Wolfgang Dudda: Der Wohnungsmarkt darf nicht zu Lasten der Mieter als Spekulationsobjekt genutzt werden!

Der Sozialpolitische Sprecher der Piratenfraktion, MdL Wolfgang Dudda, hat in der Debatte zur Wohnraumversorgung (TOP 13) im Plenum des Schleswig-Holsteinischen Landtags erklärt: „Der Wohnungsmarkt darf nicht zu Lasten der Mieter weiter als Spekulationsobjekt genutzt werden.“

(Nachfolgend stellen wir Ihnen den Redetext vom 25.04.2013 im Volltext zur Verfügung. Es gilt das gesprochene Wort)

Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie – das hat Herder schon vor mehr als 200 Jahren gesagt. Überträgt man das auf die Piraten, so wollen wir erreichen, dass möglichst alle Menschen würdig leben, würdig wohnen können.

Die Menschen sorgen sich um ihr Dach über dem Kopf, sie sorgen sich um ihre Stromrechnungen, um die Abrechnung der Nebenkosten. Manchmal sorgen sie sich zur Recht darum, dass ihr in die Jahre gekommenes Mietshaus abgerissen und gegen einen neuen Luxusbau ersetzt wird. Und wenn Menschen so offensichtliche Sorgen haben, dann muss sich die Politik darum kümmern.
Die Landesregierung meint nun, mit dem vorliegenden Bericht einen Beleg dafür in den Händen zu haben, dass die Politik sich um ihre Sorgen kümmert. Ja, sie kümmert sich, aber sie tut es nicht richtig und ich will Ihnen aufzeigen, warum in der aktuellen Politik, die die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Wohnraum sicherstellen soll, zügig und konsequent nachgesteuert werden muss.

Zuerst bedanke ich mich für den vorliegenden Bericht in dem auf Neuerungen im Bereich Wohnraumförderung hingewiesen wird. Ja, es wurde etwas getan, aber nicht vorrangig für die Mieter, nicht für die Menschen, sondern für die Wohnungswirtschaft. Und das ist nicht unser, dass ist nicht der piratige Schwerpunkt. Wir wollen etwas für die Menschen tun und das erfordert angesichts der sich dramatisch entwickelnden Lage mehr als einen fleißigen Bericht!

Schleswig-Holstein ist ein Land, das in der Frage der Wohnraumversorgung sehr große regionale Differenzen aufweist. Das wissen wir. Wenn die Landesregierung aber zunächst mal pauschal behauptet, dass das vorgesehene Fördervolumen ausreiche, um Wohnungen mit auslaufenden sozialen Bindungen in angemessenen und ausreichenden Maße zu ersetzen, dann muss dem entschieden widersprochen werden.

Die Zahlen der regionalisierten Wohnbeobachtung der Investitionsbank sprechen eine andere Sprache. Wo die Landesregierung mit sich selbst zufrieden ist und das Fördervolumen für ausreichend hält, bleibe ich kritisch und das nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf Grundlage konkreter Daten.
Während Sie versuchen, hier eine Mangelsituation schön zu reden, merken die Menschen sehr genau, wann sie sich Mieten nicht mehr leisten können, wann sie Angst um ihre vier Wände haben. Statt sich den Realitäten zu stellen, ziehen Sie sich hinter Floskeln zurück. Es sind doch nicht die Bedingungen für die Mieter, sondern die Finanzierungsbedingungen für die Wohnungswirtschaft verbessert worden. Sie haben mit den Mietobergrenzen die Mieten in den Ballungsräumen insgesamt erhöht. Mieten werden teurer und damit treffen Sie wieder die Schwächsten. Ja, durch die Anhebung der Mietobergrenze auf 7,00 Euro können auch besser verdienende einkommensschwache Familien einen Anspruch auf geförderten Wohnraum geltend machen, aber solange das Fördervolumen insgesamt nicht entsprechend vergrößert wird, leiden die, die ganz unten auf der Einkommensskala angesiedelt sind im wachsenden Maße. Das ist vielleicht sozialdemokratische Politik, Sozial ist das nicht!

Als Land können wir nicht mit gesetzlichen Mitteln die Höhe der Mieten regulieren. Wir können aber durch eine vernünftige Wohnraumförderung Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen und gezielt Anreize schaffen – Ihre Planung über die Ersetzung der zukünftig aus der Sozialbindung entfallenden Wohnung genügen dem nicht. In meiner Fraktion nennen wir das inzwischen die 100%-3/4-Lösung. Ein Viertel soll im Rahmen der Neubauförderung ersetzt werden, ein Viertel im Rahmen der Modernisierungsförderung, ein weiteres Viertel über Kooperationen und Vereinbarungen zwischen Vermietern und Kommunen oder die Landesförderung – und das letzte Viertel soll wegfallen. Also ein Ersatz durch Verzicht. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass das Grundkonzept Ihrer Sozialpolitik allgemein ist. So wird Ihr Ersatz zum Verzichtsprogramm im Angesicht einer Versorgungslage, die eben nicht entspannt ist, sondern sich dramatisch zuspitzt. Abgesehen davon, dass keine der Maßnahmen mit validen Daten unterlegt ist, halte ich diese 100%-3/4-Lösung für irrwitzig. Und ich wiederhole wieder: das mag sozialdemokratische Politik sein, sozial ist das nicht!
Wir brauchen für die Diskussion belastbare Daten. Wie viele Wohnungen können durch Vereinbarungen zwischen Vermietern und Kommunen ersetzt werden? Wie viele Wohnungen fehlen insgesamt tatsächlich? Die Landesregierung weist selbst in ihrem Bericht auf Fehlerquellen hin; die auch von anderer Seite bestätigt werden.
Wenn die Landesregierung plant, veraltete und nicht mehr zeitgemäße Wohnungen aus der Bindung zu entlassen, führt dies zwangsweise zur einem Verlust an geförderten Wohneinheiten. Zwar stehen diese Wohnungen dem Markt zur Verfügung, aber erfahrungsgemäß mit einer höheren Miete.
Schlecht für die Mieter ist im übrigen auch, wenn die Landesregierung sich auf die Fahnen schreibt, dass vorbehaltlos der Ersatzneubau ein geeignetes Instrument sei, eine innerstädtische Neubebauung mit mehr Wohnfläche, höherer Energieeffizienz und Barrierefreiheit zu gewährleisten. Das mag in der Sache stimmen, allerdings sagt der Berichts nichts dazu, was das für die Mieter bedeutet. Wer geht denn davon aus, dass diese Neubauten zu niedrigen Mieten angeboten werden? Nur Abreißen und teuer neu bauen ist eine Strategie, aber es ist keine soziale. Es ist daher zwingend notwendig, dass wir festlegen, dass ein Abriss erst stattfinden darf, wenn ein Neubau verwirklicht wurde. Abriss kann erst Platz für eine Anschlussbebauung schaffen, wenn der Ersatz bereitsteht. Das alles muss in einem geordneten Verfahren geschehen und darf nicht dem Markt allein überlassen werden.

Wir müssen eine vernünftige Balance finden zwischen den Anforderungen aus der Wohnungswirtschaft und den Bedürfnissen der Mieter, der Menschen. Dass das nicht einfach ist, liegt auf der Hand, weil es nicht nur um Grundmieten geht, sondern natürlich auch im ganz entscheidenden Maße um die Nebenkosten. Der Bericht weist auch hier alarmierende Daten auf. Darum ist die Überlegung richtig, das Wohngeld an die Verhältnisse am Wohnungsmarkt anzupassen, vor allem unter Einbeziehung der Heizkostenkomponente. Das ist eine Forderung der Bürgerbeauftragten. Mietobergrenzen müssen als Bruttomieten ausgewiesen werden. Das erhöht den Druck auf die Wohnungswirtschaft, Betriebskosten möglichst gering zu halten. Das finden wir unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten für sehr richtig.

Wenn wir über bezahlbaren Wohnraum sprechen, dann müssen wir uns auch vor Augen halten, dass steigende Mieten auch für die Gemeinden selbst ein Problem darstellen. Denn diese müssen die steigenden Kosten der Unterkunft von Beziehern des Arbeitslosengeldes 2 neben dem sinkenden Bundesanteil letztendlich selbst tragen. Preiswerter Wohnraum ist deshalb nicht nur ein Interesse der Mieter, sondern auch der Gemeinden und Kreise.

Lassen Sie mich zuletzt noch auf einen Punkt eingehen, der meines Erachtens nach in dem Bericht zu kurz gekommen ist. Wenn wir über Wohnraum reden, dann reden wir immer über den Preis des Wohnraums. 16 Jahre nach Beginn des Ausverkaufs kommunaler Wohnungsbauunternehmen wird aber auch der Zustand immer größerer Wohnungsbestände zu einem spürbaren Problem. Hierauf geht Ihr Bericht nicht ein. Eine nachhaltige Wohnraumplanung kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie auch den aktuellen Zustand des Wohnraumes abbildet.

Wir wollen eine soziale, ökologisch und ökonomisch richtige und verantwortungsvolle Politik. Der Wohnungsmarkt darf nicht zu Lasten der Mieter weiter als Spekulationsobjekt genutzt werden. Deshalb darf sich die öffentliche Hand aus diesem Sektor nicht noch weiter zurückziehen, als sie es schon getan hat. Instand gehaltener und bezahlbarer Wohnraum müssen für den Mieter vereinbar bleiben. Wir wollen bezahlbaren und bewohnbaren Wohnraum wie alle Menschen diesem Land. Wir wollen keine Getthoisierung und begrüßen die Offensive für bezahlbares Wohnen, von der z.B. Lübeck profitiert. Wir wollen keine Politik der Beliebigkeit, wie sie der Antrag der FDP populistisch vor sich her trägt. Der Antrag hätte auch lauten können: Macht mal Wohnraum – aber das ist uns zu wenig. Wir wollen, dass das Land, dass die Kommunen ihrer Verantwortung nachkommen. Wir wollen, dass wir wir als Land sozial verantwortlich denken und leben, denn so – laut Herder – bauen und wohnen wir auch.

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