem Entwurf berücksichtigt, dass es für die neu zu schaffenden Intensivtransporte im Regelfall nicht ausreicht, ärztlich begleitet zu werden. Das braucht grundsätzlich Intensivmediziner.

An dieser Stelle beende ich den Teil meiner Rede, der sich mit der Antwort auf die Große Anfrage zum neuen Rettungsdienstgesetz beschäftigt, weil die Antworten der Landesregierung schlichtweg nichts, aber auch rein gar nichts Konkretes enthalten. Warum Ihre Stabsstelle, Frau Ministerin Alheit, dafür eine Fristverlängerung zur Beantwortung der Anfrage brauchte, bleibt geheimnisvoll, denn mehr Zeit hat an dieser Stelle wahrlich nicht mehr Qualität gebracht. Mir war in den Telefonaten dazu aus Ihrem Haus gesagt worden, dass eine qualitativ gute Antwort mehr Zeit als parlamentarisch vorgesehen brauchen würde. Vor diesem Hintergrund frage ich mich natürlich, wie furchtbar schlecht wohl die Antwort ausgefallen wäre, wenn sie innerhalb des vorgesehenen parlamentarischen Zeitfensters erfolgt wäre.

So, nun zum Notfallsanitätergesetz. Über Notwendigkeit, ein Gesetz schaffen zu müssen, müssen wir hier nicht reden. Das Handeln des Bundes an dieser Stelle gibt uns dies vor.

Reden müssen wir allerdings ganz intensiv über das wie, das mit wem und das was kostet das.

Ich habe mir dafür mal ein paar Beispiele herausgegriffen: Die Landesregierung geht davon aus, dass eine länderübergreifende Zusammenarbeit nicht erforderlich ist. Das sehe ich anders. In Hamburg ist als Ausbildungsvergütung – mit Krankenkassen abgesprochen – von 3,70 € pro Stunde vorgesehen. Bei uns in Schleswig-Holstein sollen das jedoch – bislang nicht mit den Krankenkassen abgesprochen – 16,50 € pro Stunde sein. Um einen „Ausbildungstourismus“ von Hamburg nach Schleswig-Holstein zu vermeiden, der unsere Ausbildungskapazitäten belastet, ohne dem Land zu nützen, muss mit Hamburg gesprochen werden.

Auch anderer Stelle ist das Eingehen auf das, was bundesweit im Pyramidenprozess II des Bundesverbandes der Ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes und vieler anderer Beteiligter entwickelt wird, die sich vor gut zwei Wochen in Köln getroffen haben, sicherlich sinnvoll. Ich nenne hier nur die normierte Beschaffung von Rettungsmitteln. Diesen eine DIN-Norm vorzugeben, macht deren Beschaffung einerseits natürlich günstiger möglich und sorgt andererseits dafür, dass der technische Fortschritt nicht bürokratisch ausgesperrt wird.

Reden müssen wir in den Ausschussberatungen übrigens auch darüber, dass Sekundärtransporte in Dringlichkeitsstufen eingeteilt werden müssen. Diese müssen den Leitsttellen natürlich bekannt sein, damit die Fahrzeuge, NEF oder VEF, sinnvoll eingesetzt werden. Die Einführung der Begriffsbestimmung „Leitender Notarzt (LNA)“ in den Paragraphen 2 des Gesetzes erscheint genau so geboten zu sein.

Erörtert werden muss auch die Besetzung der Rettungsmittel und die Arztbegleitung in den Paragraphen 14 und 15, damit es beispielsweise nicht dazu kommt, dass es nicht zu vermeidbaren Ausfallzeiten kommt, weil beispielsweise durch einen Sekundärtransport das NEF blockiert ist.

Bei der Wasserrettung sollten aus logischen Gründen die Definitionen angepasst werden. Die DLRG kümmert sich um „Menschen in Not“, die Notärzte und Notfallsanitäter kümmern sich um „Notfallpatienten“. Damit aus dem einen das andere werden kann, ist medizinische Expertise erforderlich und nicht etwa ein Leistungsabzeichen der DLRG.

Es ist also noch sehr vieles zu tun und zu besprechen im Ausschuss. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

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