PIRATEN-Anfrage deckt massive Funkzellenabfragen in Schleswig-Holstein auf

handy1Über 850 Funkzellenabfragen seit 2009 in Schleswig-Holstein führten bislang nur zu 36 Verurteilungen. Das ist das Ergebnis einer großen Anfrage der Piraten im Landtag. Die Zahlen ergeben also unter anderem, dass nicht einmal jede 20. Abfrage der Telefondaten bisher zu einer Verurteilung geführt hat. Das Ausmaß der Handyabfragen nimmt von Jahr zu Jahr zu. 2012 wurde beispielsweise ein Bereich im Bezirk Kiel einen kompletten Monat lang dauerüberwacht. 2010 wurden in einem Zeitraum von 24 Stunden 2,3 Millionen Verbindungs- und Standortdaten von 300.000 Menschen im gleichen Bezirk erfasst.

Wir zweifeln die Antwort an, weil die Daten in vielen Fällen nicht plausibel sind. So waren z. B. bei der Staatsanwaltschaft Lübeck im Jahr 2009 in einem Fall 120.000 Anschlüsse betroffen, dabei sollen aber nur 70.000 Datensätze herausgekommen sein. Das ist Unsinn!“, erklärt Uli König, Mitglied der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag. König folgert: „Die von der Landesregierung übermittelte Auskunft lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder sind die Zahlen falsch oder die Polizei übt sich in derart nutzlosem und ausuferndem digitalen Voyeurismus, dass sich die Landesregierung nicht traut uns dies in vollem Umfang zu sagen.“

Die Zahl der betroffenen Handynutzer konnte nur in 129 Verfahren auf über 2 Millionen Anschlüsse beziffert werden, so dass insgesamt von rund 7 Millionen georteten Handys seit 2009 auszugehen ist. Statistisch gesehen war danach jeder Mensch im Land schon mehrfach im Visier der Ermittler. Wer zur falschen Zeit am falschen Ort  war, kann leicht zu Unrecht einer Straftat verdächtigt werden.

Dr. Patrick Breyer, MdL, ist überzeugt: „Dies ist nicht nur ineffektiv, sondern stellt auch die Frage, ob die Bürger nicht zumindest über die überflüssigerweise in Massen erhobenen Anschluss- und Bewegungsdaten informiert werden sollten. Es ist unverhältnismäßig, mit geringer Erfolgsaussicht ins Blaue hinein eine massenhafte Kompletterfassung aller Menschen im Umkreis eines Tatorts vorzunehmen. Gegen diese Massendurchleuchtung muss eingeschritten werden.“

Die Piratenkritik geht aber weiter: Es ist unabdingbar, dass die Betroffenen darüber informiert werden, dass ihre Datensätze weitergegeben werden. Das muss nicht durch die Polizei geschehen; es wäre besser, wenn der jeweilige Provider dies täte. Dazu reicht oft eine einzige SMS aus. „Es sollte in einem demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein, dass die eigenen Bürger über eine Abfrage der Polizei informiert werden. Das ist doch nichts, worüber man lang diskutieren muss.“ gibt sich Uli König angesichts der letzten Äußerungen der SPD und der Grünen selbstbewusst. Bislang erfolgt regelmäßig keine Benachrichtigung, weil die erfassten Bürger nach Auffassung der Staatsanwaltschaft „kein Interesse“ hätten.

Breyer und König kritisieren unisono: „Das Grundübel ist, dass viele Handynetzbetreiber überhaupt unsere Bewegungen auf Vorrat speichern, ohne dass dies technisch für die Abrechnung erforderlich ist. Der Bundesdatenschutzbeauftragte unternimmt nichts dagegen, so dass wir unsere Anbieter einzeln auf Nichtspeicherung verklagen müssten – ein unhaltbarer Zustand! Die Bewegungserfassung der Anbieter muss sofort gestoppt werden, damit entfällt auch die Grundlage für die umstrittenen Massenabfragen der Polizei.“

Nach Angaben der Landesregierung bleiben die überwachten Bewegungen der Handynutzer oft jahrelang gespeichert, selbst wo die Ermittlungen längst eingestellt sind. Begründung: „das Bedürfnis für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen“ könne „nicht ausgeschlossen werden.“ Breyer: „Eine solche Vorratsspeicherung für mögliche zukünftige Ermittlungen ist klar rechtswidrig.“

Die Antwort auf die Piratenanfrage im Volltext

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