Mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 7. und 8. Januar 2015 waren wir alle gedanklich in Frankreich. 17 Menschen haben ihr Leben verloren. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen und den Verletzten der Anschläge. Der Schock, den die Anschläge von Paris ausgelöst haben, geht durch ganz Europa, er geht durch die ganze Welt. Zigtausend Menschen gingen als Reaktion auf die Anschläge in Paris und anderswo auf die Straße. Die Menschen haben versucht den Schock und die Trauer zu artikulieren, um ein starkes Zeichen gegen den Terrorismus zu setzen.

Liebe Kollegen und Kollegen: Das Ziel von Terrorismus ist, uns so sehr treffen, dass wir zu rationalen Entscheidungen nicht mehr in der Lage sind. Dass wir emotional und betroffen reagieren. Sein Ziel ist es, die Freiheit und Demokratie, um die wir Tag für Tag kämpfen zu beseitigen.
Es liegt nun an uns, dass wir keine voreiligen und unüberlegten Forderungen in den Raum stellen.

Wer solche Anschläge wie die in Paris verübt, lehnt unsere Grundwerte und unsere Gesellschaftsordnung ab. Sie wollen mit der von ihnen geschürten Angst unsere Meinungsfreiheit einschränken.

Wenn die CSU nun fordert, den so genannten Blasphemie-Paragraphen zu verschärfen, §166 StGB, dann gibt sie damit dem Druck des Terrors nach. Sie will von sich aus die Meinungsfreiheit einschränken.

Der Chefredakteur des Satire Magazins Titanic hat in einem Kommentar mit der Überschrift „Es Lebe der Witz“ sehr gut erklärt, warum man Witze über Religionen machen darf.

Ich zitiere: „Religion, und so manch andere Weltanschauung, ist Wahnsinn im Kleide der Rationalität, Satire und Komik, Rationalität im Kleide des Wahnsinns. Das eine muss das andere missverstehen. Deshalb werden Vertretern des ‚heiligen Ernstes der Komik‘ stets mit Zorn begegnen. Und es ist ihr gutes Recht. So lange sie dies mit denselben Waffen wie Satiriker tun: mit Wort und Bild. Und nicht mit Maschinenpistolen.“

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Die Terroristen hätten ihr Ziel erst recht erreicht, wenn unsere Reaktion auf die Anschläge nun mehr Überwachung ist, wenn wir die Freiheit unserer Gesellschaft einschränken.

Es ist doch geradezu absurd, als Konsequenz aus den Terroranschlägen von Paris, die ausgeübt wurden, weil unsere Gesellschaft die Meinungsfreiheit ungeachtet des Inhaltes schützt, nun selbst die Grundpfeiler unserer Demokratie anzugreifen und die Kontrolle und Protokollierung all unserer Kommunikation zu fordern. Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung wäre ein viel größerer Angriff auf unsere Grundrechte, als es die Taten der Terroristen je sein könnten.

Die Forderung nach der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung als Reaktion ist falsch, weil sie die Grundrechte aller Menschen massiv einschränkt und nicht für die Sicherheit sorgt, die versprochen wird.

Die Anschläge in Frankreich haben gezeigt, dass die Vorratsdatenspeicherung, die dort 2006 eingeführt wurde und viel weitreichender ist, als das, was wir in Deutschland diskutieren, keine Sicherheit garantiert.

Wer also wie die CSU eine Verschärfung des §166 StGB fordert, wer wie CDU, SPD und mittlerweile wohl auch Teile der Grünen, eine Vorratsdatenspeicherung befürwortet, der flüchtet sich in Aktionismus, wo besonnenes Handeln erforderlich wäre.

Ein freiheitlicher und demokratischer Staat kann keine absolute Sicherheit garantieren. Es ist auch falsch, das zu suggerieren. Der Staat kann nur die Menschen, die in ihm leben, schützen. Und mit ihnen gemeinsam unsere Demokratie.

In den letzten Tagen liest man viele Berichte aus Europa, die einem Sorgen machen. Zumindest mir machen sie große Sorgen. Man liest, dass sich jüdische Menschen in Frankreich, in Belgien und anderswo nicht mehr sicher fühlen und überlegen auszuwandern. Wir lesen auch von Muslimen, die sich nicht mehr trauen, in Deutschland auf die Straße zu gehen.

In Deutschland und anderswo in Europa, demonstrieren tausende Menschen, die sich als ‚Patriotische Europäer‘ bezeichnen und gegen die Islamisierung unserer Gesellschaft wenden.

Die Frage ist, wie begegnen wir Menschen, die grundsätzlich gegen die etablierte Politik demonstrieren, aber nicht wie die Anführer dem rechtsextremen Lager zuzuordnen sind? Wie begegnen wir diesen Menschen mit ihren Sorgen? Wir könnten uns zwar für mehr Polizeipräsenz aussprechen, nur das kann nicht der Weisheit letzter Schlusses sein.

Die Polizei hat keinen Einfluss auf das alltägliche Leben derjenigen, die diskriminiert werden. Die Polizei kann nichts dagegen tun, dass jemand auf Grund eines Kopftuches ausgegrenzt wird. Die Polizei kann nicht dabei helfen, dass ein Asylbewerber im Bus schräg angeguckt wird. Die Polizei kann nicht dafür sorgen, dass Vorurteile und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft stattfinden.

Daher freue ich mich umso mehr darüber, dass unsere Gesellschaft in Schleswig-Holstein ein starkes Zeichen setzt. Die Schleswig-Holsteiner demonstrieren nicht gegen PEGIDA. Wir, wir Bürger und Bürgerinnen, setzten uns für ein weltoffenes und buntes Schleswig-Holstein ein!

Das beste Mittel gegen Extremismus ist und bleibt, Menschen aus unserer Gesellschaft nicht auszugrenzen. Und: Der Islam ist Bestandteil unserer Gesellschaft. Genau das hat unser ehemaliger Bundespräsident Christian Wulff gesagt.
Zu Unrecht wurde er dafür kritisiert. Und zu Unrecht kritisiert die Junge Union Kanzlerin Merkel dafür, dass sie sich endlich diesen Satz zu Eigen gemacht hat.

Jede Religion gehört zu Deutschland, denn es gibt ein Grundrecht der freien Religionsausübung.

Vielfalt, Unterschiede und Austausch bringen uns als Gesellschaft voran. Wie wollen wir uns als Menschen weiterentwickeln, wenn wir nicht voneinander lernen?

Sehr geehrte Damen und Herren. Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beenden. Jens Stoltenberg, Norwegens ehemaliger Ministerpräsident, sagte 2011 nach den Anschlägen in Norwegen:

„Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement für eine bessere Welt nicht zerstören. Niemand könne uns zum Schweigen schießen. Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Diese Worte gelten heute umso mehr.

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