Haushaltsplan und Haushaltsgesetz zeigen Schwächen der Koalition

In seiner Rede zu TOP 5, 6, 13, 45 (Haushaltsberatungen 2015) erklärt der Vorsitzende der Piratenfraktion im Schleswig-Holstein, Torge Schmidt:

„Ich habe es letzte Woche bereits gesagt, und ich wiederhole es gern. Ich persönlich würde gerne über vieles besser, intensiver und konstruktiver beraten. Mit allen hier im Hause. Aber das ist Opposition. Opposition bedeutet auch, dass man sich vieles wünschen, aber nichts so ohne weiteres umsetzen kann. Das ist doof. Ein von den Piraten vorgelegter Haushalt hätte sicher anders ausgesehen.

Wir hätten wohl eher den Blick für jüngere Menschen und auch zukünftige Generationen gehabt. Die Maxime unserer Haushaltspolitik wäre sicher nicht: Wir sparen, koste es was es wolle. Nun kommt normalerweise der Einwurf, dass wir doch selbst Vorschläge unterbreiten sollen. Aber auch das ist Opposition, wir müssen aufzuzeigen, wo es bei Ihnen hakt.

Ich erlebe eine Regierung, die sich vor allem durch Überheblichkeit auszeichnet. Die eigenmächtig ist und den von ihr vor der Wahl beschworenen Dialog meist und am Liebsten mit sich selbst führt. Diese Regierung hat die Bodenhaftung verloren; das Auftreten ihrer Bildungsministerin ist nur das augenfälligste Beispiel dafür, wie man Koalitionen gegen sich schmiedet, die es eigentlich nicht gibt. Sie verhindern sachliche Auseinandersetzung, weil sie selbst Personalquerelen und schlechtes Handwerk in den Vordergrund schieben. Sie tun das immer wieder und das schadet einer seriösen Politik.

Wir erinnern uns an die Geschichte um den Datenschutzbeauftragten oder die laufenden Diskussionen um die Landeszentrale für politische Bildung. In einem Interview hat der SPD-Fraktionsvorsitzende dazu dem NDR gegenüber sinngemäß gesagt, die Opposition möge sich nicht aufregen, sondern Wahlen gewinnen, dann könne sie ebenso schalten und walten – ich sage dazu: jede Oppositionsfraktion in diesem Land ist gut beraten, den Stil dieser Regierung in der Zukunft nicht zu kopieren.

Sie – Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition – haben ein Schulgesetz verabschiedet, das vordergründig mehrere hundert Stellen Personal generiert, ohne die Unterrichtssituation für alle auch nur im Ansatz zu verbessern. Wir teilen viele bildungspolitischen Ideen, wollen die Gemeinschaftsschule und eine bessere Lehrerbildung. Aber uns war klar, dass diese Ideen zur Zeit nicht zu finanzieren sind.
Wir wollen zuerst eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung und wir wollen uns auf den Weg machen, diese annähernd zu 100% zu erfüllen. Wir wollen als progressive Partei eine Basis schaffen, die eine gute Ausgangslage für die Verwirklichung von richtigen Ideen bietet. Sachlichkeit vor Ideologie und Gutsherrenart.

Es kann doch nicht sein, dass von den Lehrerplanstellen, die Sie jetzt nicht abbauen, keine einzige in den Primarbereich gehen soll, obwohl seit dem ersten August durch viele politisch gewollten Veränderungen dort zum Lehrermangel noch weitere Aufgaben, z.B. durch Veränderungen in der Leistungsbewertung hinzukommen. Wir wollen das. Wir haben dazu einen Antrag gestellt, aber dann muss man auch diese Schulen personell stärken. Darum hätten wir die Planstellen gebraucht, die die Opposition vor der Sommerpause gefordert hat.

Das wollten Sie nicht, da waren Sie mit den Planstellen für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen zufrieden. Wir können diese Zufriedenheit nicht teilen. Wo Ideologie über Sachlichkeit siegt, müssen wir „NEIN“ sagen, auch wenn wir Ihre grundsätzlichen Ziele teilen. Mit dieser politischen Gutsherrenart verprellen Sie politische Unterstützer. Damit machen Sie Ihre eigenen Ideen kaputt. Wir können doch nicht ernsthaft den Eltern sagen, dass sich alles zum Guten wenden wird, wenn erst mal die geburtenschwachen Jahrgänge kommen. Das Warten auf Schülerrückgang ist kein Regierungshandeln – so jedenfalls stellen wir uns das nicht vor. Und da kann jetzt gerne jemand von Regierungsbänken kommen und die gut 700 Lehrerplanstellen bewerben, die nicht gestrichen werden.

Am Ende bleiben weniger Lehrerstellen im System, so dass der Kollege Stegner in der entsprechenden Debatte auf Nachfrage deutlich sagte, dass wir von einer 100%igen Unterrichtsversorgung noch lang weit entfernt bleiben werden. Das ist die Generationengerechtigkeit dieser Regierung. „Tut uns leid, ihr seid einfach im falschen Jahr geboren!“.

Wer über Schule redet, der muss auch über Hochschule reden. Die Hochschulrektorenkonferenz hat für ihren Bereich eine Berücksichtigung bei der Verteilung der BaföG-Millionen eingefordert.

Zu Recht formulierte der Präsident der CAU damals, dass wir auch HEUTE für diejenigen sorgen müssen, die MORGEN unsere Smartphones und Computer bauen. Aber bevor über eine gesunde Finanzierung der Hochschulen und Universitäten nachgedacht wurde, haben Sie sich für eine teure Lehrerbildung entschieden, von der bis heute niemand weiß, wie sie am Ende finanziert wird. Denn dass die vorgelegten Daten nichts, aber auch gar nichts mit einer seriösen Finanzplanung zu tun hatten, weiß in diesem Land ja jeder.

Das konnte auch gar nicht gelingen bei einer Ministerin, die den Begriff der Wirtschaftlichkeitsprüfung gar nicht kennt und nicht weiß, was sich dahinter überhaupt verbirgt. Auch hier siegte die Ideologie über die Sachlichkeit und das war und bleibt traurig. Über die Folgekosten hat die Regierung überhaupt noch nicht nachgedacht.

Gleiches Gehalt für gleich langes Studium findet der Kollege Habersaat zwar fair – und dagegen ist auch nichts zu sagen, dass diese faire Bezahlung aber zu Lasten der heutigen Gymnasiallehrer geht, bleibt im Raume stehen. Wie fair das Gymnasiallehrer finden, werden wir sehen, wenn die Pläne der Regierung, die heute noch sehr diffus sind, Realität werden. Und nicht nur im Bildungssektor fehlen Stellen. Wenn wir Sie fragen, wie die Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten aussieht, bekommen wir regelmäßig zu hören, dass alles paletti ist.

Dabei ist der Krankenstand mit 31,42 Tagen enorm. Er ist doppelt so hoch, wie der bei allen anderen Beamtinnen und Beamten oder Landesbediensteten.
Der Vergleich mit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land ist noch erschreckender. Hier ist der Faktor 2,5. Durch diese dünne Personaldecke, werden die restlichen Angestellten im Justizvollzug stärker belastet. Aber nicht nur dort liegt das Problem. Angebote für Häftlinge, welche für deren Resozialisierung notwendig ist, werden übermäßig oft abgesagt. Sie können Häftlinge nicht einfach wegsperren, und hoffen das sich dieses Problem von alleine erledigt. Der Vollzug ist eine Aufgabe des Landes an deren Ende die Resozialisierung stehen muss!

Nächstes Beispiel Vion. Der Mitarbeiter, der den Schlachthofskandal aufgedeckt hat ist nach wie vor krank, seine Zukunft ungewiss. Das sich dieser Mitarbeiter getraut hat, in Anbetracht der Zerstörung seiner Existenz diesen Skandal aufzudecken genießt meinen größten Respekt. Ich kann aber nur allen davon Abraten es ihm gleich zu tun. Offensichtlich ist ein solches Verhalten politisch nicht gewollt. Anders kann ich das im Stich gelassen werden, durch die Regierung nicht deuten. Zumal es nicht das erste Mal ist. Das Verhalten haben wir vor Jahren schon miterlebt. Es ist doch absurd, dass Mitarbeiter aus Angst vor der Zerstörung der persönlichen Zukunft, Missstände die die Gesundheit aller Menschen gefährden verschweigen. Dieses Verhalten der Landesregierung ist nicht neu, auch schon Regierungen vor ihr haben so reagiert. Vor diesem Hintergrund muss man doch jedem Raten, gegen sein Gewissen zu handeln. Das kann und darf nicht das Ziel sein. Wir müssen froh sein, über jeden der Missstände aufdeckt. Hier muss endlich ein Zeichen von Ihnen, Herr Albig, kommen. Lassen Sie uns doch gemeinsam versuchen das Bundesbeamtengesetz zu ändern.

Das Bekenntnis zum Verbraucherschutz in Ihren Koalitionsvertrag ist anscheinend nur ein Lippenbekenntnis. Sie tönen groß von Optimierung der Beratungsangeboten. Die Verbraucherzentralen in Schleswig-Holstein sind seit Jahren in Finanznot. Aber wenn Optimierung bedeutet, dass der Standort in Heide gefährdet ist, haben Sie ihren Koalitionsvertrag erfüllt. Jedes Jahr aufs neue ist die Verbraucherzentrale gezwungen, als Bittsteller aufzutreten. Dass die Verbraucherzentralen wichtig sind, muss ich Ihnen sicherlich nicht sagen. Ich weiß, dass wir eine Schuldenbremse haben. Es ist wichtig den Schuldenberg für die nächsten Generationen abzutragen. Dies darf aber nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen. Diese Probleme sind hausgemacht, aber andere ergeben sich auch aus dem politischen Gesamtkonstrukt.

Von den allgemeinen Finanzierungs- und Struktursorgen mal abgesehen, kennen wir die Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKSH alle aus vielen Gesprächen und persönlichen Eindrücken. Ich nenne das Stichwort „Tarifautonomie“ und erinnere an die Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Landeshaus „vor Wut schäumten“. Sich als Regierung in der gesehenen Weise einzumischen, um die Menschen zu knebeln ist – unabhängig von der Sinnhaftigkeit eines TVL-Beitritts oder nicht – ein Unding und wird von uns Piraten scharf kritisiert. Wieder einmal erlebten wir die inzwischen leider bekannte Gutsherrenart dieser Regierung, die immer und immer und immer wieder von der Sache ablenkt und die Menschen gegen sich aufbringt. Auch die, die ihre Rechte bei der Sozialdemokratie gut aufgehoben hofften.

Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich aus diesem Kontext ein besonders schönes Zitat an dieser Stelle bringen muss und zwar eins von Verdi-Verhandlungsführer Steffen Kühhirt aus den Demo-Tagen: „Die SPD ist in der Arbeitnehmer-Verarsche-Partei angekommen, und da nützt es auch nichts, dass Herr Stegner ab und zu den linken Clown geben darf!“. Wenn das also in Arbeitnehmerkreisen so angekommen ist, dann darf ich die SPD hier im Landtag als stärkste Regierungsfraktion fragen: Wofür stehen sie denn eigentlich noch?

Dies sind nur ein paar wenige Beispiele. Diese zeigen aber auf erschreckende Weise, dass Ihnen Menschen anscheinend egal sind. Sie lassen sie Stück für Stück mehr im Stich. Ich muss mich wirklich Fragen, ob das die soziale Politik ist, für die Sie vermeintlich stehen. Sie bringen strukturiert Menschen gegen sich auf. Ansonsten ist vieles reiner Aktionismus. Und wo wir gerade bei Aktionismus sind. Ihren Aktionsplan Politische Jugendbildung – haben wir mit initiiert, finden wir gut. Aktionsplan Homophobie – dringend und nötig – tragen wir mit … nur um Beispiele zu nennen. Und nu – fragt der Bürger. Tja, das war’s sagt die Regierung. Dass ein Aktionsplan nur einmal eine Finanzierung für seine Umsetzung erhält, ist uns klar – aber was passiert dann? Aktionsplan gemacht und aus die Maus – wir hätten uns nach einem Aktionsplan eine nachhaltige Verankerung gewünscht. Das geschieht nicht, damit bleibt ihre Politik auch in diesen Bereichen kurzatmig und auf schnelllebige Effekte aufgebaut.

Oder nehmen wir das ‚Jahr der kulturellen Bildung‘ – alles schön und gut – aber wenn die mehr oder weniger geglückte PR-Aktion der beteiligten Ministerinnen keinen nachhaltigen Niederschlag in der Politik findet, finde ich solche Ereignisse entbehrlich. Was machen wir denn nun mit den ästhetischen Unterrichtsfächern? Wo bleibt eine gezielte Lehreranwerbung für diese Fächer? Alles Fehlanzeige. Alles nur für den Moment geplant.

Oder nehmen wir das Inklusionskonzept der Landesregierung. Das sollte im Frühsommer auf dem Tisch liegen. Dass es verschoben wurde, fanden wir in Ordnung, weil dann auch die Finanzierung der Schulbegleitung sicher gestellt werden sollte. Nichts davon traf ein. Wir bekamen des Konzept zwar wie versprochen zu spät, dafür aber ohne Substanz. Wer eine Unterlegung des Konzepts mit den erforderlichen Personalressourcen erwartet hatte, musste leider eine Null vermerken. Dazu steht nichts im Konzept. Das bedeutet, dass der wichtige, der vielleicht einzige wirklich unstrittige und ungemein wichtige Bereich und die größte Herausforderung der Politik keine Antwort erhalten hat. Denn auch hier gilt: Gute Ideen sind eine gute Sache, aber Politik ist, wenn es konkret wird – und konkret wird hier nichts. Da hat eine Ministerin ihre inklusionspolitischen Kinderträume skizziert und mehr nicht.

Dabei gibt es dringende Probleme: mein Kollege Sven Krumbeck beschäftigt sich lange und intensiv mit der Situation der pädagogischen Hilfen in den Förderzentren. Die leisten einen Großteil der Unterrichtsstunden. Das wird aber nicht anerkannt und so bleiben sie günstige Ersatzlehrer, die aber so nicht gesehen werden, weil ein Erlass das verbietet. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, arbeiten diese hoch-engagierten Menschen praktisch im Niemandsland ohne die entsprechende Anerkennung und Vergütung. Auch da hatte die Ministerin eine Idee, die aber von den Experten in ihrem Haus gleich wieder verworfen wurde und es nicht mal in Papierform schaffte. Die Pädagogischen Hilfen indes warten immer noch auf eine Lösung – Mensch, möchte man da rufen – machen Sie endlich die Augen auf und machen Sie endlich Politik für dieses Land und seine Menschen und nicht an beidem vorbei!

Wie Sie an Menschen vorbei regieren, sehen wir auch bei der Eingliederungshilfe. Sie wollen die Finanzierung der Eingliederungshilfe neu regeln. Wenn dadurch bei den Menschen mehr ankommt – gute Idee. Überschattet ist dies aber durch den wohl berechtigten Vorwurf der Selbstbedienung, der die sachliche Diskussion schon im Vorfeld überlagert. Der Bund wollte die Kommunen in der Eingliederungshilfe entlasten. Und was machen Sie? Sie streichen die gesamten 36 Millionen Landesmittel. Jetzt frage ich Sie, wo bleibt da die geplante Entlastung der Kommunen? Sie spielen hier linke Tasche – rechte Tasche, und das zu Lasten der ohnehin schon klammen Kommunen.

Auch hier gilt: Sie machen durch ihr Vorgehen vieles in der Diskussion kaputt, was einen sachlichen Diskurs verdient hätte. Sie zeigen in Perfektion, wie man Menschen gegen sich aufbringt, das muss man Ihnen lassen!

Und Herr Albig, wo wir gerade bei Fragen sind. Im Mai letzten Jahres sind Sie nach Tallinn gereist und fassten den Besuch wie folgt zusammen. „Bei einer Reise geht es auch darum, was wir von den Ländern lernen können. Estland ist zum Beispiel sehr weit im Bereich von Internet und elektronischer Kommunikation“ Dieses Jahr waren Sie wieder dort und sagten: „Ich habe Estland in meinen Besuchen als ein technologisch fortschrittliches Land erlebt, das vor allem im Bereich Internet führend und vorbildlich ist. Das Land nutzt die Möglichkeiten sehr viel stärker als Deutschland. Warum soll uns das nicht auch gelingen?“ Sie wollen fortschrittlich sein, wieso finden wir dann auch dieses Jahr keine Mittel für solche Vorhaben im Haushalt?

Den ersten Schritt sind wir gegangen. Gegen viel Diskussion werden endlich die Ausschusssitzungen gestreamt. Haushaltspläne werden nach unserer Initiative veröffentlicht endlich veröffentlicht. Der nächste Schritt den wir gerne mit dem Finanzministerium gehen wollen, ist die Veröffentlichung von Ausgaben. Aber ein wirkliches OpenGoverment, bei dem der Bürger sich durch das Internet Behördengänge sparen kann, Fehlanzeige. Und während Schleswig-Holstein noch im analogen Zeitalter schlummert, sind andere Bundesländer bereits 10 Schritte weiter. Es werden Konzepte geschaffen und Projekte Entwickelt. Herr Albig, sie müssten nicht einmal was neues erfinden. Bei anderen Bundesländern abkupfern kann manchmal gut sein.

Und für meinen letzten Satz, möchte ich mich präventiv bei den Kollegen Callsen und Kubicki entschuldigen. Denn es bleibt mir nur noch festzustellen, dass wir mit unseren doch linken Themen bei den Kollegen der CDU und FDP ein offeneres Ohr finden als bei Ihnen.

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